Wasserstoffhochlauf und PPA-Markt mit Tücken

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Es ist eine spannende Zeit, weil gerade die Spielregeln festgeklopft werden, sagt Helge Beil, VP German Hydrogen von Statkraft, auf der E-World, die diese Woche in Essen stattfand. Bereits vergangenes Jahr hat das Unternehmen mitgeteilt, an seinem Standort in Emden bis 2026 einen Zehn-Megawatt-Elektrolyseur in einer Handvoll Containern zu errichten. Das ist aber erst der Anfang. Beil präsentierte nun eine Architekturillustration, auf der die Container hinter einer Halle verschwinden. Darin sollen in einem weiteren Schritt 200 Megawatt Elektrolysekapazität installiert werden. Das Unternehmen will zu den Top-Ten-Herstellern von grünem Wasserstoff in Deutschland gehören.

Zunächst wird der Wasserstoff  nach den Worten von Beil marktbasiert, „wenn es sich lohnt“, erzeugt und mit Lastern zu Tankstellen gebracht. Das ist jedoch keine Lösung für die anvisierte großindustrielle Erzeugung. Der Standort liegt an dem geplanten Wasserstoff-Kernnetz. „Das ist eine solide Sache“, sagt Beil. Zusammen mit den Niederlanden sei Deutschland hier führend. Allerdings benötigten die Wasserstoff produzierenden Unternehmen einen diskriminierungsfreien Zugang zum Wasserstoffnetz und es sollten bei der Dimensionierung im Rahmen von IPCEI geförderte Projekte nicht bevorzugt werden, was offensichtlich angedacht ist. Außerdem entstehe nur durch den Bau des Netzes noch kein Markt, so Beil weiter. Die Nachfrage nach dem Wasserstoff fehle noch. Er mahnt daher ein markbasiertes Anreizsystem an.

Das sieht Jörg Selbach-Röntgen ähnlich. „Erst wenn es einen Absatzmarkt gibt, werden Investitionen in die Erzeugung unterschrieben“, sagt der CEO von MET Deutschland. Das Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz kommt aus dem Gashandel und will bis 2026 in Europa ein Portfolio von zwei Gigawatt an Wind- und Solaranlagen aufbauen.

Statkraft-Manager Beil sieht noch weitere Hürden. Abgesehen von der noch fehlenden Nachfrage sei die Versorgung mit grünem Strom eine große Herausforderung. Es sei eine „Schimäre“, dass ein erneuerbares Kraftwerk eins-zu-eins einen Elektrolyseur versorgen könne. „Mit 1000 Volllaststunden ist ein Elektrolyseur nicht ausgelastet“, sagt er. Am Ende benötige man ein grünes Portfolio aus Photovoltaik, Wind und Wasserkraft, um die Volllaststunden zu erhöhen.

Das ist im Übrigen einer der Gründe, warum die Statkraft-Experten den Bau von Elektrolyseuren an einem Standort mit Photovoltaikanlagen für unwahrscheinlich halten. Außerdem seien die Elektrolyseure große industrielle Anlagen, die einen Anschluss an das Kernnetz benötigten. Das sei auf dem Land, wo die großen Photovoltaikanlagen entstehen, schwierig.

Besonders irritiert zeigt sich Beil von Antworten der EU-Kommission auf Fragen zur Umsetzung der RFNBO-Verordnung. Die Verordnung legt fest, wann Wasserstoff als erneuerbarer Brennstoff zählt. Unter Punkt 16 formuliert die Kommission, wie sie die Rolle der Intermediäre, also Händler, bei den Stromlieferverträgen sieht. Sie seien Ermöglicher, aber nicht Vertragspartner. Das ist Statkraft zufolge eine große Einschränkung, da Intermediäre die Risiken managten und es erlaubten, die Nutzung der Energien mithilfe von Portfolioeffekten effizienter zu gestalten. Die Antworten der Kommission gelten nicht direkt als Recht, aber sie geben einen Hinweis, in welcher Richtung sich die Regulierung entwickeln könnte.

PPA-Abschlüsse trotz schlechterer Rahmenbedingungen

Wasserstoff ist ein großes, aber nicht das einzige Thema auf der E-World. Mit über 900 Ausstellern, so der Organisator, rund 30.000 Besuchern und sichtbar vollen Gängen mit gewohntem Gedrängel treffen sich hier alljährlich nicht nur die Gas- sondern auch die Stromvermarkter und andere Dienstleister, die Angebote an zum Beispiel Stadtwerke und Netzbetreiber machen.

Auch für Betreiber von Photovoltaik-Kraftwerken und für Projektentwickler ist es entscheidend, wie sie den Strom, den sie erzeugen, verkaufen können. Der Börsenstrompreis ist nach den Preisspitzen im Jahr 2022 wieder gesunken und damit die Bereitschaft möglicher Abnehmer von Direktlieferungen, hohe Preise zu zahlen. Gleichzeitig sind die höheren Zuschlagspreise in Photovoltaik-Ausschreibungen eine alternative Erlösquelle für die Betreiber, weshalb Anlagenbetreiber erwarten, auch bei Direktlieferverträgen höhere Preise zu erzielen. Daher werden langlaufende PPA-Abschlüsse unattraktiver.

Patrick Schmidt-Bräkling, der bei Baywa re in Spanien, Deutschland und Frankreich für PPA-Abschlüsse der eigenen Projekte verantwortlich ist, schätzt die Situation in Deutschland trotzdem noch als gut ein. „Der Markt ist noch nicht gesättigt“, sagt er, da Industriekunden oft auch geringfügig höhere Kosten im Vergleich zu einer Stromlieferung ohne Herkunftsnachweise akzeptieren. „Unserer Erfahrung nach geht es den meisten Corporates in erster Linie um das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen sowie eine langfristige Preisabsicherung, als um ein Ausreizen des günstigsten Preises“.

Europaweit erwartet Schmidt-Bräkling auch dieses Jahr für sein Unternehmen ein Wachstum im deutlich zweistelligen Prozentbereich. PPA-Abschlüsse seien aber nach wie vor aufwendig. Die Standardisierungsversuche hätten noch nicht so weit gefruchtet, dass man die umfangreichen Verträge nicht mit diversen Rechtsanwaltskanzleien ausgiebig diskutieren und an den Einzelfall anpassen müsse. Ein Prozess, der immer noch ein Jahr dauern könne.

Photovoltaik-Produkte im hinteren Messeteil

Photovoltaik-Module, Wechselrichter oder Batteriespeicher sah man in Essen übrigens selten. Doch dort, wo sie ausgestellt waren, gab es durchaus Resonanz. Alexandra Holub berichtet, dass durchaus auch größere Installationsbetriebe unter den Besuchern seien. Sie leitet das Marketing für den deutschsprachigen Raum bei Aiko, einem der wenigen Hersteller mit einem Road-Tour-Bus vor Ort.

Ebenfalls auf Interesse der Installateure dürfte stoßen, dass der IT-Dienstleister Adesso ein Baukastensystem für Netzbetreiber zur Digitalisierung des Netzanschluss-Antrags anbietet. Seit Beginn diesen Jahres ist die Digitalisierung für den Standard-Stromanschluss Pflicht, ab dem nächsten Jahr muss das auch für Photovoltaikanlagen gelten. Ein entsprechendes Modul sei dann erhältlich, sagt  Alexander Stahl von der Adesso-Unternehmenskommunikation.

Im Startup-Bereich, aber nicht nur dort, fand man etliche Anbieter, die in den Bereichen Messen, Abrechnen und Energiemanagement aktiv sind. Netzbetreiber und Stadtwerke, Kernzielgruppen der Messe, müssen komplett auf Smart Meter umstellen und bis zum 1.1.2025 überall dynamische Tarife anbieten. Dazu suchen sie Dienstleister. „Das Interesse daran hat stark zugenommen“ sagt Fabian Stocker von Exnaton. Das Schweizer Unternehmen bietet dazu Abrechnung als Dienstleistung an. Ansonsten ist es im Bereich Energiegemeinschaften tätig und wartet darauf, was sich in Deutschland mit dem Solarpaket 1 bei der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung tut.

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