Was kostet Strom im Jahre 2030 für Verbraucher?

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Die Frage nach dem zukünftigen Strompreis beschäftigt nicht nur die Verbraucher und Unternehmen, sie macht auch den Stadtwerken und Energiekonzernen Kopfzerbrechen. Die Meinungen und Expertisen gehen dabei sehr weit auseinander. Einerseits gibt es viele Faktoren, die den Strompreis künftig wesentlich verteuern werden. Dazu gehört der Netzausbau, der durch den Aufbau einer neuen Infrastruktur im Zuge der Energiewende begründet liegt. Dazu gehören auch die höheren Kosten für Versorgungssicherheit, Netzstabilisierung, für Reservekraftwerke und Kapazitätsmärkte. Andererseits gibt es einige Gründe, die für einen niedrigen Strompreis sprechen. So werden die Erzeugungskosten der erneuerbaren Energien weiter sinken, sie sind heute schon auf einem sehr niedrigen Niveau.

Welchen Strompreis betrachten wir?

An der Basis aller wirtschaftlichen Entscheidungen steht der Erzeugungspreis in der jeweiligen Anlage. Dieser Wert geht sinnvollerweise mit Vollkosten, also inklusive Planung, Anlagenbau, Wartung, Abschreibung und Finanzierungskosten sowie den Kosten für den Rückbau und die Entsorgung in die Kalkulation ein. Diese Größe bildet als Levelized Cost of Electricity (LCOE) Generation eine gute ökonomische Grundlage ab.

In der Energiewirtschaft wird ein anderes Modell verwendet: Die Merit-Oder der Grenzkosten. Dieser Wert stellt genau genommen keinen Preis dar, da er nicht alle Kosten abbildet, sondern einige Kosten in andere Sektoren verdrängt. Zudem ist Strom nicht lagerfähig, also müssen Produktion und Abnahme zu jeder Zeit im Gleichgewicht stehen. Diese Aufgabe übernehmen die Strombörsen. Sie bilden einen aktuellen Gleichgewichtswert zwischen Angebot und Nachfrage ab und geben so einen Marktwert an. An der Börse gibt es unterschiedliche Handelszeiträume, so spielgelt ein Fünf-Jahres-Future eine Erwartung wieder, wie sich der Strompreis in diesem Zeitraum entwickeln wird. Je kurzfristiger die Handelsperiode wird, desto volatiler wird der Wert. Im Intraday-Handel am Energy-Only-Market, zeigt dieser Wert an, ob wetterbedingt gerade viel oder wenig Strom erzeugt wird. Der Börsenstrompreis kann auch hohe negative Werte im Intraday-Handel annehmen.

Die Eingangsgröße für den Börsenstrompreis ist der über die Merit-Order der Grenzkosten festgelegte Preis des Grenzkraftwerkes. Bei den Fossilen führen künftig hohe CO2-Abgaben zu höheren Eingangswerten. Wenn im Jahr 2045 keine fossilen Kraftwerke mehr am Markt sind, wird die Merit-Order nur noch die sehr geringen Grenzkosten der Erneuerbare-Energien-Anlagen sortieren. Also liegt der Grundwert dann weitgehend bei etwa 0 Cent. Wie groß dieser Effekt im Jahre 2030 schon sein wird, hängt von den Zubauzahlen der Erneuerbaren bis dahin ab. Zusätzlich muss es dann einen Kapazität- oder Stabilitätspreis geben, der je nach Verfassung der Netze und dem Wetter variiert.

Auf der Rechnung für den Endverbraucher machen Beschaffung, Vertrieb und Marge nur etwa die Hälfte seiner Stromkosten aus. Die zweite Hälfte sind zusätzliche Preiskomponenten, die nur wenig beeinflussbar sind. Diese sind die Transportkosten, also Netzentgelte, regulatorische Umlagen und Abgaben sowie Steuern. Da ein Blick in die Zukunft bei dieser komplexen energiewirtschaftlichen Preisgestaltung in der Tat die Fähigkeiten des Hellsehens erfordert, kann man genauso gut einfach nur raten.

Was ist der Verbraucher bereit zu zahlen?

Nähern wir uns also der Frage einmal von der anderen Seite. Was ist ein Verbraucher im Jahr 2030 bereit, für eine Kilowattstunde Strom zu zahlen? Für diese Betrachtung eignet sich die bereits gut bekannte und seit vielen Jahren erprobte Preiserfahrungskurve, die genau gesagt eigentlich Kostenentwicklungen auf Basis bisheriger Preise abschätzt. Wir können seit den 1980er Jahren die Preisentwicklung einer Kilowattstunde Solarstrom reell erfassen und auf der y-Achse in einer logarithmischen Skala auftragen. Auf der x-Achse bildet man die tatsächliche globale Marktgröße ab und enthält einen Graphen, der anzeigt, um wie viel Prozent die Kosten bei einer Verdopplung des Marktvolumens zurückgegangen sind. Multipliziert man das Ergebnis mit dem erwarteten Marktwachstum, erhält man eine belastbare Kostenprognose. Diese Methode ist universell und auf alle Technologien anwendbar.

Für die Prognose eines Erwartungswertes, was Verbraucher im Jahr 2030 für Strom zu zahlen bereit sind, haben wir die Lernraten von Photovoltaik, Windkraft, Batterietechnik und Elektrolyse näher betrachtet. So kommen wir zu der These, dass ein Versorger in sechs Jahren maximal etwa 23 bis 27 Cent pro Kilowattstunde verlangen darf, weil die Alternativen im ländlichen Raum günstiger sein werden, real, bezogen auf heutige Preise ohne Berücksichtigung der Inflation.

Wie kommt es dazu?

Nimmt man die zahlreichen internationalen Studien und Marktanalysen über die Entwicklung der LCOE unter die Lupe, ergibt sich folgendes Bild: Der Strom aus einer kleinen Photovoltaik-Dachanlage wird unter Vollkostenannahme 2030 etwa sechs Cent pro Kilowattstunde kosten. Nimmt man einen sehr großen Speicher dazu, der über 90 Prozent Systemautonomie ermöglicht, kommen noch einmal circa neun Cent pro Kilowattstunde obendrauf. Wer also am Stadtrand oder auf dem Land wohnt und ein eigenes Dach hat, wird pro Kilowattstunde 15 Cent als Richtwert für seine Preiserwartung annehmen. Wenn die restlichen 10 Prozent sehr teuer aus dem Netz bezogen werden, kommen wir an die 23 Cent heran. Liegt der Netzstrompreis weit darüber, rückt die Erweiterung des Speichers in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung.

Wer in der Stadt lebt und keine eigene Erzeugung hat, muss anders kalkulieren. Große Photovoltaik-Freiflächenanlagen oder Windparks an Land können im Jahr 2030 im Durchschnitt Stromgestehungskosten unter vier Cent pro Kilowattstunde erreichen. Vermarktet der Anlagenbetreiber seinen Strom direkt, muss dieser über das Netz geliefert werden. Kommen pro Kilowattstunde 10 Cent Netzentgelte sowie 13 Cent an Steuern und Abgaben hinzu, landen wir bei den 27 Cent.

Entlastende Faktoren für den Endverbraucher entstehen künftig durch Flexibilitätsangebote. Die steilen Rampen der dargebotsabhängigen Erzeugung müssen auf der Nachfrageseite abgefedert werden. Entsprechende Tarif- und Vermarktungsmodelle werden derzeit intensiv diskutiert und entwickelt. Nach unserer Vorstellung bei ew-con wird der Wechselrichter des Verbrauchers mit der Heizung sowie dem Speicher im Haus und im Auto Systemdienstleistungen entgeltlich anbieten. Die Versorger tun also gut daran, den Verbraucher als ebenbürtigen Player in der Energiewirtschaft zu sehen.

Diese Rechnung zeigt, dass die künftige Kostenentwicklung im Strompreis neben dem Ausbau der Erneuerbaren wesentlich von den Netzentgelten, Steuern und Abgaben abhängt. Wir sehen jedoch die Preisentwicklung für den Endverbraucher bei 23 bis 27 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt. Interessanterweise ergibt sich daraus auch eine neue Attraktivität für die ländlichen Räume, die dem zunehmenden Druck auf die Städte entgegenwirken kann.

 

— Lars Waldmann arbeitet seit 30 Jahren in der Solarbranche, hat fünf Jahre bei Agora Energiewende Analysen durchgeführt und berät nun mit den Unternehmen ew-con, Webolution und Gemeinwohl-Nord eG Stadtwerke, Versorger und Energieprojekte. —

 

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