Gerade einmal ein Jahr ist es her, da prophezeiten Experten der Strategieberatung Roland Berger den verschiedenen Dünnschichttechnologien einen wahren Siegeszug. Ihre Studie namens „Licht und Schatten“ ging damals von einem deutlich steigenden Marktanteil für Dünnschichtmodule aus: von unter 20 auf über 30 Prozent schon im Jahr 2012. Davon ist längst keine Rede mehr. „Wir erwarten, dass der Dünnschichtanteil 2011 bei etwa17 Prozent liegen wird“, sagt Stefan de Haan, Analyst bei IHS iSuppli in München. „Bis 2015 könnten es dann 20, eventuell 21 Prozent sein.“ Und vielleicht ist sogar das zu optimistisch gedacht. Dirk Morbitzer, Geschäftsführer von Renewable Analytics in San Francisco, wagt angesichts des aktuellen Preisverfalls kristalliner Module eine im Dünnschichtsegment sicher von vielen als ketzerhaft empfundene Frage: „Unterwelchen Umständen gibt es für Dünnschichtmodule überhaupt noch eine Marktberechtigung?“
Verlorener Vorteil
Morbitzer geht natürlich nicht wirklich davon aus, dass das Segment ausstirbt. Trotzdem lässt sich seine Frage nicht einfach beiseiteschieben. Der wichtigste Impuls für die starke Entwicklung der Dünnschicht war schließlich dasSiliziumproblem der kristallinen Konkurrenz: Der unverzichtbare Rohstoff war sehr knapp und sehr teuer, was natürlich die Modulpreise belastete. Dünnschichtprodukte waren da – trotz niedrigerer Wirkungsgrade – eine willkommene Alternative. Dass sich diese Situation wiederholt, ist aus Dirk Morbitzers Sicht jedoch sehr unwahrscheinlich. „Es sind massive Silizium-Überkapazitätenabsehbar, die auf keinen Fall von der Photovoltaikindustrie absorbiert werden können“, sagt auch Stefan de Haan. Der Stoff ist inzwischen problemlos und günstig zu haben – und der augenfälligste Vorteil der Dünnschicht dahin.
Massiv unter Preisdruck
Zwar arbeiten die Hersteller von amorphen, Tandem-, CIS- oder Cadmiumtellurid-Modulen ebenso massiv an einer Senkung der Produktionskosten und damit der Wattpreise wie Unternehmen im kristallinen Bereich. Aber das ist auch dringend nötig: Ihr nominal auch zurzeit noch vorhandener Preisvorteil pro Watt reicht schon jetzt nicht mehr aus, um die geringeren Wirkungsgrade wettzumachen. Und der Druck wird zunehmen. „Die Kristallinen expandieren massiv,mehr als erwartet, vor allem China“, sagt Stefan de Haan. Er erwartet 2012 eine weitere Drehung des Preiskarussells, „wenn die Trinas und Yinglis anfangen, die Preise massiv zu senken“, und sieht eine umfassende Konsolidierungswelle auf die gesamte Industrie zurollen. Auch Dirk Morbitzer rechnet mit turbulenten Zeiten. „Sowohl im kristallinen als auch im Dünnschichtbereich wurden und werden stark zusätzliche Kapazitäten aufgebaut. Aber aus unserer Sicht wird der Markt insgesamt 2011 nicht wachsen, wahrscheinlich auch nicht 2012, und der Dünnschichtanteil wird sich um 20 Prozent einpendeln. Das muss zu einem Verdrängungswettbewerb führen.“
Probleme auch bei First Solar
Diesen Verdrängungswettbewerb wird sogar Platzhirsch First Solar zu spüren bekommen, selbst wenn – wovon IHS iSuppli ausgeht – der Gesamtmarkt 2011 auf 21 Gigawatt weltweit wachsen und der Dünnschichtanteil mit mindestens 17 Prozent stabil bleiben sollte. „First Solars Marktanteil im Dünnschichtsegment ist trotz gestiegener Produktion von 61 Prozent 2009 auf 45 Prozent 2010 gefallen und wird 2011 wahrscheinlich noch etwas geringer sein“, sagt Stefan de Haan. Dieführende Stellung des Unternehmens gilt nicht wirklich als gefährdet, schließlich ist es hervorragend aufgestellt, ist Kostenführer und baut zudem weitere Kapazitäten auf. Aber Dirk Morbitzer weist auch auf kritische Punkte hin. Zum einen gebe es bei Cadmiumtellurid-Modulen physikalische Grenzen, was die Effizienz angehe, zum anderen sei das Thema RoHS – eine Direktive, mit der die EU die Verwendung bestimmter kritischer Substanzen wie zum Beispiel Cadmium einschränken beziehungsweise verbieten will – nicht völlig vom Tisch. Der EU-Ministerrat hat zwar im Mai die Entscheidung bestätigt, Solarmodule vom RoHS-Geltungsbereich auszuschließen. Aber das könne sich, so Morbitzer, in Zukunft ändern: „Wir erwarten, dass 2014 Photovoltaikmodule nicht weiter ausgenommen werden.“ Und: „Der US-Markt läuft für First Solar im Moment noch gut, aber es gibt erste Regionen, die bei den Ausschreibungen von Projekten keine Verwendung von Cadmiumtellurid tolerieren. First Solar arbeitet zwar inzwischen mit einem großen Entwicklerteam am Thema CIGS. Aber ein solcher Technologieschwenk muss sowohl technisch gelingen als auch entsprechend nach außen vermittelt werden.“ Dass CIS- beziehungsweise CIGS-Module wegen ihrer guten Wirkungsgrade grundsätzlich gute Chancen auf dem Markt haben und dass amorphe Dünnschichthersteller wegen ihrer im Vergleich wenig leistungsfähigen Produkte vor massiven Problemen stehen, glauben beide Analysten. Daher erwarten beide in den nächsten Jahren in der Liste der Top Ten deutliche Verschiebungen. „Es fällt auf, dass mit Solar Frontier jetzt der erste große CIGS-Spieler stark aufkommt“, sagt beispielsweise Stefan de Haan. „Das Unternehmen rampt geradesein 900-Megawatt-Werk und wird sicher zweite starke Kraft hinter First Solar werden.“ Derzeit liegt das Unternehmen auf Platz fünf und wird auch von Morbitzer als „vielversprechender Newcomer“ beschrieben. Aus seiner Sicht sind das Vertriebsnetz sowie die kurz- bis mittelfristige Preisstrategie jedoch noch nicht richtig ausgeprägt. „Wir nehmen das Unternehmen für die geplante Ausbringungsmenge noch zu wenig wahr.“ Andererseits habe Solar Frontier mit Showa Shell Sekiyu eine potente Muttergesellschaft, die viel ermöglichen kann, und mit Japan einen guten heimischen Markt. Und weitere Firmen sitzen in den Startlöchern. Hanergy, Best Solar, MiaSolé oder Nanosolar sind Namen, die Morbitzer schon bald auf der Liste der größten Dünnschichtproduzenten erwartet. „Solyndra, Kaneka oder Energy Conversion Devices werden darauf im nächsten Jahr sicher nicht mehr auftauchen.“
Keine Rettung in der Nische
Diese Namen zeigen, dass die verwendete Technologie allein nicht ausschlaggebend ist für den Erfolg eines Unternehmens. Solyndra produziert CIGS-Module in zylindrischer Form, eine interessante technische Lösung. „Aber die Kosten sind zu hoch, das Produkt ist nicht wettbewerbsfähig“, sagt Stefan de Haan. Hinzu kommen schlechte Schlagzeilen wie die Schließung eines Werkes und die wiederholte Verschiebung des Börsengangs. Und selbst die große von der US-Regierung eingeräumte Kreditlinie ist laut Morbitzer keine ungetrübte Freude. „Der Kongress hat von der Regierung die Herausgabe der Kreditunterlagen verlangt– kein gutes Signal.“ Energy Conversion Devices produzieren Triple-Junction-Module und „haben mit ihren flexiblen Produkten eine sehr gute Problemlösung und strategische Produktausrichtung“, sagt Morbitzer. „Aber das Unternehmen hat noch nicht gezeigt, wie die Produktionskostensenkung erfolgen soll. Bislang ist es ein Nischenprodukt.“ Hinzu kommen hausgemachte Probleme, „das Unternehmen hat, anders als First Solar oder Solar Frontier, keinen finanziellen Rückhalt“, so Stefan den Haan. „Wertberichtigungen machen Energy Conversion Devices jetzt schon zu schaffen, ebenso die Einschnitte in Italien und Frankreich, und die nächste Preisrutschrunde 2012 wird auch wieder bitter.“ Sharp Solar hingegen fährt mitseinen Triple-Junction-Modulen sehr gut. Stefan de Haan erwartet daher einen Ausbau der Dünnschicht-Produktionskapazitäten auf ein Gigawatt, und Dirk Morbitzer schätzt, dass die Kapazitäten jetzt schon höher liegen als in der Übersicht. „Wir sehen die Kapazitäten aktuell eher bei 700 bis 900 Megawatt, plus die Kapazitäten durch das Joint Venture mit Enel in Italien. Aber auch bei Sharp sind Produktionskosten beziehungsweise Verkaufspreise noch zu hoch.“
Amorphe und Tandemmodule vor dem Aus?
Deutlich zu teuer produziert ebenfalls Kaneka. „Das Unternehmen müsste preislich so weit runtergehen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sie das schaffen werden“, sagt Morbitzer – ein Problem, mit dem sich alle a-Si- beziehungsweise Tandemhersteller konfrontiert sehen, die einfach mit kristallinen, CIS/CIGS- oder Cadmiumtellurid-Herstellern nicht mithalten können. Daher sehen wahrscheinlich auch Trony Solar, QS Solar und Schott Solar Problemen beim Absatz ihrer Dünnschichtprodukte entgegen. Bei Schott liegt der Schwerpunkt der Investitionen ohnehin klar im kristallinen Bereich. Und weder Trony noch QS Solar wird es aus Sicht der Analysten helfen, dass China die heimische Produktion gerne mit staatlichen Geldern stützt. „Gerade die chinesische Regierung kann sehr gut rechnen und wird nicht auf eine veraltete Technologie setzen“, so Morbitzer.
Und bei Q-Cells gilt die Zukunft der Dünnschicht – wenn nicht sogar die Zukunft des gesamten Unternehmens – als unklar. „Q-Cells will sich als Technologieführer positionieren und das beste CIGS mit dem höchsten Wirkungsgrad anbieten, aber letztlich steht und fällt alles mit den Kosten“, sagt Stefan de Haan. „First Solar produziert Module für 75 US-Cent pro Watt, davon ist Q-Cells ein Stück entfernt.“ Hinzu kommen schlechte Nachrichten. „Q-Cells spricht öffentlich darüber, offen für eine Übernahme zu sein, und macht Vertragsstreitigkeiten mit mehr als der Hälfte der Kunden publik“, so Morbitzer. „Das ist schwierig, richtig schwierig. Andererseits macht Q-Cells in den USA einen richtig guten Job, sowohl bei der Projektentwicklung als auch bei der Vermarktung. Aber von der deutschen Mutter kann sich das US-Team natürlich nicht abkoppeln.“
Zentrale Frage: Wirtschaftlichkeit
Fazit der Analysten: Dünnschichtproduzenten bewegen sich in einem insgesamt schwierigen Marktumfeld und haben außerdem überwiegend mit zu hohen Produktionskosten zu kämpfen. Und gerade im Bereich CIGS, der jetzt erst richtig in die Volumenphase kommt, sitzen viele kleine Firmen in den Startlöchern, die gut aufgestellt sind und Druck auf die etablierten Unternehmen erzeugen werden. Stefan de Haan: „Es werden nicht alle schaffen. Aber die, die es schaffen, werden sicher kostenmäßig besser aufgestellt sein als die Produzenten ‚alter‘ Technologien wie a-Si und Tandem.“ Denn die Wirtschaftlichkeit ist in der Photovoltaik die zentrale Frage. „Endkunden wollen mit Photovoltaik Geld sparen oder Geld verdienen – wenn das nicht geht, gibt es keinen Markt“, sagt Dirk Morbitzer. „Dünnschichtproduzenten müssen Module verkaufen, die höhere Renditen bringen als gute und günstige chinesische kristalline Module, dann haben sie eine Existenzberechtigung. Wer das nicht schafft, hat keine – und damit ein massives Problem.“
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