Wie schön wäre es, das klimaschädliche Gas Kohlendioxid einfach verschwinden zu lassen, um den Klimawandel wenigstens abzumildern. Als Möglichkeit wird seit Jahren die CO2-Abscheidung aus der Luft und die Verpressung in unterirdische Schichten diskutiert – und bislang verworfen. Umweltminister Robert Habeck (Grüne), der bis vor Kurzem die Technologie noch ablehnte, will nun ein Endlager in der Nordsee einrichten. Das heißt: Der Atmosphäre bestimmte Kohlendioxid-Einträge entziehen, in transportierbare Form umwandeln, in Tankzügen nach Norwegen transportieren, aufs Meer zur Verpressungsstelle bringen und unter Druck dahin zurückschicken, woher es kam. In die Tiefe.
Allerdings spielen dabei bisher Berechnungen über die Energieeffizienz keine Rolle, denn angesichts der Ergebnisse solcher müssten die Pläne sofort eingestellt werden. Kurz gesagt: Die Bilanz ist verheerend. Somit sind solche Verfahren auch alles andere als ökologisch nachhaltig.
Dennoch hat nun auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina (in Halle), ein Zusammenschluss von hochklassigen Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen, verlangt, dass in Deutschland etwa 100 Millionen Tonnen CO2 jährlich abgefangen, unter die Erde gepresst, dort endgelagert beziehungsweise teilweise chemisch genutzt werden sollen. Das Verfahren zur Endlagerung heißt CCS (Carbon Capture and Storage), die chemische Nutzung CCU (Carbon Capture Usage).
Mein Ansatz als Chemiker geht von einem neuartigen Gedanken aus, der gleichwohl auf etablierter Naturwissenschaft, der Thermodynamik, beruht: Es wird die Entropie analysiert. Das Ergebnis meiner Berechnungen ist: CCS und CCU sind in krassem Umfang nicht nachhaltig. Sie verursachen Schäden in anderen Bereichen der Umwelt, die um ein Vielfaches höher liegen als die erhofften positiven Beiträge zur Klimastabilisierung.
Das am stärksten niederschmetternde Resultat der Kalkulation: Man muss etwa sechsmal soviel Energie in CCS hineinstecken, wie bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen zu CO2 als nutzbare Energie gewonnen werden konnte. Das Sechsfache! Die Ursachen dafür liegen in den mehrfachen Wirkungsgradverlusten beim Einfangen, dem Transport und der Verpressung des klimaschädlichen CO2. Hier die reine Energiebetrachtung in vereinfachter Form (die Originaldaten und Quellen dafür sind hier zu finden):
Für die Absorption und Speicherung von einer Tonne CO2 (mittels CCS) sind insgesamt 16 Millionen Kilojoule Primärenergie erforderlich. Joule ist die Maßeinheit für Wärme, Primärenergie ist die Energie, die ursprünglich in den Energiequellen wie Erdöl, Kohle etc. vorhanden ist, bevor diese zum Beispiel zu Benzin weiterverarbeitet oder in Strom umgewandelt werden. Schon bei der Bereitstellung von Wärme und Elektrizität gibt es immer Wirkungsgradverlust: Entropie.
Wenn also eine Tonne CO2 per CCS „beseitigt“ wird, muss sechsmal soviel Energie aufgewendet werden, wie man an Energie nutzen konnte, als in einem Kraftwerk diese eine Tonne CO2 erzeugt wurde. Allein das müsste ausreichen, um jedem klarzumachen, dass CCS nicht nachhaltig ist.
Nun müssen wir das Ganze aber noch mit 60 bis 130 Millionen Tonnen CO2, die die Leopoldina mittels CCS/CCU zu entfernen für notwendig hält, multiplizieren. Wenn wir als Mittelwert 100 Millionen Tonnen für die Berechnung nehmen, kommen wir auf einen Primärenergiebedarf von unfassbaren 1.600 Petajoule – oder 1.600 Billiarden Joule. Das entspräche 15 Prozent des Primärenergieverbrauchs Deutschlands im Jahr 2023 oder gut 18 Prozent des für 2030 angestrebten Primärenergieverbrauchs. Der Bedarf an Primärenergie würde also entsprechend steigen müssen – ein Wahnsinn.
Noch irrer wird es, wenn man sich die globale Dimension vor Augen führt. Allein um die im Jahr 2030 nicht vermeidbaren CO2-Emissionen aufzufangen und abzuspeichern, bräuchte man eine Industrie, die etwa zwanzigmal so groß sein müsste wie die heutige Ölindustrie. Das Zwanzigfache der Anlagen, Systeme, Gebäude, Leitungen, Transportwege der Ölindustrie weltweit.
Noch absurder ist das Resultat der Berechnungen hinsichtlich der chemischen Nutzung von CO2. Weil dieses Gas wegen der Entropie praktisch am Ende einer absteigenden Stufenleiter von Nützlichkeit steht, muss man unglaublich viel Energie in Prozesse hineinstecken, wenn man CO2 zum Beispiel wieder zu Brennstoffen oder zu nützlichen chemischen Rohstoffen zurückverwandeln will. Man würde 55 Prozent der gesamten regenerativen Stromerzeugung benötigen, um nur zehn Prozent der nicht vermeidbaren CO2-Emissionen umzuwandeln.
Das gilt aber nur für die chemische Umwandlung des CO2! Vorher muss es ja noch eingesammelt und verflüssigt werden. Dann gerät die Bilanz noch absurder, denn: Bei den derzeit jährlichen CO2-Emissionen von etwa 36 Gigatonnen benötigen wir allein für die Stabilisierung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf aktuellem Niveau etwa zwei Drittel der gesamten für das Jahr 2030 prognostizierten Stromerzeugung von etwa 33 Petawattstunden. Wohlgemerkt: hier ist der Gesamtstrombedarf gemeint, nicht nur der aus regenerativen Energiequellen. Mit welchem Strom soll dann die weltweite Infrastruktur und Industrie betrieben werden? Es blieben ja nur noch neun Petawattstunden Strom – konventioneller zusammen mit regenerativer Erzeugung – übrig für alles, was im Jahr 2023 knapp 30 Petawattstunden erforderte.
Bisher werden diese Technologien zur Klimastabilisierung überwiegend positiv beurteilt, zuletzt auch von den Grünen, einigen Naturschutzverbänden, von der Industrie sowieso. Kritiker führen zumeist politische Argumenten an, zum Beispiel: „CCS darf kein Freifahrtschein für die fortgesetzte Verbrennung fossiler Brennstoffe sein!“ Oder es wird bezweifelt, dass Kohlendioxid unterirdisch wirklich sicher gelagert wird und nicht wieder austreten kann. Auch die Kosten werden kritisch betrachtet.
Aber bisher wurde nicht untersucht, ob CCS oder CCU wirklich aus ökologischer Sicht nachhaltig sind. Meine Analyse zeigt, wie dargelegt: Sie sind es in krassem Umfang nicht. Das bedeutet, dass künftige Diskussionen nicht länger durch den Austausch von Meinungen oder das Darlegen von Haltungen dominiert sein können. Den Entscheidungen über extrem kostspielige Strategien müssen realistische Berechnungen auf Grundlage von Fakten und wissenschaftlich eindeutigen Tatsachen zugrunde liegen.
— Der Autor Dr. Bernhard Weßling ist promovierter Chemiker und seit Jahrzehnten neben seinem Beruf im Umwelt- und Artenschutz (inkl. Klima) aktiv tätig (wie man auch auf seiner Website erkennen kann). Er hat sich aus seiner eigenen hauptberuflichen chemischen Forschung und Produktentwicklung heraus sowohl mit Thermodynamik als auch mit Nachhaltigkeit beschäftigt und bei SpringerNature ein Sachbuch über Thermodynamik veröffentlicht. 1990 war er Mitgründer und größter Investor des ersten Windparks in den damals Neuen Bundesländern (am Kap Arkona auf Rügen), hat selbst privat seit 2018 eine 10-Kilowatt-Photovoltaik-Anlage, fährt seit sechs Jahren ein Elektroauto und ist seit 2009 Investor und Mitgeschäftsführer eines Biohofes mit inzwischen 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Vielleicht darf ich noch hinzufügen: zusammen mit meinen Mitgesellschaftern und über 70 Mitgliedern unserer solidarischen Wirtschaftsgemeinschaft (Solawi) haben wir die Finanzmittel dafür aufgebracht, auf dem Dach eines unserer Kuhställe eine 100-Kilowatt-PV-Anlage zu installieren, die seit Anfang März erfolgreich Strom produziert. In Kürze wird auch eine 90-kWh-Batterie installiert werden.
Hallo Herr Dr. Weßling,
Wäre die Kombination von Biomassenutzung und CCS (BCCS) energetisch besser? Wenn ja können Sie abschätzen wie viel besser dies wäre?
„Irr“ ist eine noch vornehm zurückhaltende Bezeichnung für sehr, sehr VIELES, was „im Zusammenhang mit Klimarettung“ im Gang ist.
Manche der „neuen Super-Massnahmen“ riechen –mir– eher nach krimineller BereicherungsSuche —koste ES an Subventionen, was es wolle– seitens der
„Macher“, die DAS im eigenen -wirtschaftlichen- Interesse ?wider besseres Wissen? hochloben
und/oder seitens Politikern, die das –wieder wissenschaftliche Standards– als förderungswürdig subventionieren.
Ich befürchte … wenn man a l l e (angeblichen und tasächlichen) KlimaSchutzMassnahmen
in eine Topf wirft
muss man unterm Strich feststellen,
dass mit Wahnsinns-viel Aufwand !bestenfalls! N U L L erreicht wird.
Eher scheint mir, dass wir beginnen, uns „zu Tode zu massnahmieren“ !
Dass die tatsächliche „alles Andere weit über-ragende Schädlichkeit“ der jetzigen CO2-Konzentration immer noch sehr, sehr fraglich ist, steht dabei mit im Raum.
Alles Gute !
Wolf Gerlach
Es würde mich schon konkret interessieren, welche reaktionär-fossilen Konzerne oder Organisationen die Leopoldina oder Habeck geschmiert haben um für den CCS-Schwachsinn zu plädieren.
„geschmiert haben um für den CCS-Schwachsinn zu plädieren“
erinnern Sie sich an die Verbeugung vor einem Scheich für Gaslieferungen nach Deutschland(?), wahrscheinlicher scheint da etwas anderes als Korruption, bei den Idealisten, usw.
das interessiert mich gar nicht, weil ich mich nicht mit Vermutungen abgebe, sondern Daten und Fakten untersuche.
„Daten und Fakten untersuche“
Nicht nur einseitig, denn Sie sind sich auch falsch positiver und falsch negativer Datenanteile und/oder Anteile unbekannter bzw. geheimer Fakten bewusst, der Anteil/Prozentsatz kann (für Personen des öffentlichen Lebens, als Bürgerinnen und Bürger) meist nur grob geschätzt werden (bspw. Korruptionsindex einzelner Staaten (relativ zum Verhalten der staatlichen Akteure) im Verhältnis zur Basismenge der Staaten oder anderer Kriminalstatistiken)
Mich würde interessieren ob es ein aus energetischer Sicht sinnvolles Verfahren
gibt um CO₂ chemisch zu binden und es als feste Materie zu lagern.
Pyrolyse, soweit ich weiß.
Sie können es in Bioreaktoren einleiten, in denen Algen aus CO2, Wasser und Sonnenlicht Öl produzieren. Diese Bioreaktoren arbeiten nur mit ordentlichem Wirkungsgrad, wenn sie genug CO2 bekommen, mehr als in atmosphärischer Luft zu haben ist.
Geologisch ist es so, dass 90% des CO2-Haushalts der Erde von der Ablagerung in Kalklagerstätten (CaCO3) bzw. Mobilisierung daraus abhängt. Keine Ahnung, ob man die Ablagerung beschleunigen könnte? Die Mobilisierung aus Subduktionszonen in mehr oder weniger explosivem Vulkanismus wird man nicht verhindern können.
jaklar gibt es die, und in meinem (in der Analyse oben zitierten Artikel in der „Naturwissenschaftlichen Rundschau“) weise ich darauf hin: natürliche Wege wie Wildnis, Mischwälder, Moore, Feuchtgebiete, bio-Landwirtschaft, alles mit viel Pilznetzwerken unterirdisch.
Ein super interessanter Ansatz, den Irr-/Wahnsinn von CCS/-U darzustellen.
Wenn es jetzt gelingt, diesen Sachverhalt auf Basis einer einfachen Skizze (Basis zB Abb 3, links, pdf, Seite 5) und maximal auf einer Seite (DIN A4), mit klaren Worten beschreiben kann, dann ist CCS/-U tod.
knapper, als ich es fachlich zutreffend in dem Artikel dargestellt habe, geht es nicht, ich würde es noch knapper eher mit einem Beispiel verdeutlichen:
CO2 endlagern (CCS) oder chemisch nutzen zu wollen ist vergleichbar damit, den Rost (also das verrostete Eisen) auf Eisenzäunen und Stahlbrücken und Autos und und und einsammeln und chemisch wieder umwandeln zu wollen in Eisen und Stahl.
Es fehlt doch auch noch die ökonomische Betrachtung und Berechnung des CCS und des CCU.
Bei welchen Produktionsprozessen soll es angewendet werden und wer soll das Investment tätigen?
Was werden diese Anlagen kosten? Wem werden die Kosten dafür aufgebürdet?
Ich kenne das Papier der Leopoldina nicht. Steht dort etwas dazu?
Sie können das Papier der Leopoldina hier finden: https://www.leopoldina.org/publikationen/detailansicht/publication/schluesselelemente-des-kohlenstoffmanagements-2024/
Sehr geehrter Hr. Dr. Weßling,
ich finde ihre Rechnung sehr interessant. Allerdings konnte ich sie nicht hundertprozentig nachvollziehen, z.B. warum sie beim Verbrennungsprozess die Enthalpie des Wasserdampf nicht mitberücksichtigen? https://www.bernhard-wessling.com/wp-content/uploads/2024/05/Entropie-und-Nachhaltigkeit-korr-V7-mit-Abb.pdf
Meine Rechnung geht so:
Eine Tonne SKE entspricht der Energiemenge von 8,14 MWh und verursacht 2,68 t CO2.
Wenn für die Entfernung von einer t CO2 2 MWhth und 0,6 MWhel erforderlich sind (diese Zahlen habe ich aus ihrem pdf übernommen), so wären demnach bei einer Tonne SKE 5,36 MWhth und 1,61 MWhel oder ca. 86% der Energiemenge dafür notwendig.
Auch dieses Ergebnis beweist, dass das Verbrennen von Kohle und die anschließende Entfernung des CO2 aus der Atmosphäre maximal ein Nullsummenspiel wäre und damit sinnlos ist! Allerdings weicht das Ergebnis dennoch erheblich von ihrer Aussage ab („Das Sechsfache“)?!
Was ist ihre Erklärung dafür?
was Sie (wenn ich Sie richtig verstehe) nicht berücksichtigt haben, ist: die in der Kohle enthaltene Energiemenge konnten wir ja nur zu einem Drittel nutzen, der Rest „verschwindet“ als Entropie (= Abwärme, Asche usw).
Ähnlich ist es mit dem Energiebedarf: das, was an elektrischer und an Wärmeenergie für CCS bereitgestellt werden muß, erfordert (bei elektrischem Strom) das 3fache an Primärenergie.
Dass die Energiebilanz nicht gut ist, wenn man das CO2 abscheidet und verpresst, glaube ich auch. Dass sie sogar negativ wird, könnte sein, wenn man alle Schritte von der Exploration, Gewinnung, Transport, Raffinierung, Leitungsverluste, Verpressung, … zusammenzählt. Ich fürchte aber, sie bleibt positiv, und wenn es nur 10% sind, die übrig bleiben. Dann wird halt 90% der umgesetzten Energie für nichts verbraten. Bisher sind es auch schon so um die 50%, das stört unsere Freunde überhaupt nicht.
Das ist ja das besondere der Erneuerbaren: Sie sind nicht nur CO2-frei, bei ihrem Einsatz braucht man für den gleichen Nutzen auch viel weniger Primärenergie. Und davor fürchten sich unsere Freunde: Das bedeutet weniger Umsatz, womöglich Rezession. Das goldene Kalb Wachstum würde hungern. Der Erde und den Menschen täte das gut, aber nicht denen, die ohne Arbeit von Zinsen leben können wollen.
Die Behauptungen sind falsch – thermodynamisch mögen sie stimmen, inhaltlich sind sie aber schlicht unredlich/abstrus, weil die Szenarien nicht der Realität entsprechen bzw. den erwarteten großtechnischen aktuellen Anwendungsfeldern (Forschung ist was anderes und findet nicht in großen Mengenmaßstäben statt).
Fangen wir an mit der Behauptung:
„Das am stärksten niederschmetternde Resultat der Kalkulation: Man muss etwa sechsmal soviel Energie in CCS hineinstecken, wie bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen zu CO2 als nutzbare Energie gewonnen werden konnte.“
CCS wird derzeit nur in der Öl- und Gasgewinnung genutzt, um Förderstätten besser zu nutzen. Wer glaubt, dass diese Industrie 6 Energieeinheit anwendet um 1 nutzbar zu machen, der glaubt (nicht an Fakten).
CCS wurde an (Braun)kohlekraftwerken getestet. Die energetische Effizienz sinkt um etwa 5 – 7 Prozentpunkte. Grob gesagt wurden etwa 15% des erzeugten Stroms für die Abscheidung gebraucht. 85% verblieben nutzbar.
Wichtig für die Effizienz ist der energetische Aufwand für die Abscheidung. Eine Abscheidung aus der Atmosphäre (DAC) ist viel aufwendiger als aus einer konzentrierten Punktquelle. Solange wir CO2 aus Punktquellen emittieren, ist DAC energetisch Blödsinn. DAC steht aber nicht für alle Anwendungsfelder von CCS.
CCS und CCUS werden hier in Deutschland primär für die Abscheidung sogenannter nicht vermeidbarer Emissionen geplant. Das ist primär die Zement- und Kalkindustrie, in der CaCO3 in CaO und CO2 zerlegt wird. Das CO2 kommt also nicht aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe!
Dann wird es noch diskutiert als Anwendung bei der Müllverbrennung. Hierüber kann man sicherlich streiten, völlig Müll frei werden wir aber nicht leben.
Dann ist der letzte Punkt der Einsatz bei Gaskraftwerken. Hier stellt sich einfach die Frage, was günstiger/sinnvoller ist: erneuerbaren Strom erzeugen, diesen mit 60% Wirkungsgrad in Wasserstoff umwandeln und diesen dann in neuen oder umgerüsteten Gaskraftwerken einsetzen, oder Erdgas im Kraftwerk einsetzen in der berühmten Dunkelflaut und das CO2 abscheiden. Die energetische Effizienz dürfte bei letzterem besser sein (auch wenn der Vergleich sinnlos ist), und wahrscheinlich ist es auch billiger.
Wenn Sie sachlich diskutieren wollen, sehr geehrter Herr Skeptiker, bin ich dabei. Zu Ihren Kernargumenten:
1. Sie schreiben „Grob gesagt wurden etwa 15% des erzeugten Stroms für die Abscheidung gebraucht. 85% verblieben nutzbar.“, allerdings ohne Quellenangabe. Diese Quelle hier
https://www.scinexx.de/dossierartikel/wirkungsgrad-einbussen-unumgaenglich/ zeigt einen Wirkungsgradverlust von 21,27% (von 470 MW Leistung bleiben nur noch 370 MW übrig, der Rest wird für das Abfangen des CO2 verbraucht.
2. Sie schreiben „CCS und CCUS werden hier in Deutschland primär für die Abscheidung sogenannter nicht vermeidbarer Emissionen geplant.“ Das ist nicht richtig, wenn Sie sich anschauen, was die Leopoldina (auf die sich meine Stellungnahme oben ja bezieht) fordert bzw. für notwendig hält: in Deutschland müßten jährlich 60 bis 130 Millionen Tonnen CO2 eingesammelt und in der Erde endgelagert werden.
– Die Zementindustrie emittiert derzeit etwa 20 Mio t CO2 jährlich (https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/klimaschutz-klimakiller-beton-so-will-die-deutsche-zementindustrie-co2-neutral-werden-/26652040.html)
Auf diese Forderung der Leopoldina beziehe ich mich – d.h., der größte Teil der CO2-Mengen kann nicht aus dem Abfangen direkt am Braunkohlekraftwerk bzw der Zementindustrie kommen, sondern müßte per CCS eingefangen und verpreßt werden, müßte also CO2 aus der Luft sein.
Hinzu kommt, was die Zementindustrie anbelangt, daß man ja auch hier (wie bei Kraftwerksabgasen) keineswegs konzentriertes CO2 hat, das man nur noch einsammeln muß. Deshalb ist man auf den Gedanken gekommen, ein Zementwerk mit reinem Sauerstoff zu betreiben (https://www.holcim.de/spatenstich-fuer-das-co2-neutrale-zementwerk). So einen reinen Sauerstoff muß man erstmal herstellen. Dieser wird vermutlich durch Verflüssigung der Luft und anschließende Trennung von Sauerstoff und Stickstoff aufgrund der unterschiedlichen Siedepunkte gewonnen (https://de.wikipedia.org/wiki/Linde-Verfahren). Den Energiebedarf dafür kenne ich nicht – er ist alles andere als unerheblich.
@Skeptiker
Wenn ich Sie richtig verstehe, dann meinen Sie die Abscheidung. Was sind die Kosten für all das inklusive Endlagerung? Wer soll das Geld für die Infrastruktur für alles bereitstellen und wer soll die laufenden Kosten tragen?
Wenn man für eine sog. ‚Dunkelflaute‘ vorbauen will, kann man mit Redox-Flow-Batterietechnologie, mit hohen Wirkungsgraden (~75-85%, je Leistungsanforderungen und Verteilreichweite) dafür grundlastähnliche Leistungsreserven und damit auch positive Regelenergiekapazität schaffen.
Mit Wasserstoff wird auch ein Grundstoff der chemischen Industrie hergestellt, welcher zum einen energetisch oder auch chemisch angewendet werden kann.
„sechsmal soviel Energie in CCS“
am Kraftwerk: Wirkungsgradverlust von ~15-21,27%
gesamte Energiewandlungsinfrastruktur (inkl. Aufbau, Nutzung, Wartung, Abwicklung) bis zu ~600% (je Brennwerteinheit) (?), jedoch bei geteilter Nutzung durch diverse Branchen in unterschiedlichen Anteilen und damit geteilter Verantwortlichkeit für die CO2-Mengen (?)
Zu/Statt technischem Aufwand können auch natürliche CO2 Verbraucher aktiviert werden. (?)
„Alle Prozesse, die der Mensch betreibt, sollten zusammen mit den natürlichen Produzenten in der
Summe nicht mehr Entropie erzeugen, als die Erde abstrahlen kann […]“
Als theoretische Überlegung könnte man auch lokale Entropiezunahme mit Speicherung der ungewollten Erwärmung in Eismassen erreichen (?), was bei globaler Erwärmung jedoch (zeitlich und örtlich oft) ein beständiges arbeiten gegen natürliche Gegebenheiten/Mechanismen (bspw. saisonale Gegensätze zw. Verbrauch und Erzeugung) bedeutet, wenn humane Energiespeicherung nicht von natürlichen Ressourcen zur zeitgleichen Energieumwandlung entkoppelt würde (womit man verbrauchsnahe ‚elektrische‘ Zwischenspeicherung dann mit (kleineren Wirkungsgradverlusten vgl. mit CCS) gegen thermische Zwischenspeicherung ‚Eismasse‘ (tendenziell verbrauchsferner) tauschen würde?
ganz ehrlich, es ist mir ein Rätsel, was Sie damit meinen:
1. wollen wir gar nicht lokale Entropiezunahme, im Gegenteil, wir benötigen Entropieverminderung = Erhalt bzw (Wieder-)Aufbau von Komplexität, v.a. in der Biodiversität und in der Landwirtschaft (= mehr Humus, mehr unterirdische Pilzmycelnetzwerke, mehr Bodenleben); die natürlicherweise stattfindende Entropiezunahme muß nach meiner These in von der Erde abstrahlbarer Form stattfinden;
2. wüßte zumindest ich jetzt nicht, wie wir wie globale Erwärmung in Eismassen speichern könnten; geschweige denn, wieso das mit einer dortigen Entropiezunahme einhergehen sollte, und was das bringen könnte;
Mein Kriterium der Nachhaltigkeit ist die Entropie (https://www.bernhard-wessling.com/wp-content/uploads/2024/05/Entropie-und-Nachhaltigkeit-korr-V7-mit-Abb.pdf), und dieses Kriterium verlangt, daß wir mit unserem Wirtschaften und Leben möglichst wenig Entropie erzeugen, und von der Entropie, die wir zwangsläufig erzeugen, ein möglichst großer Teil auf natürliche Weise entsteht, also von der Erde abgestrahlt werden kann.
Vielen Dank für Ihre Antwort,
leider ist in meiner Formulierung ein Mißverständnis entstanden: gemeint wäre natürlich das Ziel einer lokalen Entropieverminderung (‚lokale Entropiezunahme ausgleichend‘) durch Zuführung von Energie (bzw. mittels verfügbarer Überschussenergie, bspw. Erneuerbare Energien/solare Energiewandlung, die Bildung von Kristallstrukturen ermöglichen) oder durch Nutzung eines abgesenkten lokalen (und/oder saisonalen) Temperaturniveaus eine geographische Verlagerung des Entropieniveaus zu erreichen.
Wenn ich Sie richtig verstehe, dann kann durch Energiezufuhr zwar lokal die Entropie vermindert werden, jedoch wird dabei die Entropie im Bezugsystem (‚Erdplanet‘) günstigstenfalls konstant bleiben. Würde Entropie lokal umgeschichtet (saisonal) und dabei der Entropieüberschuss (Sommertemperaturanstieg) über die Atmosphärengrenze abgestrahlt, könnte man so etwas vielleicht saisonale bzw. geographische Entropie-Wärmepumpe nennen?
Die Entkopplung der human-induzierten Energiespeicherung, als Antriebsenergie, von den natürlichen (rel. schwankungsreduzierten) Energietransfers, bliebe die Herausforderung für technische Machbarkeit und fiskalische Vernunft.
@theoretische Überlegung zu Entropieverlagerung und Stefan-Boltzmann-Gesetz, 19. Mai 2024 um 13:26 Uhr
Dank für Ihre Antwort und Klarstellung, daß es sich bei der gewünschten „Entropiezunahme“ um ein Mißverständnis handelt und Sie „Entropieverminderung“ meinten.
Nur darf man sich bei einer Wärmepumpe (Sie wollen ja hier eine Kältemaschine einsetzen, quasi einen Gefrierschrank) ja keinen Illusionen hingeben:
– zwar vermindern Sie die Temperatur innen im Gefrierschrank, aber dort, wo der Strom für die Wärmepumpe erzeugt wird, und außerhalb des Gefrierschranks wird die Entropie erhöht (und es wird wärmer!).
Es hilft nicht: Sie werden auf diese Weise mehr Entropie (in diesem Fall: Abwärme) erzeugen, als Sie lokal / regional irgendwo an Kälte herbeiführen. In der Summe haben Sie mehr Entropie erzeugt.
Besser wäre, ich wiederhole mich, die Natur Strukturen aufbauen (= die Entropie erniedrigen) zu lassen, das geht auch ansatzweise in Städten mit VIEL mehr Grün und auch dort mit (wenn auch kleinen) Feuchtgebieten, die zudem als Wasserspeicher und Regenmassenpuffer dienen können.
Aber alles an natürlichen Maßnahmen braucht viel Fläche, viel menschliche Zurückhaltung, Zurücknahme, um die Natur tatsächlich wirken zu lassen.
Vielen Dank für den Beitrag. Auch die Empirie vergangener Technologietransitionen spricht gegen den Einsatz des CCS. Eine umfassende Analyse der Oxford Uni (Prof. Doyne Farmer, et al.) zu den Aussichten von CCS: “Finally, carbon capture and storage (CCS) in conjunction with fossil fuels was omitted because i) it is currently a very small, low growth sector, ii) it has exhibited no promising cost improvements so far in its 50 year history, and iii) the cost of fossil fuels provides a hard lower bound on the cost of providing energy via fossil fuels with CCS (SN1.6.1). This means that within a few decades electricity produced with CCS will likely not be competitive even if CCS is free.”
Nachfolgend der Link zu der Studie Empirically grounded technology forecasts and the energy transition: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S254243512200410X
Guten Abend, guten Morgen, Herr Dr. Dahlmeier,
danke für die Quelle, die Sie hier nannten, aus der mir allerdings nicht klar geworden ist, wie man Elektrizität mit CCS erzeugen will („electricity produced with CCS“). Vielleicht meinen die Autoren, Elektrizität mit fossilen Rohstoffen zu erzeugen und dabei auch CCS anzuwenden. Es wurde mir beim Lesen des Artikels nicht klar, aber so ist es vielleicht gemeint gewesen.
Wie auch immer: Dieser Artikel ist eine reine Kosten- und Technologie-Fortschrittsanalyse, kommt von daher zum gleichen Ergebnis wie ich,
– ich habe aber bewußt nicht die Kosten angesprochen, denn was auch immer wir unternehmen, um mit Klimawandel und Biodiversitätskrise klarzukommen, wird enorme Kosten verursachen; und auch, wenn wir nichts unternehmen, denn die Schäden vor allem aus der Biodiversitätskrise sind ja bereits eingetreten und treten täglich weiter ein.
In meinem Grundsatzartikel in „Naturwissenschaftliche Rundschau“, den ich oben verlinkt habe (https://www.bernhard-wessling.com/wp-content/uploads/2024/05/Entropie-und-Nachhaltigkeit-korr-V7-mit-Abb.pdf), habe ich den Schwerpunkt darauf gelegt, die Natur all das machen zu lassen,
– nur müssen wir dazu der Natur viel mehr Möglichkeiten zulassen, das auch zu tun;
– und auch das wird viel Geld kosten.
Hinzu kommt, daß das Kostenargument die meisten nicht überzeugt, denn sie sagen: „Dann müssen wir das alles halt bezahlen!“ (wie, wird dann aber nicht gesagt).
– Deshalb lege ich die Frage auf den Tisch, ob es überhaupt nachhaltig ist, CCS / CCU zu betreiben, also:
– ob wir nicht mehr Schaden anrichten, als positive Effekte zu erzielen, ob wir mit CCS nicht „Operation gelungen, Patient tot“ betreiben.
Und genau zu der Schlußfolgerung komme ich.