Anders als etwa in Österreich ist es Haushalten hierzulande de facto verwehrt, sich mit anderen Bürgern in der Region zu einer Energiegemeinschaft zusammenzuschließen, um vor Ort für den Eigenbedarf eine Photovoltaik-Anlage oder einen Windpark zu bauen. Eine vertane Chance nicht nur mit Blick auf die Stromkosten der Haushalte, meint Valérie Lange vom Bündnis Bürgerenergie e.V. „Die Identifikation mit den Anlagen und damit deren Akzeptanz ist viel größer, wenn die Bürger in der Region als Mitglieder einer Energiegemeinschaft aktiv an der Planung, der Finanzierung und dem Bau teilhaben“, sagt die Expertin. Das bringe die Energiewende als Ganzes voran.
Seit vergangenem Herbst führt das Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen des Stakeholder-Dialogs Gespräche mit Verbänden, um auszuloten, wie Energy Sharing auch hierzulande attraktiv werden könnte. Bislang hat das Ministerium noch keinen Entwurf für den dafür nötigen Rechtsrahmen vorgelegt.
EWE und Neoom wollen die Zeit nun nutzen, um in einem Pilotprojekt in Bakum bei Vechta erste Praxiserfahrungen mit Energy Sharing zu sammeln. Neben den beiden Unternehmen sind die lokale Bürgernnergiegenossenschaft und die Gemeinde Bakum an dem Testlauf beteiligt.
„Es ist eine perfekte Symbiose“ sagt Jan Hoyer, Vorstand der Energiegenossenschaft Bakum. „Wir bringen die Mitglieder und das Windrad, die Gemeinde ihren Photovoltaik-Strom, die EWE Netz stellt die Energiedaten und die intelligenten Messysteme zur Verfügung und Neoom bietet eine App zur Visualisierung und die Abrechnungsprozesse an.“
Virtuelle Abrechnung der geteilten Energiemengen
Das Pilotprojekt sieht vor, die erzeugte Energie der Teilnehmer der verbrauchten Energie gegenüberzustellen, um zu ermitteln, welcher Anteil für jeden 15-Minuten-Block direkt in der Region verbraucht wurde. Diese Energiemenge kann künftig innerhalb der Community geteilt werden.
Damit sich das Energy Sharing schon jetzt trotz fehlender regulatorischer Grundlage möglichst real anfühlt, erhalten die Teilnehmer eine virtuelle Abrechnung der geteilten Energiemengen. Für jede mit der Community geteilte Kilowattstunde gibt es einen Bonus. „Das sollte im Schnitt jedem Haushalt 50 bis 100 Euro bringen“, schätzt Thomas Nenning, zuständig für die digitalen Produkte bei Neoom.
Die Projektpartner haben sich das Ziel gesetzt, die Energiegemeinschaft entlang der regulatorischen Möglichkeiten sukzessive auszubauen, um im nächsten Schritt die innergemeinschaftlichen Energiemengen und die Reststrommengen getrennt abzurechnen. Sobald der regulatorische Rahmen gegeben ist, soll die Community in den Vollbetrieb wechseln.
Impulse für die Gestaltung des Rechtsrahmens setzen
EWE sieht mit diesem Piloten die Chance, Praxiserfahrung zu sammeln und Impulse für die Gesetzgebung weiterzugeben. „Es geht darum besser zu verstehen, welche rechtlichen und technischen Herausforderungen im Detail entstehen, um für die gesetzliche Ausgestaltung von Energy Sharing sinnvolle und effiziente Lösungen aufzuzeigen“, sagt Jannis Reichel, der bei EWE Innovationen und neue Geschäftsmodelle verantwortet.
Neoom verfügt über Erfahrungen aus dem Betrieb von knapp hundert aktiven Energiegemeinschaften in Österreich. Diese möchte das Unternehmen nutzen, um auch in Deutschland zu zeigen, wie regionales Teilen von Energie möglich wird. „Für uns ist die dezentrale Energieversorgung ein Zwiebelschalenkonzept“, erläutert Neoom-Experte Nenning. „Zuerst die Eigenversorgung über Photovoltaik und Stromspeicher maximieren, danach Strom möglichst regional teilen und für alle die Zeiten, wo dies nicht ausreicht, die Energie mit dem Energieversorger handeln.“
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„de facto“ wird überhaupt nicht verwehrt, dass sich Leute zusammenschließen und ihre eigenen Stromerzeugungsanlagen betreiben und sich damit selbst versorgen. Dafür gibt es Regeln und diese sind einzuhalten (Bilanzierung, Lieferantenpflichten etc.). Auch die Netzentgelte müssen von irgendwem bezahlt werden. Wenn sich über solche Modelle jetzt Einige aus den Netzentgelten teilweise rauswinden, steigen die Kosten weiter bei denen die nicht Teil einer Energiegemeinschaft sind. Was soll das?
Lieber XP-Z,
Was das soll? Ganz einfach!
BürgerEnergieGemeinschaften investieren in Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie. Der dort erzeugte Strom wird über das vorhandene Stromnetz zum Bürger transportiert, der daheim dann seinen „eigenen“ Strom verbrauchen kann. Auch wenn er kein geeignetes Dach hat oder Mieter ist. Das ist der nächste große Schritt zur Energiewende im Privathaushalt und Kleingewerbebereich.
Aus Netzentgelten „windet“ sich dabei niemand raus. Wir wollen nur den Teil der Netzdurchleitung zahlen, den wir auch tatsächlich benutzen. Die Erfahrungen in Österreich und deutsche Pilotprojekte zeigen eine deutliche Entlastung der Netze durch Energy Sharing. Lokaler Strom wird halt dabei lokal erzeugt und lokal verbraucht. Das spart Netzkapazität!
Vielleicht reduzieren sich vorübergehend die Milliardengewinne der Energieversorger und Netzbetreiber etwas. Die von Ihnen behauptete „Solidargemeinschaft Netze“ besteht leider nur als Hirngespinst der Lobbyisten. Das sind in Wahrheit alles knallharte, profitorientierte Unternehmen.
@Jochen: Beteiligen Sie sich doch einfach finanziell an einer Bürgerenergiegesellschaft. Die Rendite teilen Sie durch Ihre im Jahr verbrauchten Kilowattstunden. Das dürfte auf dasselbe hinauslaufen, mehr ist beim Energy Sharing auch nicht drin: 2.000 Euro Beteiligung mit 4% Dividende = 80 Euro/Jahr geteilt durch Stromverbrauch von 3.000 kWh = Strom wird virtuell um 2,6 ct/kWh günstiger. Fertig. Ganz ohne eigenes Marktmodell etc. Und kommen Sie mir nicht mit „manche Leute können sich die 2.000 Euro Beteiligung nicht leisten“. Das mag stimmen, aber diese Klientel wird sich auch nicht am Energy Sharing beteiligen, weil sie schlicht andere Sorgen hat und das Modell viel zu komplex ist.
Zum Thema Hirngespinst denke ich das ist eher, dass mit „Energy Sharing“ Leitungsausbau (Netzkapazitäten) eingespart werden könnten. Das hätte ich gerne mal schwarz auf weiß modelliert gesehen.
@XP-Z: Ich bin ein großer Freund von inhaltlichen und offenen Gesprächen zu dem Thema. Es würde mich als Teil dieses oben vorgestellten Projektes sehr freuen, wenn wir uns in einem Gespräch zur den Befürchtungen/Nachteilen und Möglichkeiten/Vorteilen unterhalten können. Ich lade Sie daher ein, uns eine Kurze email an energiegemeinschaft@neoom.com zu senden, um einen Termin zu vereinbaren.