pv magazine highlights top innovation für Energy-Charts: Den guten Ruf der Erneuerbaren retten

Energy-Charts, Stromerzeugung und Importe 2023

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In der Politik wie in den Medien, vor allem den sozialen, wird mit harten Bandagen gekämpft. Da wird einfach mal so behauptet, Deutschland sei „Strombettler“ geworden, so stand es am 8. August 2023 in der Bild-Zeitung und auf X, vormals Twitter. Da die letzten Atomkraftwerke im April 2023 vom Netz gingen, flammte die Diskussion, die eher an die 90er-Jahre erinnert, noch einmal auf. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz behauptete etwa, ebenfalls auf X: „Deutschland ist in der Energie- und Klimapolitik zum Geisterfahrer in Europa geworden.“ Ein anderer Nutzer legt Wert darauf zu zeigen, dass Deutschlands Emissionen noch schlechter seien als die Polens. „Endlich geschafft“, twittert dieser.

Um solche und andere Falschbehauptungen zu widerlegen, hat Bruno Burger im Jahr 2014 die Energy-Charts ins Leben gerufen und kontinuierlich weiterentwickelt. „Wie sollen wir die Energiewende schaffen, ohne die Daten zu erheben und auszuwerten“, sagt der Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und Honorarprofessor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Für diese Aufgabe hat er sich aus seinem ursprünglichen Arbeitsgebiet, der Leistungselektronik, inzwischen komplett zurückgezogen.

Highlights und spotlights

 

Preis für gute Ideen: In der Februar-Runde zeichnet pv magazine eine Einreichung als highlight top innovation und eine Einreichung als pv magazine spotlight aus. Das sagt die Jury:

Energy-Charts: Mit Daten Fake News entlarven

Falschaussagen zur Energiewende gibt es zuhauf. Mal kann der „Zappelstrom“ kein Industrieland versorgen, mal legen Vergleiche nahe, dass Solarstromerzeugung hierzulande so sinnvoll sei, wie Ananas in Alaska zu züchten. Besonders emotional wurde es anlässlich des Atomausstiegs. Bruno Burger und Leonhard Probst kontern mit den Energy-Charts nüchtern und widerlegen Fake News mit Evidenz. Wenn es den pv magazine award nicht schon geben würde, dann müsste man ihn eigentlich für diesen Preisträger neu erfinden, so die Jury. Daher zeichnet sie die Energy Charts mit dem highlight top innovation aus.

Die Juroren: Volker Quaschning ist Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin. Hans Urban ist langjähriger Experte und Consultant für Photovoltaik, Speicher und E-Mobilität. Winfried Wahl ist Senior Director Product Management bei Hithium und seit 15 Jahren im Bereich Erneuerbare Energien tätig.

Mehr Infos, bisherige Preisträger (seit 2014) und alles zur Bewerbung unter: www.pv-magazine.de/highlights
Einsendeschluss für die nächste Runde: 15. April 2024

Dabei belassen es er und sein Kollege Leonhard Probst nicht bei der reinen Datenerhebung, sondern mischen sich aktiv in die Debatten auf X, wo Energy-Charts inzwischen 22.000 Follower hat, und auf anderen Plattformen ein. Außerdem bieten sie monatliche Teams-Runden zur Erläuterung an, nicht zuletzt auch eine Quelle für Multiplier wie Journalisten. Die Arbeit nimmt zu, so viele Falschmeldungen wie 2023 habe er vorher noch nicht erlebt, sagt Burger. Und wenn er etwas richtig­gestellt habe, komme die Woche darauf die nächste Lüge – oder die gleiche wieder. „Ich kämpfe um den guten Ruf der erneuerbaren Energien“, sagt er daher.

Letztes Jahr entzündete sich viel Kritik an der Energiepolitik durch die Stromimporte. „Deutschland ist nach dem Abschalten der letzten Kernkraftwerke von Stromimporten unserer Nachbarn abhängig. Was für ein katastrophales Signal!?“, twittert der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Thomas Bareiß im August. Burgers Antwort: „Deutschland ist auch nach dem Abschalten der Kernkraftwerke nicht von Stromimporten abhängig.“

Die Energy-Charts werten die Daten für 45 europäische Länder aus. Im Jahr 2023 hat Deutschland netto 8,6 Terawattstunden Strom importiert, nachdem im Jahr 2022 noch 27,3 Terawattstunden exportiert wurden. „Das hat aber nichts damit zu tun, dass der Strom nicht in Deutschland hätte erzeugt werden können“, sagt Burger. Auf der Onlineseite der Charts kann man die Beiträge aller deutschen Kohlekraftwerke minutiös aufgelistet einsehen. In Deutschland habe es 90 Gigawatt Kraftwerkskapazität gegeben bei 61 Gigawatt Maximallast, so der Experte.

Bruno Burger

Foto: Fraunhofer ISE

Leonhard Probst

Foto: Fraunhofer ISE

Letzten Sommer war es schlicht und einfach billiger, den Strom zu importieren, als ihn selbst zu erzeugen. Im Jahr davor, 2022, hatten die französischen Atomkraftwerke technische Schwierigkeiten und darum wurde viel Strom aus Deutschland nachgefragt, so dass es andersherum war. Die 8,6 Terawattstunden Importe 2023 machen im Übrigen weniger als zwei Prozent an der inländischen Erzeugung aus. Von Deutschland als „Strombettler“ kann also keine Rede sein.

Auch die Aussage, dass Deutschland nun nach dem Atomausstieg Atomstrom aus Frankreich importieren müsse, stimmt nicht. 2023 fanden die meisten Stromimporte in den Sommer­monaten statt und kamen aus den skandinavischen Ländern. „Das war vor allem Windstrom, da dieser billiger war als mit Kraftwerken in Deutschland produzierter Strom“, sagt Burger. „Danke, dass Sie die Lügen der Pro-Atom-Lobbyisten entlarven“, twittert ein User auf Burgers Reaktion.

CO2-Ausstoß trotz Atomkraftausstieg gesunken

Wenn nicht Atomstrom, dann zumindest mehr dreckiger Kohle­strom als Folge der deutschen Energiepolitik und dem Atomausstieg? Auch die Aussage stimmt nicht. Im Gegenteil. 2023 wurden nur noch 126 Terawattstunden Kohlestrom erzeugt, das sind 30 Prozent weniger als 2022. „Das letzte Mal wurde 1959 so wenig Kohle verbrannt bei einem damals deutlich niedrigerem Gesamtstromverbrauch“, sagt Burger.

Für die Energy-Charts werten die ISE-Wissenschaftler eine Vielzahl an Quellen aus, unter anderem von ENTSO-E, das ist der europäische Zusammenschluss der Übertragungsnetz­betreiber, von den einzelnen Übertragungsnetzbetreibern selbst, von der Leipziger Strombörse EEX, vom Statistischen Bundesamt und von der Bundesnetzagentur. Per Mausklick werden auf der Online-Plattform Grafiken, etwa zu den Energie­erzeugungsquellen, Importen und Exporten, Redispatch-Volumen, zu Börsenpreisen (inklusive Gas) und zu Klima­daten generiert.

Mit dem Mythos der hohen Stromkosten in Deutschland räumt Burger dabei ebenfalls auf. Die Karte von Energy-Charts zeigt, dass der Börsenpreis in den mit Stromleitungen mit Deutschland verbundenen Nachbarländern nur in Dänemark, Schweden und Norwegen günstiger war. Rechnet man allerdings die jeweiligen Umlagen, Abgaben und Netzkosten ein, ändert sich das Bild.

Burger antwortet auf X daher auch Friedrich Merz: „Deutschland ist kein energiepolitischer Geisterfahrer! Ganz Europa setzt auf erneuerbare Energien. Sie haben ihren Anteil an der Strom­erzeugung von 15 Prozent auf 38 Prozent gesteigert. Der Anteil der Kernenergie ist von 33 Prozent auf 22 Prozent gefallen.“

Energy-Charts wird kontinuierlich erweitert, teilweise auch gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Seit Kurzem ist eine Stromampel-App für Android online, eine iOS-Version soll in Kürze folgen. Sie zeigt an, wann der Erneuerbaren- Anteil im Stromnetz hoch ist. Anders als viele andere Apps nutzt die Stromampel die Erzeugungs- und Verbrauchsdaten und nicht die Day-ahead-Preise. In Zukunft soll sie auch eigene Prognosen mit einem längeren Vorhersagezeitraum zeigen. So kann jeder seinen Stromverbrauch entsprechend verlagern, um möglichst viel erneuerbare Energie zu nutzen.

Die Energy-Charts finden Sie online unter https://www.energy-charts.info, auf X unter https://twitter.com/energy_charts_d, auf Bluesky unter https://bsky.app/profile/energy-charts.bsky.social und auf Linked­In unter https://www.linkedin.com/in/bruno-burger-a8144021/

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