Den Eiffelturm und die Hochhäuser des Geschäftsviertels La Défense immer im Blick – vor dieser Kulisse haben die 2.400 Angestellten von Bouygues Télécom im Herbst ihre Arbeitsplätze bezogen. Der gläserne Sequana-Turm steht in Issy-les-Moulineaux vor den Toren von Paris.
Nur wenige Meter vom Seine-Ufer entfernt hat Architekt Bernardo Fort-Brescia vom amerikanischen Büro Arquitectonica für das Mobilfunkunternehmen 45.000 Quadratmeter auf 23 Etagen gestaltet – und gleichzeitig einen Büro turm mit ökologischem Anspruch realisiert. Tageslichtnutzung, ein Gründach auf dem niedrigeren Vorbau und ein neu entwickeltes Kühlsystem, das besonders wenig Energie verbraucht, brachten ihm das französische Zertifikat HQE ein, was so viel heißt wie „hohe umweltfreundliche Qualität“. Der Sequana-Turm produziert aber auch Solarstrom – in 100 Metern Höhe und mit einer gewagten geschwungenen Glaskonstruktion.
Der Grundriss des Turms bildet eine Ellipse. Um die Form elegant abzuschlie ßen, hat Fort-Brescia ein Solardach entworfen, das Architekten bezeichnenderweise als fünfte Fassade deklarieren. Auf den Querseiten ist das Dach nach unten gezogen. Die Schnittkurve, die dadurch mit dem ellipsenförmigen Grundriss entsteht, ähnelt dem Teil einer Sinuskurve. Dadurch sieht es so aus, als ob die Kurve die sich nach oben verjüngenden Etagen fließend zusammenzöge.
Die letzten drei Etagen des Bürogebäudes überspannt eine mit Glaslamellen bestückte Stahlstruktur. Die Lamellen sind auf Lücke gesetzt, zwischen ihnen klaffen Spalten von 30 Zentimeter Abstand. Darunter befindet sich deshalb noch das sogenannte Wetterdach.
Auf der Nordseite schirmt die gebogene Lamellenkonstruktion drei kleinere Terrassen ab. Auf der Südseite verschattet sie unter anderem die Dachterrasse der Cafeteria, auf der die Angestellten in schwindelnder Höhe ihr Mittagessen im Freien einnehmen können. Hebt man hier den Kopf, so erblickt man einige Reihen der insgesamt 800 schmalen Photovoltaikmodule, die ebenfalls als gläserne Lamellen ausgeführt sind. Mit 350 Quadratmetern machen sie etwa die Hälfte der Lamellen auf dem Dach aus. Auf der Nordseite und in den schräg angeschnittenen Randbereichen haben die Planer die Lamellen mit bedruckten Dummys versehen, die den aktiven Modulen nachempfunden sind.
Spinnennetz in luftiger Höhe
Solch eine Gebäudeintegration lässt sich nur mit einer maßgefertigten Tragekonstruktion montieren. Beim Sequana-Turm tragen gebogene Längsstreben aus Standard-I-Profilen das Dach. Besonders herausgefordert hat die Fassadenbauer ein dreidimensional verdrehtes Stahlrohr, welches den Rand bildet und die komplette Dachkonstruktion einrahmt. An ihm sind die Längsstreben befestigt. Die Reihen der Glaslamellen bilden den optischen Abschluss des Gebäudes, ohne die Dachterrassen komplett zu verschließen. Um den Ausblick freizugeben, sind auf Augenhöhe jeweils einige Reihen ausgesetzt.
Die Glas-Glas-Module für diese Konstruktion in luftiger Höhe hat das niederländische Unternehmen Scheuten Solar nach den Anforderungen der Architekten und des französischen Ingenieurbüros SECM angefertigt. Je 16 monokristalline Zellen mit einer Leistung von 36 Watt sind zwischen zwei acht Millimeter dicken Glasscheiben eingefasst. Den Prototyp des 30 Zentimeter breiten und 1,47 Meter langen Moduls stellte Lionel Dupré den Planern im November 2009 vor. „Der Designprozess für die Module zog sich über ein Jahr hin“, sagt der Projektleiter von Scheuten Solar. „Die Architekten mussten die Zellgröße und die Belegung bestimmen.“
Die Photovoltaikmodule sind mit der Tragstruktur über vierarmige Punkthalterungen verbunden, die üblicherweise für Glasfassaden verwendet werden. Je ein sogenanntes Spider-Bracket, also eine Spinnen-Klammer, verbindet zwei Glaslamellen miteinander und ist gleichzeitig in der Mitte der Spinne mit einem Bolzen auf dem Trägerprofil verschraubt. Die Befestigung ist für die photovoltaisch aktiven Lamellen und die Dummy-Lamellen gleich. Wie in Deutschland zählen auch in Frankreich Punkthalter für die Befestigung von Glasfassaden nicht zu den geregelten Bauprodukten. Deshalb mussten die Ingenieure von SECM für diese Konstruktion speziell für den Sequana-Turm eine Zustimmung im Einzelfall bewirken.
Die Aufhängung der Glaslamellen haben die Ingenieure für dieses Projekt neu entwickelt. Die Lamellen sind an den vier Ecken gelocht. Das Loch in der Frontscheibe ist dabei etwas kleiner als das im rückseitigen Glas. In die Lochungen setzten die Fassadenbauer Metallbolzen ein. Die Besonderheit dieser Bolzen besteht darin, dass sie beweglich sind und somit Schwingungen und das Ausdehnen der Metallkonstruktion ausgleichen können, ohne dass im Glas zu große Spannungen auftreten. Das funktioniert einfach und kostengünstig mit Kunststoff und Gummiringen, wo sonst Gelenke aus Metall eingebaut werden müssten.
Schwierigkeiten gab es mit den Anschlüssen an das riesige, in drei Richtungen verdrehte Stahlrohr. Denn die äußeren Lamellenreihen sind nicht nur an den Längsstreben befestigt, sondern am Rand auch an diesem Rahmen. „Der Stahlbauer konnte die versprochenen Toleranzen nicht einhalten“, sagt Romain Molliex, Ingenieur bei SECM. Für die angeschnittenen Glaslamellen in den Randbereichen mussten die Metallbauer vor Ort deshalb neue Befestigungspunkte schaffen.
Vorsichtshalber hatten die Planer hier keine aktiven Module vorgesehen. Alle photovoltaischen Lamellen haben das selbe Format und sind auf der Südseite zwischen den parallel verlaufenden Hauptträgern aufgespannt.
Innerhalb von vier Monaten erstellten die Stahlbauer die Dachkonstruktion mit den Solarelementen. Die Wechselrichter befinden sich in einem Raum unterhalb der Dachspitze. Seit Juni 2010 speist die Photovoltaikanlage Strom ins Netz des örtlichen Energieversorgers ein.
Der Sequana-Turm vor den Toren von Paris sollte ein ökologischer Neubau werden – soweit ein Hochhaus überhaupt solchen Ansprüchen gerecht werden kann. Immerhin werden die Nutzer nach Aussage des Bauherrn nur etwa 90 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr verbrauchen. Das ist etwa ein Drittel des Verbrauchs vergleichbarer Bürotürme im Bestand. Mit einer Nennleistung von 30 Kilowatt wird die Solaranlage allerdings keinen entscheidenden Anteil an der Deckung des Strombedarfs liefern. Sie bildet einfach das sichtbare Sahnehäubchen der ökologischen Maßnahmen.
Lust auf Solararchitektur
Auch das bringt die Photovoltaik weiter. „Wir haben in diesem Jahr einige sehr interessante Projekte in Frankreich“, sagt Lionel Dupré von Scheuten Solar. Angeregt durch die höhere Vergütung von Strom aus gebäudeintegrierten Photovoltaikanlagen haben einige Bauherrn und Architekten in Frankreich Lust auf Solararchitektur bekommen.
Gespannt erwarten wir unter anderem die Fertigstellung des neuen Rathauses mit Photovoltaikfassade im südfranzösischen Montpellier durch den Stararchitekten Jean Nouvel.
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