Ein eiskalter Wind fegt um das Werk des Dachabdichtungsherstellers Sika Deutschland in Stuttgart. Der Schnee liegt seit Wochen, viel ungemütlicher könnte das Wetter kaum sein. Trotzdem erklimmen Sika-Verkaufsleiter Bernd Diegelmann, die Projektleiter und Monteure von Pohlen Bedachungen und der Firma Dachland sowie ein Vertreter des Herstellers Sunova an diesem Wintermorgen das Werksdach der Sika. Über drei Stunden halten sie es dort oben aus. Was die Gruppe in der Höhe fesselt, ist die neue Vorführanlage von Sika.
Seit Ende Dezember betreibt die Tochterfirma des Schweizer Sika-Konzerns vier Photovoltaikanlagen mit insgesamt 72 Kilowatt Leistung. Das allein wäre kaum ein Grund zum Ausharren in der Kälte. Die zwölf sind erpicht auf eine Gelegenheit, die sich nicht so oft ergibt. Bei ihrer gemeinsamen Abnahmebesprechung nehmen sie die vierModultypen der Vorführanlage unter die Lupe und diskutieren angeregt die verschiedenen Montagearten. Hält die zylindrische Bauart des neuen Moduls Solyndra, was der Hersteller verspricht? Sind aufgeständerte Module endgültig passé? Was unterscheidet die Dünnschichtdachbahnen von Flexcell und Solar Integrated voneinander? Stoff zur Diskussion gibt es genügend.
Dachsanierung als Auslöser
Wenn ein Hersteller von Dachabdichtungsbahnen seine Dächer saniert, versteht es sich von selbst, dass er dafür die eigenen Kunststoffbahnen nimmt. Dies war auch bei Sika der Fall. Das Unternehmen beschloss Anfang 2008, die angrenzenden Werksdächer von drei Hallen zu sanieren. Das alte Welleternit auf 3.000 Quadratmetern kam runter, an seinen Platz traten Trapezblechschalen und Sika-Kunststoffbahnen namens Sarnafil.
Diese Dachabdichtung aus flexiblen Polyoelfinen (FPO) liefert das Unternehmen nicht nur für neue Flachdächer und Dachsanierungen zu, sondern auch an die Photovoltaikbranche. Hersteller wie Q-Cells oder Solar Integrated laminieren Dünnschichtzellen darauf und vertreiben die Bahnen anschließend als Dünnschichtsysteme für Gewerbe- und Industriedächer.So kam Diegelmann auf die Idee, das zu tun, was seine Photovoltaikkunden den Besitzern großer Dachflächen oder Investoren raten: im Zuge der Sanierung doch gleich eine Photovoltaikanlage mitzubauen. Seine Unternehmensleitung konnte er von den Vorteilen einer eigenen Vorführanlage schnell überzeugen. Wenn Interessenten auf dem Werkdach sehen, was an Photovoltaiklösungen möglich ist, entscheiden sie sich eher für eine dieser Anlagen. Bestellen sie dabei gleich auch noch Sika-Dachbahnen, umso besser für daseigene Geschäft.
Bahnen von zwei Herstellern
Mit dem Dachabdichter Dachland, der eine eigene Photovoltaiksparte unterhält, arbeitet Sika seit vielen Jahren zusammen. Sika-Verkaufsleiter Bernd Diegelmann und Norbert Nehues, Leiter der Abteilung Photovoltaik bei Dachland, haben die Vorführanlage gemeinsam geplant. Zunächst entschieden sie sich für zwei Typen von Dünnschichtbahnen.Mit dem Modul Flexcell bauten sie eine Prototypenanlage. Das Schweizer Unternehmen VHF-Technologies (Flexcell) stellt dieses flexible, sehr dünne Photovoltaikmodul her. Bei Flexcell werden mit einer Hochfrequenz-Plasmatechnologie Schichten aus amorphem Silizium auf Kunststoffträger aufgetragen, in diesem Fall Sarnafil-Bahnen. Die Siliziumschichten sind nur 0,3 Nanometer dünn. Die biegbaren Flexcell-Produkte wurden bisher in Bereichen wie Camping und Outdoor, auf Booten und Yachten sowie in Kleinelektronik wie Handys und Kameras eingesetzt. Neu ist der Flexcell-Typ FLX-TO200 für Flachdächer, von dem Sika Bahnen mit sechs Kilowatt Leistung erhielt.Ebenfalls um Dünnschichtbahnen mit dem Kunststoffuntergrund Sarnafil handelt es sich bei den flexiblen Modulen mit 4,6 Kilowatt Spitzenleistung, die Sika von Solar Integrated(SIT) bezog. Im Gegensatz zu den einlagigen Schichten bei Flexcell enthalten diese Module amorphe Triple-Junction-Zellen. „In der Montage gibt es keinen großen Unterschied“, sagt Nehues. Er koordinierte die Arbeit von vier Dachland-Monteuren. Die kürzeren Flexcell-Module wurden aufeinandergeschichtet in Holzkisten angeliefert, die SIT-Dachbahnen kamen aufgerollt. Die Monteure legten die Bahnen an ihren Platz und begannen mit speziellen Automaten das thermische Schweißen. Auf dem Stuttgarter Dach schweißten sie zwei Kunststoffschichten zusammen. Die untere Dachabdichtung ist mechanisch an das Gebäude fixiert. Auf diesen Untergrund schweißten die Monteure die Kunststoffbahn des Photovoltaikmoduls. Anschließend verschalteten Elektriker die Anlage, indem sie die vormontierten Kabelanschlüsse verbanden. Zu guter Letzt schweißten sie die Kabelstränge mit passenden Kunststoffbändern auf die Dachhaut.
Rutschiges Foliendach
Die Montage von Solardachbahnen war für die Dachland-Monteure nichts Neues, und so ging sie zügig vonstatten. Nur das Wetter machte ihnen immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Durch Schnee und Eis war es auf dem Foliendach manchmal so rutschig, dass die weitere Montage zu gefährlich gewesen wäre. Deshalb mussten die Monteure ihre Arbeit mehrfach unterbrechen.Für die flexiblen Dachbahnen der beiden Hersteller findet Norbert Nehues lobende Worte. „Es gibt kein anderes System, das so leicht ist“, resümiert er. Flexcell- und SIT-Dachbahnen wiegen etwa fünf Kilogramm je Quadratmeter. Für ältere Industrie- und Gewerbedächer, die häufig kaum zusätzliches Gewicht aufnehmen können, ist dies ein Vorteil. „Die fünf bis sechs Kilogramm sind für jeden Statiker zu schaffen“, meint Nehues. Die Bahnen können auf alle mechanisch befestigten Dächer montiert werden. Doch hier schränkt er ein: „Sie müssen eine Dachneigung von mindestens zwei Prozent haben, damit das Wasser abfließen kann.“ Zwar halten die Membranen „alles aus, was üblicherweise auf ein Dach kommt“, trotzdem befinden sich unter der Folie elektrische Teile. Und falls doch einmal Wasser von Schnee oder Regen eindringen sollte, sei dies für die Elektrik nicht gut.Minimales Gewicht, schnelle Montage: überzeugende Argumente für PV-Dachbahnen gegenüber aufgeständerten kristallinen Modulen. Doch es gibt auch eine Kehrseite, und das ist der Preis. „Die Hersteller lassen sich die schnellere Montage bezahlen“, stellt Nehues fest. Konkrete Anlagenkosten will er nicht nennen. Dies begründet er damit, dass es sich bei Flexcell um eine Prototypenanlagehandelt.
Klassiker aufgeständerte Anlage
Deutlich günstiger als die dachintegrierten Photovoltaikbahnen ist der dritte Anlagentyp, den Dachland montierte. Hier fiel die Wahl auf eine 41-Kilowatt-Anlage des Systemanbieters Sunova aus dem bayerischen Grasbrunn. Die Anlage ist eine Kombination des Befestigungssystems MCG 1.0 von Sunova und kristallinen Glas-Glas-Laminaten des Typs Solibro. Zunächst legten die Monteure die Metallschienen, die in diesem Fall von Schletter stammen, an ihre Position. Danach verbanden sie die Schienen mit dem Kunststoffuntergrund. Hierfür nahmen die Monteure patentierte Folienhalter von Sunova. Sie übertragen die Sogkräfte des Windes auf die Kunststoffabdichtungsbahn. Diese leitet die Kräfte über ihre mechanische Fixierung in den Dachaufbau ein. Als die dachparallele Unterkonstruktion fertig montiert war, befestigten die Monteure die Glas-Glas-Laminate mit Klemmen darauf.Das System eignet sich für neu gebaute oder neu abgedichtete Flachdächer mit einer Neigung zwischen ein und zehn Grad. Als Untergrund für die Folienhalter empfiehlt Sunova Sarnafil-Dachbahnen – ein Grund, weshalb dieser Anlagentyp in Diegelmanns Konzept des Musterparks passt. „Das ist ein bewährtes, aufgeständertes System“, zieht Norbert Nehues zu diesem Anlagentyp Bilanz. Im Vergleich zu den extrem leichtenDachbahnen ist es allerdings schwerer. Sunova-Solibro wiegt etwa 25 Kilogramm je Quadratmeter. Damit zählt es allerdings immer noch zu den Systemen, die sich für Flachdächer eignen, da sie die DIN 1055 erfüllen. Diese Norm regelt die statische Belastung durch Wind und Schnee. Nachteil des Systems ist die aufwändige Montage. Doch diese wird durch den günstigeren Preis wieder wettgemacht. Wie bei den Dachbahnenanlagen mussten die Monteure ihre Arbeit auch hier wegen des Wetters mehrfach unterbrechen. Insgesamt war das Dachland-Team etwa drei Wochen mit den drei Anlagen mit 51,6 Kilowatt Gesamtleistung beschäftigt. „Bei besserem Wetter hätten wir zwei Wochen gebraucht“, sagt Nehues. Doch ob zwei oder drei Wochen, das Rennen um die kürzeste Montagezeit machte der vierte Anlagentyp. Das Dachabdichtungsunternehmen Pohlen installierte für die Firma Sika eine 22-Kilowatt-Anlage mit dem Modultyp Solyndra, der erst seit wenigen Monaten in Deutschland erhältlich ist (siehe auch Artikel Seite 56). Die Module des US-amerikanischen Herstellers Solyndra basieren auf der CIGS-Dünnschichttechnologie (Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid). Das ist eine bewährte Technik, neu ist der Modulaufbau, der an Vakuumröhrenkollektoren erinnert. Ein Modul ist 1,82 Meter lang und 1,08 Meter breit. In dem Metallrahmen sind 40 Glasröhren befestigt, in denen sich jeweils rund 140miteinander verbundene zylindrische CIGS-Zellen befinden. Durch die transparenten Röhren nehmen die Dünnschichtzellen laut Hersteller direktes und indirektes Sonnenlicht von allen Seiten auf, also auch reflektierte Strahlen vom Untergrund.
Einhängen, festschrauben
Angeliefert wurden auch diese Module in Holzkisten. Die Monteure platzierten das erste Modul auf vier Füßen. Das zweite Modul hängten sie daran an. An dieses montierten sie wiederum zwei Füße und hängten das nächste Modul ein. Einhängen, festschrauben, einhängen, festschrauben: So ging es weiter, bis die Anlage komplett war.Trotz der nur lockeren schnellen Befestigung soll das Modul gut halten. Da der Wind durch die Röhren hindurchpfeift, bieten sie nur eine geringe Angriffsfläche.Um eine optimale Reflexion der Solarstrahlung vom Untergrund zu erhalten, empfiehlt der Hersteller einen Abstand der Module von etwa 30 Zentimeter zum Boden. Das System interessiert Bernd Diegelmann, weil er darin eine neue Einsatzmöglichkeit für seine Dachbahnen sieht und ihre Wirkung testen will. Unter dieser Anlage ließ er zusätzlich zu dem beigefarbenen Kunststoffuntergrund weiße Dachbahnen verlegen. In den kommenden Jahren will er die durch die Farbe bedingten unterschiedlichen Erträge messen und auswerten. Bei der Standardfarbe Beige beträgt die Reflexion 64Prozent, für die weißen Bahnen kann Diegelmann es noch nicht sagen. Von der schnellen Montage der Solyndra-Module waren alle Beteiligten begeistert. „Wir haben etwa ein Viertel der sonst üblichen Montagezeit benötigt“, freut sich Tobias Ruof, Projektleiter bei Pohlen Solar. Den Vergleich zieht er zu herkömmlichen kristallinen Anlagen und Dachbahnen. Für die 22-Kilowatt-Anlage benötigten seine vier Monteure nur zehn Stunden. „Sie mussten das System erst einmal kennen lernen, aber dann wurden sie immer schneller“, sagt Ruof. Hochspannend – beeindruckend – faszinierend, mit diesen Worten beschreiben die Beteiligten ihren Eindruck von der Installation. Gleichwohl bleiben sie abwartend. Denn der zusätzliche Ertrag von 70 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Anlagen, den Solyndra prognostiziert, hängt zu einem wesentlichen Teil von der Reflexion vom Boden ab. Durch Regen, Schnee, Staub und andere Einflüsse verändern sich Dachbahnen aber im Laufe der Jahre, so dass die Reflexion nicht stabil bleibt. „Das wollen wir untersuchen und sehen, was wir tun können“, kündigt Ruof an. Zum Beispiel wollen er und Diegelmann prüfen, ob es für Betreiber sinnvoll sein könnte, den Untergrund hin und wieder zu reinigen, und wie dies am besten geschehen könnte. Neben der schnellen Montage nennt Ruof als weiteren Systemvorteil das geringe Gewicht. Es beträgt bei diesem Anlagentyp nur 16 bis 17 Kilogramm je Quadratmeter. Beide Vorteile schlagen sich, wie zu erwarten, im Preis nieder, zu dem sich Ruof bedeckt hält. „Sie sind ein bisschen billiger als kristalline Module und teurer als CIS-Module.“ Seine Firma stehe noch mit dem Hersteller Solyndra inVerhandlung, deswegen könne und wolle er nicht mehr sagen. Die Preise für die vier Anlagen bleiben also vage. Bernd Diegelmann verrät nur, dass sein Unternehmen insgesamt rund 300.000 Euro in die Vorführanlage investiert hat. Mit der ersten Resonanz ist er zufrieden. Mehrere Architekten und Dachdecker zeigten bereits Interesse, die vier Anlagen in Augenschein zu nehmen. Ebenso ein führender Discounter. Doch sie alle müssen noch warten. Anfang des Jahres lagen 20 Zentimeter Schnee auf dem Dach. Offiziell eröffnet die Anlage im März.
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