Ein Team der Universität des Saarlandes hat gemeinsam mit einem internationalen Konsortium eine Förderung aus dem Pfadfinder-Programm des Europäischen Innovationsrates (European Innovation Council, EIC) erhalten. Die „EIC Pathfinder Challenge“ über vier Millionen Euro gilt einem Projekt zur weiteren Erforschung der Elastokalorik; Ziel ist die Entwicklung eines Prototypen für dezentrale Raumklimatisierung innerhalb von drei Jahren. Die Technologie wird einer Mitteilung zufolge vom Weltwirtschaftsforum WEF als eine der „TOP Ten Technologies 2024“ gewertet. Auch das Energieministerium der USA und die Europäische Kommission Union deklarierten sie demnach bereits als zukunftsträchtigste Alternative zu bisherigen Verfahren.
Das Heiz- und Kühlverfahren beruht darauf, Wärme aus einem Raum ab- oder in ihn hinein zu transportieren, indem ein so genanntes Formgedächtnismaterial, beispielsweise als Drähte, belastet und wieder entlastet wird. Das Material nimmt bei der Belastung, etwa wenn es gezogen wird, Wärme auf und gibt sie bei Entlastung wieder ab. Die Saarbrücker Forscher unter Leitung des Elastokalorik-Pioniers Paul Motzki nutzen hierfür die superelastische Legierung Nickel-Titan. Materialien aus dieser Legierung nehmen ihre ursprüngliche Form nach einer Verformung wieder an, weil sie zwei Kristallgitter und damit zwei Phasen besitzt. Während beispielsweise Wasser die Phasen fest, flüssig und gasförmig annimmt, sind bei Nickel-Titan beide Phasen fest, gehen aber ineinander über.
Motzki, der eine Brückenprofessur zwischen der Universität des Saarlandes und dem Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA) innehat, leitet im Rahmen des nun von der EIC geförderten Projekts SMACool ein Konsortium, zu dem auch die Universitäten in Ljubljana und Neapel (Federico II) sowie das irische Unternehmen Exergyn gehören. Gemeinsam soll der Prototyp einer Klimaanlagen-Einheit für Wohnhäuser entwickelt werden. Durch schmale Lüftungsschlitze in Außenwänden soll hierbei Frischluft einströmen und je nach Bedarf erwärmt oder gekühlt werden, bis die gewünschte Temperatur für den dahinter liegenden Raum erreicht ist. „Wir wollen Häuser mit unserer Technologie nicht mit einer zentralen Anlage beheizen und kühlen, sondern dezentral und individuell jeden einzelnen Raum“, so Motzki. Die zu entwickelnde kompakte Einheit könne künftig bei Neubauten auch direkt mit dem ohnehin erforderlichen Lüftungssystem eingebaut werden.
Mit einer Elastokalorik-Anlage lassen sich den Angaben zufolge beim Kühlen und beim Heizen Temperaturdifferenzen von jeweils rund 20 Grad Celsius erreichen. Die Technologie könne eine Alternative zu herkömmlichen Kühl- und Heizmethoden werden, die ohne Kältemittel und mit erheblich weniger Energie auskommt: „Der Wirkungsgrad elastokalorischer Materialien beläuft sich auf mehr als das Zehnfache im Vergleich zu heutigen Klima- oder Heizanlagen – sie werden deutlich weniger Strom benötigen“, erklärt Motzki.
Die Herausforderung für die nun folgende Arbeit liege in der Konstruktion einer Apparatur, die in einem Kreislaufsystem so funktioniert, dass der beste Kühl- oder Heizeffekt erzielt wird, wenn Luft daran vorbeigeleitet wird. Statt der bislang hauptsächlich verwendeten Drähte sollen nun dünne Bleche aus Nickel-Titan zum Einsatz kommen, die wegen ihrer größeren Oberfläche mehr Wärme aufnehmen und abgeben. Die Technologie sei „das Ergebnis aus rund 15 Jahren Forschung“ in mehreren Projekten und mehrfach ausgezeichneten Doktorarbeiten. Die Saarbrücker Teams haben unter anderem einen Kühl- und Heizdemonstrator und einen kontinuierlich laufenden Kühlschrank entwickelt.
Das Forschungsteam für Smarte Materialien, das von Professor Stefan Seelecke begründet und gemeinsam mit Professor Motzki ausgebaut wurde, hat darüber hinaus die Formgedächtnis-Technologie auch schon für gänzlich andere Anwendungen wie Robotergreifer oder Ventile und Pumpen genutzt. Die Technologie sei Thema zahlreicher Veröffentlichungen gewesen und werde in mehreren großen Forschungsprojekten gefördert.
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Hm, ~20°C Differenz? Zum Kühlen in Ordnung, zum Heizen wohl eher etwas für wärmere Gefilde.
Das wird für die meisten Stunden des Jahres zumindest im Großteil Mitteleuropas ausreichen. Da kein Umweg über Wärmeträgerfluid nötig ist (Heizungsflüssigkeit), kann die Luft direkt erwärmt werden – der Rest (wenige Tage bis maximal wenige Wochen pro Jahr) wird dann mit einem nachgeschalteten kleinen Elektroheizregister oder dem Kaminofen gemacht. Klingt doch gut! Der direkte technische Vergleich wäre also der mit einer Luft-Luft-WP (Klima-Split-Geräte).
Bei dem hohen genannten Wirkungsgrad sollten auch mehre Einheiten in Reihe geschaltet einen höheren Temperaturhub ermöglichen.
Da steckt noch viel Potenzial drin. Bei einer Arbeitszahl von locker über 6 stellt sich die Frage nicht mehr ob die alte Gasheizung ausgetauscht werden sollte.
Auch bei Kühlschranken, Autoklimaanlagen usw. könnte die Technik gut gebraucht werden.
Vielleicht sind auch hybride Systeme damit möglich, so dass klassische Wärmepumpen 20 C° weniger anheben müssen und effizienter laufen oder kleiner ausfallen können. Vielleicht sind diese dann auch für Altbauten interessanter.