Wer auf dem Gründach steht, fühlt sich zunächst ein wenig an die geordneten und symmetrischen Gärten des Barock erinnert: In gleichmäßigen Abständen bilden die senkrechten Photovoltaik-Module mehrere Reihen. Dazwischen und darunter zieht sich die Dachbegrünung ungestört dahin. Hier werden verschiedene Elemente der Nachhaltigkeit zusammengebracht.
Die Photovoltaik-Module im Sonderformat, die 45 Zentimeter hoch und zwei Meter breit sind und im hierzulande ungewöhnlichen 90-Grad-Winkel aufgeständert werden, stammen von Solyco. Das Unternehmen ist als Management-Buy-out aus dem Forschungs- und Entwicklungsunternehmen des früher sehr bekannten Modulherstellers Solon unter dem ehemaligen CTO Lars Podlowski hervorgegangen, das 2014 die Produktion in Deutschland eingestellt hat.
„Wir haben nicht mit einem Gründachkonzept begonnen, sondern uns mittels Installation von verschiedenen Testanlagen seit 2017 mit den Vorteilen von Bifazialität und der Rückstrahlung durch einen möglichst hellen Untergrund auseinandergesetzt“, sagt Produktmanager Philip Kallenberg. „Wir haben dann aber festgestellt, dass das Konzept der vertikalen Montage sich besonders für Gründächer anbietet.“ Ein Grund dafür ist, dass es in 20 Zentimeter Höhe installiert werden kann, wodurch die Pflanzen gut wachsen können. Da es eine Lösung für die Flächenkonkurrenz von Gründächern und Photovoltaik-Anlagen mindert, zeichnet die pv magazine Jury das System als highlight top innovation aus.
Highlights und spotlights
Das sagt die Jury:
Solyco: Elegante Symbiose für Stadtklima und Klimaschutz
Mit Photovoltaik den Klimawandel begrenzen und mit Gründächern das Stadtklima verbessern: die Lösung von Solyco vereint diese beiden wichtigen Ziele. Das Unternehmen hat Module in Sondergröße entwickelt, die senkrecht auf den Dächern aufgestellt werden. Das System benötigt weniger Ballast und lässt mehr Fläche unbedeckt als mit herkömmlichen Systemen, so dass es auch auf existierenden Gründächern aufgestellt werden kann. Die Jury verleiht dafür das Prädikat pv magazine highlight top innovation.
Die Juroren: Volker Quaschning ist Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin. Hans Urban ist langjähriger Experte und Consultant für Photovoltaik, Speicher und E-Mobilität. Winfried Wahl leitet das Produktmanagement bei Longi Solar in Deutschland.
Mehr Infos, bisherige Preisträger (seit 2014) und alles zur Bewerbung unter: www.pv-magazine.de/highlights
Einsendeschluss für die nächste Runde: 31. Juli 2024
Bezeichnenderweise heißt das Gründachsystem „SOLon“. Es ist seit letztem September erhältlich und wurde nach eigenen Angaben bisher sieben Mal mit zusammen 100 Kilowatt installiert. Damit bietet Solyco eine Lösung für einen Trend. Laut Bundesverband Gebäudegrün wurden im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 10,7 Prozent mehr Dachflächen begrünt.
Leichtes System dank wenig Ballast
„Wir haben alle horizontalen Elemente aus dem System entfernt, so dass keine Auftriebskräfte wirken“, so Philip Kallenberg. Allerdings ist es empfindlich gegen seitliche Druckkräfte. „Bei einer Windgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometer haben wir einen Winddruck an dem Modul von etwa 1920 Pascal“, so Kallenberg. Trotzdem sei weniger Ballast notwendig, mit dem das System in Position gehalten wird, als bei konventionellen ballastierten Flachdachsystemen. Mit maximal 22 Kilogramm pro Quadratmeter sei das System insgesamt leichter. Das erleichtere die Montage und biete die Möglichkeit, ein Solarsystem auf Grün- sowie Flachdächern mit geringer Reservelast zu installieren, so der Experte. Das sei gerade bei alten Gebäuden häufig ein Problem. Das geringe Gewicht vereinfache auch die Nachrüstung auf bestehenden Gründächern, da ein Abtragen des Gründaches nicht notwendig sei, sagt er.
Die Module mit ihrer Höhe von 45 Zentimetern werden dabei in einem Reihenabstand von 80 Zentimetern aufgestellt, so dass bei Sonnenauf- und -untergang nur eine minimale Eigenverschattung stattfindet.
Solyco versucht nicht, in direkter Konkurrenz zu herkömmlichen Systemen zu punkten. Diese werden meist mit 15 bis 30 Grad Winkel aufgestellt. Mit dem neuen System kann nach eigener Aussage in der Regel eine Nennleistung von 100 Wattpeak pro Quadratmeter installiert werden. Das sei ungefähr die Hälfte im Vergleich zu einer Ost-West-Aufständerung bei ähnlichem spezifischen Ertrag. „In Kundengesprächen merken wir: Wer ein Gründach aufbauen will, möchte es nicht mit Solarmodulen verdecken“, sagt Kallenberg. „Bei Gründächern wird ohnehin nicht voll belegt, so dass wir hier mit anderen Systemen mithalten können.“
Zusätzlich bietet die senkrechte Ausrichtung der Module ein Ertragsverhalten, das besser zum Nutzungsverhalten von vielen Anlagenbesitzern passt als nach Süden ausgerichtete Module: „Steht die Sonne mittags senkrecht, wird in herkömmlichen Systemen viel Solarenergie erzeugt“, sagt Kallenberg. „Die Energie wird aber am Vor- und Nachmittag benötigt, wenn die Menschen zu Hause sind. Unser System hat zu genau diesen Zeiten seine Peaks“.
Darüber hinaus nennt Kallenberg weitere Vorteile: Während bei flach aufgeständerten Anlagen die Verschmutzung des Frontglases droht, ist dies beim Senkrechtsystem nicht der Fall. Auch im Winter sei bei Schneehöhen bis 20 Zentimetern keine Verschattung zu befürchten. „Bei hoher Lichtreflexion durch Schnee ist der Stromertrag sogar besonders hoch“, so Philip Kallenberg.
Wind als Herausforderung
Dabei ist Solyco nicht das erste Unternehmen, das sich mit der senkrechten Aufständerung befasst. In der Agri-Photovoltaik ist es ein viel diskutiertes Konzept. Der norwegische Solartechnik-Anbieter Over Easy Solar bietet auch vertikale Systeme für Flachdächer an.
Auch Andreas Beinert, Teamleiter Finite Elemente Methoden beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, hat sich bereits mit der senkrechten Aufständerung beschäftigt. „Schneelasten sind quasi vernachlässigbar“, sagt er. „Je nach Lücke zum Boden kommt es zu keiner Schneebedeckung im Winter und der Schnee kann sogar durch höheren Albedo zu höherem Ertrag führen.“ Doch der senkrechte Winkel der Module bringt auch Herausforderungen mit sich: „Vertikal installierte Module bieten eine größere Angriffsfläche für Wind und können daher zu einer höheren Windlast führen. Das hat eine Auswirkung auf die Halterung. Diese muss die Lasten aufnehmen können. Auch die Ballastierung beziehungsweise Verankerung kann entsprechend massiver ausfallen“, erklärt er. Dem Experten zufolge kann dies ein Grund dafür sein, die Modulgröße zu reduzieren.
Das Forschungsprojekt „Vertical.solar“ hat das mit CFD-Simulationen und Windtunnelmessungen untersucht. „Dabei wurde festgestellt, dass bei entsprechend kleiner Modulfläche und niedriger Aufständerung sogar auf eine Ballastierung verzichtet werden kann“, so Beinert. „Das hängt aber sehr stark von der gewählten Modulgröße und dem Aufständerungssystem ab.“
Solyco hat das System nach eigenen Angaben diesbezüglich optimiert, indem ein Doppelglaslaminat aus zweimal 3,2 Millimeter dickem Glas für die Module zum Einsatz kommt. „Eine zusätzliche Versteifung wird durch ein Aluminiumprofil erreicht, das gleichzeitig die Glaskanten gegen mechanische Beschädigung zum Beispiel durch Hagel schützt“, erklärt Philip Kallenberg. (Stefanie Schweizer)
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Endlich mal senkrecht ! Ein guter Anfang ! — Und noch sehr „optimierungsfähig“:
1. Die „dünnen“ Module verbiegen sich bei WindLast —> geht auf Lebensdauer
2. Weniger wäre mehr: Optisch sieht ES nach einem „sehr traurigen Friedhof“ aus
— Überdachte Freiflächen dazwischen würden viel an Optik und WohnWert bringen
3. Je 3 – 6 Module zu einer Säule integriert würde optisch / statisch viel bringen
bei akzeptabel geringer LeistungsMinimierung.
4. — Ein 8-Eck-Modul könnte ein „DachPavillion“ werden ?!
Alles Gute !
Wolfgang Gerlach
Umdenken erforderlich
Es ist eine weit verbreitete, biologisch nicht verifizierbare Behauptung,
dass Dachgrünflächen das Stadtklima kühlen.
Pflanzen geben grundsätzlich kein Wasser ab, da sie das Wasser selbst verbrauchen für den Stofftransport von den Wurzeln und dann für ihr Wachstum und auch nur so viel aufnehmen, wie sie dafür brauchen.
Es sind ja keine Wasserpumpen, die Wasser in die Luft vernebeln, um Kühleffekte hervorzurufen.
Gründächer sind auch keine Hilfe für Starkregen, im Gegenteil. Sie bringen viel Verunreinigungen in die Dachentwässerungen, die damit öfters in ihrer Funktion behindert werden und auf dem Dach ein Regenwasserstau stattfindet.
Pflanzen sind nur als Schattenspender nutzbar mit dem größten Effekt bei der Fassadenbegrünung, wo die Aufheizung von Gebäuden und die Wärmespeicherung darin behindert wird, was zu einer Kühlung führt.
Die effektivste, systematischste Funktion wird durch die Abdeckung und Abschattung der Dächer und Fassaden durch PVA-Module gegeben. Sie wandeln 20 % der Strahlungsenergie in Grünstrom um und reflektieren bis zu 20 % der Strahlung und bringen damit einen und den den größten natürlichen Kühleffekt und tragen erheblich zum Klimaschutz bei, was die Dachbegrünung auch nicht macht…
Es muss endlich h mal die Mär von der Gründachkühlung fachlich beendet werden und
das ist dann auch ein erheblicher Beitrag für die Entwicklung der Grünstromerzeugung mit PVA,
dem sich das pv-magazin besonders verpflichtet fühlen müsste.