NZIA: Sind die Resilienz-Auktionen für europäische Modulhersteller nur ein Papiertiger?

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Die Resilienz-Auktionen, die EU-Rat und EU-Parlament beschlossen haben, könnten ein Papiertiger werden. Ob sie am Ende tatsächlich im ausreichenden Maße einen gesicherten Markt für Module aus europäischer Produktion schaffen, bleibt ungewiss. An vielen Stellen kann der Gesetzestext so interpretiert werden, als gäbe es Hintertürchen, die es den Mitgliedstaaten erlauben, im eher überschaubaren Maße zu handeln. Am Abend der vorläufigen Einigung über den Net-Zero Industry Act (NZIA), am 6. Februar, gab es eine Pressekonferenz, auf der die Eckpunkte der Einigung erläutert wurden. Details blieben allerdings noch offen. Jetzt liegt pv magazine der Gesetzestext vor.

Ein Jahr lang haben die EU-Organe gerungen, um eine adäquate Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) in den USA zu finden. Resilienter wollte die EU werden. Während der Corona-Pandemie kam es zu Lieferengpässen auf dem Photovoltaik-Markt. Zu Beginn des Kriegs in der Ukraine wurde das Gas knapp. In beiden Fällen waren Abhängigkeiten zu einem einzelnen Staat als Lieferanten deutlich geworden, und in beiden Fällen kam es zu Preisexplosionen. Das sollte sich so nicht wiederholen. Die EU will bei den erneuerbaren Energien nicht dieselben strategischen Fehler begehen wie beim Gas.

„Aufgrund eines harten Standortwettbewerbs im Bereich der Photovoltaik-Produktion mit Asien, aber auch den USA, die ihre Photovoltaik-Industrie jeweils politisch stark unterstützen, bedurfte es einer passenden Antwort seitens der EU, um die europäische Wertschöpfung bei Solarmodulen und deren Vorprodukten zu stärken, ohne Handelsbarrieren aufzubauen und in eine Protektionismus-Spirale zu geraten, die Europa nicht gewinnen könnte“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Solarwirtschaft (BSW-Solar), auf Anfrage von pv magazine.

Die Antwort auf diese Herausforderung ist 118 Seiten lang, heißt Net-Zero Industry Act und enthält Details dazu, wie Mitgliedstaaten zukünftig Resilienz-Boni verteilen dürfen, Fabriken für Module, Wechselrichter und Co. schneller genehmigen können und wie Resilienz-Auktionen ausgestaltet werden sollen.

Resilienz-Auktionen

Das Thema Resilienz-Auktionen ist im Artikel 20 des NZIA enthalten. Er besagt, dass bei Auktionen für erneuerbare Energien nicht-preisliche Kriterien Anwendung finden sollen. So sollen die Hersteller der Komponenten einer Präqualifikation unterzogen werden. Dabei sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Hersteller ihre Geschäfte „verantwortungsvoll“ abwickeln, Cyber- und Datensicherheit gewährleisten können und in der Lage sind, ihre Produkte termingerecht zu liefern. Darüber hinaus sollen noch Resilienz- und Nachhaltigkeitskriterien beachtet werden. Resilienz bedeutet hierbei, dass die Komponenten einer Anlage in einer Ausschreibung nicht zu mehr als 50 Prozent aus einem Land kommen dürfen, das nicht Teil der EU ist.

Wie die 50 Prozent berechnet werden sollen, ist noch nicht klar. Gewicht oder Stückzahl – dem Gesetzestext zufolge wäre das alles möglich. Dass hier Klarheit herrscht, ist jedoch essenziell. Denn je nachdem, wie die Hälfte der Anlage berechnet wird, betrifft das auch Module. Immerhin wäre es ja auch möglich, eine Anlage mit einem Untergestell und Wechselrichtern aus Europa zu bauen. Dann wäre die Anlage zur Hälfte aus europäischen Produktion. Modulhersteller hätten davon aber erstmal nichts. Doch genau darum soll es ja gehen – einen Markt für Module aus europäischer Produktion schaffen.

„Es gibt viele technische Details, die in einem Durchführungsgesetz innerhalb von neun Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes geklärt werden müssen“, sagt Dries Acke, Policy Director von Solarpower Europe. „Hier muss geklärt werden, wie genau Details wie diese berechnet werden. Aus früheren NZIA-Entwürfen wissen wir, dass der finanzielle Wert des Systems oder die ‚Stückliste‘ und nicht das Gewicht der Bezugspunkt sein könnte. Aber auch dies ist im Moment nicht klar.“ Das Durchführungsgesetz, Implementation Act genannt, muss von der EU-Kommission neun Monate nach Inkrafttreten des NZIA vorgelegt werde.

Neben diesen Vorgaben müssen die Komponenten noch mindestens ein weiteres Kriterium einer vorgegebenen Liste erfüllen. Dazu gehört, dass die Komponenten umweltfreundlicher produziert sein müssen, als es internationale Standards verlangen. Sie können wahlweise auch besonders innovativ sein oder die Netzintegration erleichtern. Dabei bleibt den Mitgliedstaaten Spielraum in der Frage, wie stark sie die einzelnen Kriterien gewichten wollen. Jedes angewendete Kriterium muss zu mindestens fünf Prozent gewichtet werden. Zusammen dürfen die nicht-preislichen Kriterien zwischen 15 und 30 Prozent der Bewertung in einer Resilienz-Ausschreibung ausmachen. Neben diesen Kriterien zählt dann wie gewohnt der Preis.

Resilientes Ausschreibungsvolumen

Die Kriterien sollen auf mindestens sechs Gigawatt Ausschreibungsvolumen pro Jahr angewandt werden. Mitgliedstaaten, die weniger als dieses Volumen ausschreiben, müssen also alle ihre Ausschreibungen als Resilienz-Auktion abhalten. Mitgliedstaaten, die mehr als sechs Gigawatt pro Jahr ausschreiben, sollen die Kriterien auf 30 Prozent des jährlichen Ausschreibungsvolumens, mindestens aber sechs Gigawatt beziehen. Dabei bemisst sich das Ausschreibungsvolumen an allen Auktionen für Photovoltaik, Solarthermie, Windkraft, Biomasse, Elektrolyseure, Ladeinfrastruktur, Batteriespeicher und Wärmepumpen, sofern es für die Technologien Ausschreibungen gibt.

Im vergangenen Jahr führte die Bundesnetzagentur Ausschreibungen zu Photovoltaik, Windkraft und Biomasse mit einem Gesamtvolumen von 26 Gigawatt durch, die für die Betrachtung unter Artikel 20 des NZIA infrage kämen. Deutschland wäre somit verpflichtet gewesen, 7,8 Gigawatt als Resilienz-Auktion auszugestalten.

Allerdings ist im NZIA noch nicht eindeutig geregelt, wie die 30 Prozent verteilt werden müssen. Deutschland hat im vergangenen Jahr 10 Gigawatt Windkraftanlagen an Land und 8,8 Gigawatt Windkraftanlagen auf See ausgeschrieben. Für nicht einmal die Hälfte des Ausschreibungsvolumens für Windkraft hätten Resilienzkriterien angewandt werden müssen, um den Vorgaben des NZIA zu genügen.

Bei dieser Hälfte des Ausschreibungsvolumens reicht es aus, wenn nicht mehr als Hälfte der Windkraftanlagen aus nicht-europäischer Produktion kommen – also 3,9 Gigawatt. Wenn also Windkraftanlagen mit 3,9 Gigawatt Leistung aus europäischer Produktion in Auktionen bezuschlagt werden, sind die Vorgaben für Resilienz-Auktionen des NZIA vollständig erfüllt. Angesichts der Struktur der Windkraftbranche wäre so ein Fall wahrscheinlich. Einen gesicherten Projektmarkt für Photovoltaik-Module aus europäischer Produktion gäbe es dann immer noch nicht.

Staatliche Gestaltungsmöglichkeiten

Allerdings liegt die genaue Ausgestaltung bei den EU-Mitgliedstaaten. Es wäre möglich, das Resilienz-Auktionsvolumen durch die Technologien hinweg zu bilanzieren. „Der BSW-Solar ruft dazu auf, den Gestaltungsspielraum so zu nutzen, dass für Photovoltaik ein Aufwuchspfad von circa fünf Prozent des Photovoltaik-Auktionsvolumens in 2024 auf 40 Prozent des betreffenden Volumens ab 2027 als Resilienz-Auktion ausgestaltet wird“, sagt Körnig.

Wieder mit den Zahlen aus dem vergangenen Jahr gerechnet, in dem 6,5 Gigawatt Photovoltaik ausgeschrieben wurden, würde die fünf Prozent bedeuten, dass 328 Megawatt als Resilienz-Auktion ausgestaltet werden müssen. Bei der Umsetzung kommt es auf die Bundesregierung an. Aus Brüssel kommt hier erstmal nichts weiter.

15 Prozent teurer ist untragbar  

Ein weiterer Dämpfer für die europäischen Solarhersteller verbirgt sich in der Regelung, dass ein Preisunterschied von mehr als 15 Prozent zwischen resilienten Komponenten und nicht-resilienten Komponenten für die Mitgliedstaaten als nicht zumutbar gilt. Wenn aus verlässlicher Quelle belegt werden kann, dass eine Resilienz-Auktion 15 Prozent teurer werden würde als eine nicht resiliente Auktion, dann sind Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichtet, eine Resilienz-Auktion durchzuführen. Module aus europäischer Produktion kosten auch gerne doppelt so viel wie die von chinesischen Konkurrenten. Da ist ein Unterschied bei den Projekt-Ausschreibungspreisen von mehr als 15 Prozent schnell erreicht.

„Grundsätzlich leidet der NZIA unter dem Konstruktionsfehler, dass derartige Parameter nicht von Anfang an Technologie-spezifisch ausgestaltet wurden“, sagt Carsten Körnig vom BSW-Solar. Die Differenzierung sei auch noch im Implementation Act der Kommission möglich. Der Verband ruft dazu auf, die Resilienz-Auktionen durchzuführen, gerade weil die Kostendifferenz hoch ist und die europäische Industrie durch stabile Abnahmemärkte bei der Skalierung unterstützen werden sollte. „Aus der jetzigen Regierungskoalition gibt es diesbezüglich ja auch positive Signale, die nun in eine schnelle Implementierung münden sollten.“

Bei Unterzeichnung keine Resilienz

Der dritte Aspekt in dem Gesetz ist, dass bei einer Unterzeichnung der Resilienz-Auktionen der nicht bezuschlagte Teil automatisch in das Ausschreibungsvolumen der gewöhnlichen Auktionen überführt wird. Damit sorgt der NZIA zwar dafür, dass der Ausbaupfad nicht ins Stocken gerät, einen wirklich gesicherten und robusten Markt für die europäische Solarindustrie schafft der Rechtsakt auf diese Weise aber nicht. Für den Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) sind die Ergebnisse der Verhandlung aber positiv zu bewerten. „Die Solarwirtschaft kann trotz zusätzlicher bürokratischer Verkomplizierungen mit dem Ergebnis leben“, sagt der Verbandsgeschäftsführer Robert Busch. „Für Hersteller, die perspektivisch auf Wettbewerbsfähigkeit abzielen, reichen die Rahmenbedingungen im NZIA völlig aus.“

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