Ende letzten Jahres verzeichnete das Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur 169 große Batteriespeicher ab ein Megawatt Leistung mit einer Gesamtleistung von 1,26 Gigawatt und einer Kapazität von 1,43 Gigawattstunden. Das ist, gemessen an anderen Ländern, nicht viel. Doch gleichzeitig waren 123 in Planung befindliche Projekte mit 1,55 Gigawatt Leistung und 2,4 Gigawattstunden Kapazität registriert. Der Markt wächst enorm schnell, und er verändert sich: Die geplanten Systeme sind nicht nur sehr viel größer als die vorhandenen, sie haben auch ein deutlich anderes Verhältnis von Leistung zu Kapazität. Im Bestand liegt der Durschnitt hier bei 1 zu 1,1, bei den Projekten in Planung hingegen bei 1:1,6. Die Tendenz geht eindeutig in Richtung 1:2.
Das liegt am Einsatzweck der Batteriespeicher. „Einstundenspeicher“ mit Eins-zu-Eins-Verhältnis von Leistung und Kapazität erzielen ihre Erlöse hauptsächlich aus Zahlungen für vermiedene Netzentgelte und mit der Bereitstellung von Primärregelenergie. Das ist verdienstvoll, aber nicht zukunftsträchtig: Vermiedene Netzentgelte werden für neue Anlagen (Inbetriebnahme ab Januar 2023) nicht mehr vergütet, der Markt für Primärregelenergie gilt als weitgehend gesättigt.
Doch Großspeicher können ein Vielfaches ihrer heutigen Umsätze erzielen, wenn sie im Day-Ahead-Markt mitmischen, also bei Transaktionen mit Gebotsabgaben für den jeweils nächsten Tag, bei dem mit Vorlaufzeiten von nur fünf Minuten erfolgenden Continuous-Intraday-Geschäft sowie bei der sekundären Regelenergie, die von den Übertragungsnetzbetreibern als innerhalb von fünf Minuten verfügbare Ablösung für die Primärregelenergie abgerufen wird. Dafür aber braucht es nicht nur ein anderes Leistungs-/Kapazitätsverhältnis, sondern vor allem eine flexible Steuerung der Systeme.
Die übliche Einheit zum Handel mit Strom, gleichzeitig auch die Untergrenze für einen Trade an der Strombörse, sind 100 Kilowatt. Ein Megawatt Batterieleistung ergibt also zehn solcher Handelseinheiten. Für optimale Erlöse müssen diese auf mehreren Teilmärkten am Handel teilnehmen – nicht gleichzeitig, aber eine 100-Kilowatt-Einheit kann durchaus morgens Primär-, mittags Sekundärregelenergie liefern und anschließend für ein Gebot im Day-Ahead-Markt eingesetzt werden. Die Zeitscheiben, also die Dauer, für die eine Ausschreibung erfolgt, umfassen für Regelenergie-Produkte in Deutschland vier Stunden, es gibt aber auch, je nach Teilmarkt und Handelsplattform, 15-Minuten-Zeitscheiben. Bei einem großen Batteriespeicher mit 100 Megawatt – also 1.000 Handelseinheiten – gelten rund 20.000 Trades pro Tag als typische Größenordnung. Die erforderlichen Transaktionen erfolgen derart schnell, dass sie von Hand nicht gesteuert werden können. Sie werden zu einem großen Teil auch nur „virtuell“ durchgeführt, der Speicher muss die entsprechenden Energiemengen dann gar nicht aufnehmen oder abgeben – aber er muss dazu in der Lage sein. Das klingt kompliziert – und ist es auch.
Schon lange liefern Computer deshalb Unterstützung bei der Speichervermarktung. Inzwischen aber setzen immer mehr Anbieter darauf, den Handel und auch die erforderliche Systemsteuerung (fast) vollständig zu automatisieren. Die entsprechende Dienstleistung nennt sich „Autotrading“, mehr und mehr setzt sich wegen der zentralen Bedeutung von Algorithmen der Begriff „Algotrading“ durch. Es ist eine spannende Mischung aus etablierten Unternehmen und jungen Start-ups entstanden, die nicht etwa ihre Software zum Kauf anbieten, sondern die Dienstleistung Batteriespeicher-Vermarktung. Derzeit dominieren hier noch Angebote für Speicher der Megawatt-Kategorie, doch es setzt sich allmählich auch der nahe liegende Gedanke durch, viele kleine Speicher gebündelt zu vermarkten. „Klein“ bedeutet hierbei ungefähr 50 Kilowatt, es geht also eher nicht um private Heimspeicher, sondern um gewerblich genutzte Batteriesysteme, deren Besitzer durch Algotrading erhebliche Mehrerlöse erzielen können.
Weil Batteriespeicher und Algotrading schon jetzt eine so wichtige Rolle im Stromsystem spielen und weil ihre Bedeutung perspektivisch schnell zunehmen wird, hat pv magazine bereits in der Februar-Ausgabe die Entwicklung in einem ausführlichen Bericht dargestellt und eine Übersicht zu Algotradern und ihren Angeboten erstellt. Diese Übersicht haben wir nun in aktualisierter Form auch online zugänglich gemacht. Wir werden sie auch in Zukunft kontinuierlich auf den neuesten Stand bringen und freuen uns deshalb über Informationen und Anregungen von Unternehmen und Akteuren aus diesem spannenden und zunehmend wichtigen Teil unseres Energieversorgungssystems – nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus anderen Märkten.
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