Das Hauptquartier des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) in Nairobi, Kenia.
Achim Steiner ist in dieser Zeit kaum zu erreichen: Der Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) tourt durch die ganze Welt, um die Regierungen davon zu überzeugen, mit ihren Konjunkturpaketen zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: die globale Wirtschafts- und die Umweltkrise zu bekämpfen und beispielsweise massiv in Sonne, Wind & Co. zu investieren (siehe Interview Seite 26).
Doch auch die Branche der erneuerbaren Energien bleibt nicht von der Finanz- und Wirtschaftskrise verschont: Sie wuchs zwar auch 2008, aber längst nicht mehr so stark wie zuvor, als die Steigerungsraten drei Jahre in Folge weltweit über 50 Prozent lagen. Im vergangenen Jahr waren es plötzlich nur noch bescheidene fünf Prozent. Dies liegt jedoch nicht an mangelnder Nachfrage, sondern daran, dass der Kreditmarkt weitgehend zusammengebrochen ist. So sanken die Investitionen global in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, und im ersten Quartal dieses Jahres investierte die Branche nur noch 13,3 Milliarden US-Dollar, was der niedrigste Wert seit 2006 ist. So lauten die Ergebnisse einer aktuellen Studie, die die Frankfurt School of Finance & Management im Auftrag von UNEP erarbeitet und im Mai vorgestellt hat. „Die Finanzkrise hat den Boom der Branche dramatisch und anhaltend beeinträchtigt“, heißt es in der Studie, für die das Team um Sebastian Fritz-Morgenthal von der Frankfurt School verantwortlich zeichnet. Dennoch blicken sie äußerst optimistisch in die Zukunft und bescheinigen den erneuerbaren Energien langfristig eine „glänzende Zukunft“.
Kurzfristig müsse der „Hauptanstoß für Investitionen“ jedoch „durch staatliche Vorgaben erfolgen“. Die Autoren verweisen auf die bevorstehenden Klimaverhandlungen Ende des Jahres in Kopenhagen und auf die Konjunkturprogramme vieler Staaten: Insgesamt sind derzeit weltweit immerhin rund 34 Milliarden US-Dollar für erneuerbare Energien vorgesehen. Aber auch die Einspeisevergütungen, die etliche europäische Länder erfolgreich einsetzen, seien ein effektives Mittel, um die Erneuerbaren zu fördern.
Finanzplatz für Erneuerbare
UNEP will langfristig mit der Frankfurt School zusammenarbeiten, um Kreditinstituten vor allem dabei zu helfen, maßgeschneiderte Finanzierungsprodukte im Bereich Erneuerbare Energien anzubieten, innovative Vertriebskanäle zu fördern oder Machbarkeitsstudien für bestimmte Länder zu erstellen. Dabei geht es insbesondere um arme Länder. Das deutsche Umweltministerium unterstützt diese Partnerschaft. Sie ist Teil der Sustainable Energy Finance Initiative (SEFI), die UNEP 2002 zusammen mit der Basel Agency for Sustainable Energy (BASE) ins Leben gerufen hat.
„Wir wollen einen Finanzplatz für nachhaltige Energien aufbauen“, sagt Virginia Sonntag-O’Brien von UNEP, die SEFI leitet. Denn nicht erst seit der Finanzkrise gebe es große Probleme, Kapital zu beschaffen, auch wenn die Möglichkeiten, in erneuerbare Energien zu investieren, vielfältig sind. Deshalb hat „ein Großteil unserer Arbeit mit Finanzierungsfragen zu tun“, so Sonntag-O’Brien. UNEP will Banken, Versicherungen und Investoren zusammenzubringen, um Erfahrungen auszutauschen und Allianzen zu bilden. Damit sollen neue Initiativen zur Finanzierung gefördert werden. Der Nebeneffekt für die doch arg gebeutelte Finanzbranche: Sie könne ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Schon seit einigen Jahren arbeitet UNEP mit der Finanzbranche in einer Finanzinitiative (UNEP FI) zusammen, um nachhaltige Entwicklung insgesamt zu fördern. Mit SEFI gibt es nun auch eine spezielle Initiative für nachhaltige Energien.
SEFI hat unter anderem ein Trainingsprogramm für Banker und Versicherer in Entwicklungs- und Schwellenländern aufgebaut, das diesen helfen soll, die Chancen und Risiken bei der Finanzierung erneuerbarer Energien einzuschätzen sowie Barrieren zu überwinden. Die bestehen vor allem darin, dass die kleinen Kredit-Büros noch keinerlei Erfahrungen damit haben, erneuerbare Energien zu fördern. „Das ist dann ein Henne-Ei-Problem“, sagt sie Expertin von UNEP: „Solange sie dafür noch keine Produkte anbieten, merken sie auch nicht, dass man damit Geld verdienen kann und umgekehrt.“ Deshalb stützt UNEP in seinen Seminaren die Mitarbeiter der Kreditinstitute argumentativ, damit diese anschließend auch das Management besser überzeugen können.
Afrika im Fokus
Der Fokus der Pilotprogramme liegt dabei auf Lateinamerika und Afrika. In Marokko zum Beispiel, wo das erste Trainingsprogramm stattfand, kamen „mehr Leute als wir dachten. Das Interesse ist durchaus groß.“ Der Erfolg stellt sich aber nicht von alleine ein: UNEP müsse schon ein „hartes Marketing“ betreiben, sagt Sonntag-O’Brien, denn gerade in Afrika ist die Meinung weit verbreitet, dass sich der Staat um die Energie kümmern müsse und das Thema nichts mit der Privatwirtschaft zu tun habe. Daher würden die Finanzinstitute noch zu selten Kunden ansprechen, die sich im Bereich der regenerativen Energien als Kleinunternehmer eine Existenz aufbauen könnten.
Innovative Finanzierungsmodelle
In Nordafrika macht UNEP besonders gute Erfahrungen dabei, erneuerbare Energien zu fördern. In dieser sonnenreichen Region steht natürlich die Solarenergie an erster Stelle. In Tunesien hat die Organisation gemeinsam mit dem dortigen staatlichen Energieversorger und unterstützt von der italienischen Regierung das Projekt „PROSOL“ für Solarthermie gestartet. Dabei gibt der Energieversorger den Herstellern von Sonnenkollektoren die Garantie, ihre Anlagen, die sie für Privathaushalte installieren, zu bezahlen. Dieser wiederum stellt den Haushalten weiterhin Energie in Rechung. Mit diesem Modell entstehen den Haushalten keine Zusatzkosten, wohingegen sie die Energie kostenlos bekommen, sobald die Anlage abbezahlt ist. Ein solches Vorgehen erleichtert die Entscheidung für die Solarthermie enorm. Ganz anders stellt sich hingegen die Situation in der Subsahara-Region dar: Unzählige Dörfer sind hier noch ganz von der Energieversorgung abgeschnitten. Die Bevölkerung ist froh, wenn sie überhaupt Energie bekommt, egal ob umweltfreundlich oder nicht. „Für diese Regionen brauchen wir Modelle, die zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, also billige und saubere Energie anbieten“, sagt Virginia Sonntag-O’Brien. Daher setzt UNEP hier besonders auf die Unterstützung des Finanzsektors, der kleinen Firmen, die solarbetriebene Geräte anbieten wollen, mit denen man Feldfrüchte trocknen kann, Startkapital zur Verfügung stellt. Projekte dazu hat UNEP in Ghana, Mali und Senegal im Rahmen seines African Rural Energy Enterprise Development Programms (AREED) initiiert.
Private Gelder mobilisieren
Nun hat UNEP nicht viel Geld zu verteilen, das Budget ist knapp. Insgesamt kann das Umweltprogramm im Jahr zwischen 10 und 15 Millionen Euro ausgeben, um erneuerbare Energien zu fördern. Daher konzentriert man sich auf Projekte, bei denen eine große Chance besteht, dass die Modelle auch erfolgreich auf andere Länder übertragen werden können. „Wir arbeiten aber nicht technologiespezifisch“, erklärt Mark Radka, Chef der Energie-Abteilung bei UNEP, die ihren Sitz bei der UNEP-Division of Technology, Industry and Economics (DTIE) in Paris hat. „Uns geht es immer darum, die Rahmenbedingungen für alle Erneuerbaren zu verbessern. Die Photovoltaik haben wir nicht speziell im Blick. Für uns ist es aber enorm wichtig, dass wir mit unserem Geld einen Anreiz schaffen, der private Mittel mobilisiert“, ergänzt Radka. Dies sei zum Beispiel in Indien hervorragend gelungen. Dort hatte bereits eine NGO Trainings mit Bankenvertretern organisiert. Daraufhin habe UNEP es geschafft, dass zwei große indische Banken zinsgünstige Kredite für Photovoltaikanlagen zur Verfügung stellen, weil UNEP sich bereit erklärte, die Zinsdifferenz zu subventionieren. In diesem Fall ging es um Photovoltaik, weil die Banken Kunden hatten, die sich diese Anlagen leisten konnten. Eine Million US-Dollar stellte das Umweltprogramm dafür zur Verfügung. Das Ergebnis war höchst erfreulich: Binnen vier Jahren (2003 bis 2007) haben die Banken 12.000 Kredite vergeben und damit rund zehn Millionen US-Dollar für erneuerbare Energie bereitgestellt. Jetzt wollen sie das Geschäft auch ohne Unterstützung von UNEP weiterbetreiben.
Was UNEP nicht darf …
Neben der Arbeit mit der Finanzbranche bemüht sich UNEP darum, Informationslücken über erneuerbare Energien zu schließen. Zum Beispiel gibt das Umweltprogramm ausführliche Studien über die Solar- oder Windenergie in Auftrag, die sie privaten und öffentlichen Entscheidungsträgern zur Verfügung stellt. Das tut UNEP auch im Rahmen von REN21 (Renewable Energy Policy Network for the 21st Century), eines Multistakeholder-Netzwerks, das es seit 2005 gibt und dem verschiedene Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmensverbände und auch die Internationale Energie-Agentur IEA angehören.
Insbesondere Entwicklungsländer berät UNEP dabei, wie sie Bedingungen schaffen können, um vor allem Klein- und Kleinstunternehmen die Möglichkeit zu eröffnen, erfolgreich Geschäfte mit erneuerbaren Energien zu betreiben. UNEP hat aber das Problem, dass es streng genommen keine Regierungen beraten darf. Denn im Unterschied zur Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) oder der Welthandelsorganisation (WTO) ist UNEP formal nur eine Kommission und keine eigenständige Sonderorganisation der Vereinten Nationen.
Damit verbunden ist auch der Nachteil, dass das Umweltprogramm keine regelmäßigen Mitgliedsbeiträge einnehmen kann und daher chronisch finanzschwach ist, weil es auf freiwillige Zahlungen seiner nur 53 Mitglieder angewiesen ist. Ein Umstand, den zum Beispiel verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NRO) schon seit langer Zeit bemängeln. Mehr aber noch stört sie, dass es im UN-System zu viele Länder gibt, die immer wieder auf die Bremse treten. „Lange Zeit waren dies die Vereinigten Staaten, nun sind es vor allem noch die OPEC-Länder“, sagt Jürgen Maier, Chef des Forums Umwelt und Entwicklung, eines Zusammenschlusses deutscher NROs. „UNEP engagiert sich zwar relativ stark für erneuerbare Energien, aber ich glaube trotzdem nicht daran, dass man auf diesem Gebiet innerhalb der UN wirklich einen Durchbruch erzielen kann.“
… soll IRENA machen
Weil andere das auch so sehen, wurde Anfang dieses Jahres in Bonn IRENA gegründet, die International Renewable Energy Agency, der bislang 79 Staaten beigetreten sind (siehe photovoltaik 03/2009). Diese Organisation kann und soll direkt mit den Regierungen arbeiten, um darauf hinzuwirken, dass diese politische Maßnahmen ergreifen, die die Einführung erneuerbarer Energien beschleunigen. „IRENA kann vieles tun, was wir nicht können“, so sieht es auch die Chefin von REN21, Virginia Sonntag-O’Brien. „Es ist gut, dass es endlich eine starke politische Stimme für die Erneuerbaren gibt.“ UNEP will deshalb IRENA unterstützen und vor allem sein Wissen im Bereich der Finanzierungsinstrumente zur Verfügung stellen.
„Längst keine Nischentechnologie mehr“
Interview: Achim Steiner, Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), bricht eine Lanze für die Photovoltaik.
UNEP fordert einen Global Green New Deal. Wie sieht der aus?
Die Weltwirtschaftskrise hat Millionen Menschen zurück in Armut, Hunger, Unsicherheit und Arbeitslosigkeit getrieben. Die Frage ist nun, ob die rund drei Billionen US-Dollar, die weltweit mobilisiert werden, um die Krise zu bekämpfen, auch dazu genutzt werden, der genauso gefährlichen ökologischen Krise zu begegnen und gleichzeitig zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. UNEP hat daher zusammen mit anderen Organisationen, wie der Weltbank oder der OECD vorgeschlagen, mindestens 25 Prozent der staatlichen Konjunkturpakete, oder 750 Milliarden US-Dollar, darauf zu verwenden, in den ökologischen Sektor zu investieren, das heißt unter anderem in Energieeffizienz und erneuerbare Energien.
Wie stehen die Chancen dafür?
Nun, einige Länder wie Korea, China, die USA und ein paar europäische Länder sehen die Chance, in dieser Krise ihre Wirtschaft grüner zu machen. Doch insgesamt fließt noch viel zu viel Geld in die alten „braunen Industrien“. Dabei könnten andernorts viel mehr grüne Jobs entstehen. Dazu haben wir zusammen mit der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften einen Bericht herausgegeben, der sich an die politischen Entscheidungsträger richtet. Zum Beispiel sind in China jetzt schon eine Million Menschen in der Branche der erneuerbaren Energien beschäftigt, die 17 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet. Oder: Indien kann allein mit Biogas bis 2025 900.000 Jobs schaffen.
Welche Rolle spielen überhaupt die erneuerbaren Energien beim Green New Deal?
Wir gehen davon aus, dass weltweit bis 2030 mit erneuerbaren Energien rund 20 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden könnten: zwei Millionen mit Windenergie, über sechs Millionen mit Solarenergie und zwölf Millionen mit Biotreibstoffen. Die Europäische Kommission erwartet, dass 2020 in Europa 2,8 Millionen Menschen in diesem Sektor arbeiten werden. Schon jetzt ist das Potenzial an Arbeitsplätzen bei erneuerbaren Energien größer als bei der Öl- und Gasindustrie, wo gerade mal zwei Millionen Menschen beschäftigt sind.
Welche Rolle spielt die Photovoltaik-Technologie auf globaler Ebene?
Wir tun mit UNEP viel dafür, die Solarindustrie zu unterstützen. Für die Photovoltaik setzen wir uns vor allem in ländlichen Regionen der Entwicklungsländer ein, wo sie eine sofortige und sichere Alternative zu Kerosinlampen und Dieselgeneratoren bietet. Die Photovoltaik ist längst keine Nischentechnologie mehr. Dieser Industriezweig hat in den letzten fünf Jahren stark investiert und es daher geschafft, die Technologien erheblich zu verbessern, günstiger und damit wirtschaftlicher anzubieten. Inzwischen kann Solarstrom in vielen Regionen schon mit der Spitzenlastenergie und deren Preisen gleichziehen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Photovoltaik?
2008 haben die Solarfirmen mit einem Anteil von 56 Prozent mehr Geld am globalen Kapitalmarkt aufgenommen als alle anderen Branchen der sauberen Energie zusammen. Inzwischen hat die Solarbranche die Windenergieindustrie, die 2007 auf dem Finanzmarkt führend war, von ihrem Spitzenplatz verdrängt. Das meiste Geld wird dabei von Solarfirmen in Ländern wie China nachgefragt. Viel wird in Zukunft davon abhängen, dass es eine ehrgeizige Politik für die Reduktion von Treibhausgasen gibt, international wie national. Dazu braucht es für die Erneuerbaren kurzfristige Anreize wie Einspeisetarife, Steuernachlässe oder zinsgünstige Kredite. Aber auch Net Metering, der Netzausbau, zügige Genehmigungsverfahren und eine entsprechende Landnutzungspolitik sind wichtig.
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