1Komma5° setzt bereits eine Optimierung auf hohen Eigenverbrauch und dynamische Stromtarife um. „Rund 2.000 Haushalte werden über einen dynamischen Stromtarif bereits mit unserer Software optimiert“, sagt CEO Philipp Schröder. Wie das aussieht, verrät ein Blick auf die App, die Schröder und seine Mitarbeiter interessierten Journalisten beim Besuch des neuen Entwicklungszentrums Anfang Mai in Berlin zeigten.
Im Foyer ein Bildschirm in Personengröße. Er zeigt das Smartphone eines Kunden, der an die Heartbeat-Energieplattform von 1Komma5° angeschlossen ist. 6,7 Cent pro Kilowattstunde steht groß oben zu lesen, das ist der Strompreis der letzten sieben Tage. Aufgeschlüsselt sind das 400,14 Kilowattstunden selbst erzeugter Solarstrom à fünf Cent pro Kilowattstunde. Da kommt man ungefähr hin, wenn eine Zehn-Kilowatt-Anlage 12.000 Euro kostet, über 25 Jahre abgeschrieben wird und die Kapitalkosten null sind. Im gleichen Zeitraum hat der Betreiber 249,29 Kilowattstunden für eine Einspeisevergütung von 8,11 Cent pro Kilowattstunde verkauft. Das Interessante zeigt die dritte Zeile: Er hat 66,85 Kilowattstunden Strom für 20,85 Cent pro Kilowattstunde aus dem Netz gekauft.
In der angezeigten Woche ist der Eigenverbrauch verhältnismäßig hoch und damit sind automatisch die Stromkosten niedrig. Doch die Strombezugskosten, in denen auch die Netzumlage und weitere Umlagen und Abgaben enthalten sind, sind auch in anderen Wochen so niedrig, dass 1Komma5° eine Garantie geben kann. Je nach Netzkosten in einer Region liegt die Obergrenze, die Kunden für Strom bezahlen müssen, zwischen 15 und 23 Cent pro Kilowattstunde. „Tatsächlich liegen die Werte aber über Stunden deutlich niedriger, also unter dem Garantiewert“, sagt Schröder.
Dazu gibt es die Preistransparenz. In der Region des Beispielkunden betragen die Netzkosten und anderen Abgaben und Umlagen 14,5 Cent pro Kilowattstunde. Für den finalen Preis wird nur noch der Day-Ahead-Preis der Strombörse addiert. In den betrachteten sieben Tagen lagen sie im Schnitt in den Zeiten, in denen das 1Komma5°-Energiemanagement auf Strombezug geschaltet hat, bei 6,35 Cent pro Kilowattstunde. „Unsere Daten zeigen, dass für unsere Kunden die Einnahmen aus dem Stromverkauf häufig höher sind als die Kosten des optimierten Einkaufs“, sagt CTO Barbara Wittenberg.
Die Nutzung des Trading-Software-Pakets kostet 9,99 Euro pro Monat zusätzlich. Legt man das bei einem Haushalt mit Wärmepumpe auf vielleicht 3.000 Kilowattstunden um, ergeben sich also noch rund vier Cent pro Kilowattstunde zusätzlich. Allerdings lässt sich der Betrag nicht ganz dem Strompreis zuschlagen. Er beinhaltet ja auch die Optimierungsdienstleistung. Dazu kommen noch Grundkosten wie bei allen Stromversorgern, die beim Dynamic Pulse bei 54 Euro im Jahr liegen.
Andere Kostenstruktur
Im Vergleich zu Standardtarifen ist die Lösung nicht nur günstiger, weil der Strom zu Zeiten gezogen wird, wo er besonders wenig kostet, sondern weil bei dem dargestellten Tarif wie bei etlichen dynamischen Tarifen ein Kostenbestandteil fehlt, der bei Standardtarifen im Jahr 2023 im Durchschnitt 14,9 Cent pro Kilowattstunde ausmachte. Laut Auswertung des Bundesverbandes der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) rechneten die Versorger letztes Jahr 23,93 Cent pro Kilowattstunde für die Strombeschaffung ab. Der durchschnittliche Börsenpreis betrug 9,5 Cent pro Kilowattstunde. Der Aufschlag kann zum Beispiel dadurch zustande kommen, dass Versorger Strom nicht am Spotmarkt sondern längerfristig zu anderen Preisen einkaufen. Außerdem ist der Aufwand eingepreist, den ein Unternehmen mit der Beschaffung hat. Tibber weist diesen Anteil zum Beispiel mit nur 2,15 Cent pro Kilowattstunde aus. Bei 1Komma5° ist er in dem obigen Beispiel in den 14,5 Cent und in den Kosten für die Software enthalten. Mit der Umsetzung des Paragrafen 14a des EnWG können Heartbeat-Kunden künftig zusätzlich von reduzierten Netzentgelte für die Steuerfähigkeit ihrer Verbrauchseinrichtungen entlohnt werden.
pv magazine Focus Event am 2. Tag der The smarter E
Am zweiten Tag der The smarter E können Sie mehr über Energiemanager erfahren. Wir laden ein zum pv magazine Focus „Qualität von Energiemanagementsystemen für Wohngebäude“:
Zeit: Donnerstag, 20. Juni, 14:00 bis 16:00 Uhr
Ort: Konferenzzentrum auf dem Messegelände in München
Thema: Diskussion zu Qualität von Heim-Energiemanagementsystemen, mit Informationen unter anderem zu: Produktüberblick, dynamische Stromtarife, Paragraf 14a, Heimspeicher-Unterschiede, Wärmepumpenintegration. Mit: Fraunhofer ISE, Hochschule Ansbach, HTW Berlin, 1Komma5, Fenecon, GridX, Rabot Charge u.a.
Mehr Informationen und kostenfreie Anmeldung
Dort diskutieren wir unter anderem mit Barbara Wittenberg, CTO von 1Komma5°.
An einem anderen Beispielkunden zeigt 1Komma5°, wie sich der dynamische Tarif auswirkt: Bei Familie Hoffmann, wenn um zwei Uhr nachts der Strompreis negativ wird. Man bekommt vier Cent pro verbrauchter Kilowattstunde, muss allerdings die Netzkosten dazuzahlen. Bei Familie Hoffmann lädt rund eine Stunde lang das Elektroauto für 62,5 Kilometer Reichweite für 1,26 Euro. Um vier Uhr morgens lädt der Batteriespeicher auf 90 Prozent Ladezustand auf. Um unnötigen Netzbezug zu vermeiden, stoppt das System dann die Beladung. Denn Wetter-, Erzeugungs- und Verbrauchsprognose ergeben, dass mit der erwarteten Solarstromerzeugung dadurch der Speicher mittags voll geladen sein wird und das bis zum nächsten Morgen um acht Uhr zur Energieversorgung reichen wird. Am nächsten Tag kostet der Strom an der Börse zwischen vier und zehn Cent. Die Sonne scheint dann jedoch stärker, so dass kein Netzbezug notwendig ist und auch nachts kein Strom geladen werden muss.
Dank Prognosen Integration in den Energiemarkt
Das Prinzip der dynamischen Stromtarife ist relativ einfach. Doch es wird kompliziert, wenn man die energiewirtschaftlichen Anforderungen betrachtet. Denn am Energiemarkt muss jeder Versorger am Vortag prognostizieren, wie hoch am Folgetag der Stromeinkauf in jedem Viertelstunden-Zeitfenster sein wird. Merkt er im Laufe des Folgetages, dass die Prognose nicht stimmt, kann er untertags noch zu den dann verfügbaren Preisen handeln. Weicht er am Ende ab, muss er Strafe zahlen. Für Privatkunden gibt es die Ausnahme, dass sie mit der statistisch errechneten Standardlastprognose berücksichtigt werden.
Das geht jedoch nicht, wenn man davon profitieren will, dass der Strompreis zu bestimmten Zeiten besonders günstig ist. Wenn ein Verbraucher mit Photovoltaik und Batteriespeicher einfach zu einem Anbieter dynamischer Preise wechselt, bekommt dieser keine Prognose und kann nicht einschätzen, wie der Verbraucher aufgrund der dynamischen Preise die Zeiten ändert, zu denen er Strom bezieht. Das lässt sich bei vielen Kunden in gewissem Maße zwar auch statistisch behandeln, kann aber auch zu Abweichungen von der Prognose am Folgetag führen. „Ein optimaler Wert entsteht nur bei voller Kontrolle sowie Steuerung der Systeme und ohne Umstellung in den Individual Lastgang. Ohne synchronisierte Steuerung und Prognose ist das nicht möglich und viele dieser Tarife sind letztlich nur eine Notlösung “, sagt Philipp Schröder.
1Komma5° geht diesen Weg schon heute. Am Vortag melden die vielen mit der Heartbeat-Plattform verbundenen Kundensysteme den Strombedarf für den Folgetag, so dass das Unternehmen den Stromeinkauf planen kann, inklusive der Verschiebung der Last zu günstigeren Zeiten. Das geschieht per selbstlernendem System vollautomatisiert. „Bereits nach zwei Wochen hat das System das gut gelernt, ohne eine Tiefenintegration ginge das nicht“, sagt CPO Jannik Schall.
Die Integration von Energiemanagement und Stromversorgung geht aber noch darüber hinaus. Wenn es nötig sein sollte, kann 1Komma5° am Folgetag die Systeme auch so steuern, dass Abweichungen von der Prognose reduziert werden. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein dynamischer Tarif ohne solch einen Zugriff auf das Energiemanagement überhaupt effizient funktionieren kann“, sagt Philipp Schröder.
Um den Stromverbrauch viertelstündlich zu bilanzieren, benötigen die Kunden Smart Meter. „Engpässe beim Roll-out begrenzen im Moment noch die Zahl der Kunden für den Dynamic Pulse Tarif“, sagt Schröder.
Integration von Hardware-Komponenten
Die Wärmepumpen sind derzeit über die SG Ready-Schnittstelle mit Heartbeat verknüpft. Im Berliner Entwicklungszentrum arbeiten die Mitarbeiter daran, diese Integration zu vertiefen, insbesondere mit den Geräten von Daikin und Stiebel Eltron. „Dazu haben wir einen Teststand aufgebaut, mit dem wir ein Einfamilienhaus simulieren“, sagt CTO Barbara Wittenberg auf dem Rundgang. Über SG Ready kann das Energiemanagement nur das Signal geben, dass günstige Energie zur Verfügung steht. Der Wärmepumpenmanager entscheidet selber, ob er sie nutzt, ob und wie sehr er die Temperatur im Pufferspeicher oder im Haus erhöht. In der nächsten Integrationsstufe, die zusammen mit den Wärmepumpenherstellern bis Ende des Jahres entwickelt wird, meldet er über eine bidirektionale Schnittstelle ebenfalls am Vortag einen Wärmepumpenfahrplan. Das Energiemanagement kann dann genauer planen, wann es sinnvoll ist, zusätzlich Energie thermisch zu speichern.
Es wird immer wieder darüber spekuliert, welche Teile der Haeartbeat-Energie-Plattform als OEM-Lösung von GridX eingebunden werden. 1Komma5 erklärt das so, dass der Haertbeat für die Signalübertragung Komponenten von GridX nutzt. Diese seien in der Hardwarebox enthalten, die mit GridX gefertigt und immer lokal installiert wird.
Bei den Wallboxen realisiert die Heartbeat-Plattform solaroptimiertes Laden. Mit den Geräten von Menneckes und Wallbox Chargers ist es dabei auch möglich, den Ladezustand von Fahrzeugen auszulesen, die den entsprechenden Standard bereits umsetzen, und im Energiemanagement zu berücksichtigen.
Eines der größten Unterscheidungsmerkmale von Energiemanagementsystemen, Haus-Energiesystemen und den Komponenten ist, ob sie mit offenen Schnittstellen erlauben, Geräte anderer Anbieter einzubinden. Auch 1Komma5° hat meist mehrere Komponenten von verschiedenen Herstellern im Angebot. Doch darüber hinaus ist nicht vorgesehen, dass andere Komponenten oder im Falle des dynamischen Stromtarifs andere Stromanbieter genutzt werden können.
„Wir glauben nicht an offene Systeme, weil es zu viele Herausforderungen bei der Kompatibilität gibt“, sagt Schröder. Die Hersteller, die Teil der Plattform seien, deckten aber immerhin bereits rund 50 Prozent aller derzeit verbauten Wechselrichter und Stromspeicher ab.
Ihm zufolge arbeiten im Unternehmen und bei Partnern 500 bis 600 Leute daran, dass die Schnittstellen funktionieren. Etwas offener wird das System allerdings. Den Heartbeat und den dynamischen Stromtarif können in Kürze auch Kunden einsetzen, die woanders gekauft haben. Voraussetzung ist natürlich, dass die verbaute Hardware kompatibel ist.
Dieser Artikel ist Teil des Schwerpunktes „Energiemanagement für zu Hause“, der in der pv magazine Ausgabe Juni (02/2024) erschienen ist.
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Hallo PV Magazin Leute,
Eure Beispielrechnungswerte stimmen nicht mit dem gezeigtem Bild über ein.
Eventuell solltet ihr das mal anpassen, um nicht alle Menschen zu verwirren? (Natürlich kann es sein, dass nun ausgerechnet mein Browser einen falschen Screenshot darstellt)
Die Energiemengen im Text stimmen nicht mit den Werten auf dem Bild. Einzig die 5ct/kWh Durchschnittskosten der Solaranlage (wobei auch hier nochmal spannend wäre, nachzuvollziehen, wie ihr von einem fixen kWp Anlagenpreis (10kWp für 12.000Euro über 25 Jahre) auf einen Wert von 5ct / kWh und wie dieser eigentlich berechnet wird? –> geht ihr davon aus das 1000 kWh / kWp eingesammelt werden pro Jahr?, wird eine Moduldegradation berücksichtigt? uswusf… ich wünsche mir hier mehr Transparenz, wenn das möglich ist!?) kommt, der mir die bis jetzt erzeugte Energiemenge in ein ctund die Einspeisevergütung von 8,11 ct /kWh stimmen, der Rest sollte angepasst werden, damit es keine Unklarheiten gibt: Netzbezug, verbrauchte Energiemenge uswusf.)
Ich würde mich über eine Präzisierung und Richtigstellung freuen, denn ich finde die dynamische Strompreisregelung für die Eigenheimbesitzer einen wichtigen Aspekt für die Gestaltung des zukünftigen, dezentralen Energieversorgungsmarkt.
Sonnige Grüße
Danke für den Hinweis. Da haben Sie natürlich recht. Leider konnten wir nicht mehr den gleichen Screenshot auftreiben, daher unterscheiden sich die Zahlen. Ich habe es unter dem Bild angemerkt. Zu den 5ct/kWh: wie geschrieben, gilt das ohne Kapitalkosten. D.h., wenn man keine Verzinsung für sein Kapital erwartet, und relativ geringe Betriebskosten annimmt. Wenn man 2,5% Kapitalkosten annimmt (das bekäme man ja vermutlich bei einer langfristigen alternativen Anlage mindestens), steigen diese Stromkosten auf 6,7 ct/kWh. Außerdem dürfen die 10kWp eben nur 12.000 Euro kosten. Ich weiß nicht, ob das derzeit realistisch ist. Laut dem Systempreisindex https://www.pv-magazine.de/themen/photovoltaik-preisindizes/indikative-systempreise-fuer-photovoltaik-anlagen-auf-einfamilienhaeusern/ liegen die günstigsten Angebote bei 13.000 Euro, im Mittel kosten sie 15000 (die Grafik beim Link ist noch nicht aktualisiert). Hängt ja auch von den Komponenten ab.
„Ihm zufolge arbeiten im Unternehmen und bei Partnern 500 bis 600 Leute daran, dass die Schnittstellen funktionieren.“
Es wird ja immer abenteuerlicher! Zuletzt hieß es noch, 1K5 würde über 100 Entwickler in der eigenen Firma beschäftigen.
Jetzt ist schon die Rede von 500 bis 600 Leuten firmenübergreifend. Ich vermute mal damit sind auch Praktikanten und Hausmeister eingerechnet.
Dabei musste 1K5 doch schon vor einigen Wochen eingestehen, dass man im Grunde nur das Produkt von GridX lizenziert und adaptiert.
Warum wird solch heiße Luft einfach unkritisch wiedergegeben? Hat Schröder es nötig, mit solch billigen Marketing-Tricks zu arbeiten?
Guten Tag Herr Meier,
warscheinlich sind 200 Leute im Entwicklungszentrum gemeint und weitere 300-400 Leute in den Firmen wo der Heartbeat kompatibel ist.
Wo ist es zu finden das daß Produkt von GridX lizenziert wurde?
Hier der Beitrag wo die Rede von 200 Leuten ist:
https://1komma5grad.com/de/magazin/pressemitteilungen/1komma5-eroeffnet-forschungs-und-entwicklungszentrum-in-berlin
Es ist leider nicht einfach zu verstehen, was an dem System von gridX und was von 1Komma5 kommt. Das offiziellste, was ich dazu gefunden habe, steht oben im Text. „1Komma5 erklärt das so, dass der Haertbeat für die Signalübertragung Komponenten von GridX nutzt. Diese seien in der Hardwarebox enthalten, die mit GridX gefertigt und immer lokal installiert wird.“ Ich weiss es leider nicht besser, und auch im Manager Magazin standen ja diesbezüglich nur Behauptungen. Haben Sie exakte Informationen?
Ich kann mir übrigens gut vorstellen, dass wirklich beide Unternehmen involviert sind. Die Kooperationen und die Integration, und die App, muss man vermutlich auch als gridX-Kunde selber machen.
Ich finde die Frage allerdings auch relativ irrelvant, wer am Ende genau was zum dem Produkt beigetragen hat. Mir geht es zum einen darum, was das Produkt kann. Zum anderen kann man sich Inspirationen von dem Ansatz holen und dann alles ganz anders machen.