Solarlicht gegen Krankheitserreger

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Ausgemergelte Körper vor einem Rinnsal mit bräunlichem Wasser – solche Bilder zeigen eines der größten Gesundheitsprobleme des beginnenden 21. Jahrhunderts: Infektionen mit Krankheitskeimen aus dem Trinkwasser sind vor allem in den ärmeren Regionen der Erde nach wie vor eine der häufigsten Todesursachen. Dabei gibt es eigentlich genug Methoden, die solche Keime im Trinkwasser unschädlich machen. So tötet einfaches Abkochen oder zumindest kräftiges Erhitzen fast alle gefährlichen Krankheitserreger. Dazu aber braucht man viel Energie und Heizmaterial, beides ist gerade dort mehr als knapp, wo das Wasser am dreckigsten ist. Technische Methoden wiederum dringen bis in die abgelegenen Dörfer im Armutsgürtel der Welt auch kaum vor, weil sie entweder zu teuer, zu aufwändig oder sogar beides sind. Photovoltaik soll die Lösung bringen. Dort, wo kein Stromnetz existiert, hat sie unschätzbare Vorteile. Um Sonnenenergie zur Wasserreinigung zu nutzen, ist aber noch ein langer Weg notwendig. Den beschreiten Michael Kneissl und seine Mitarbeiter: mit den Dioden, die sie an der Technischen Universität Berlin (TUB) und am Ferdinand-Braun-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) in der Berliner Wissenschaftsstadt Adlershof entwickeln.

Licht statt Hitze

Wieso aber sollte ausgerechnet die Hightech-Forschung, die an der TUB und dem FBH gemacht wird, ein Problem lösen, an dem sich Hilfsorganisationen seit Jahrzehnten die Zähne ausbeißen? Für die Antwort holt Michael Kneissl ein wenig weiter aus: In vielen Labors und Kliniken desinfizieren Wissenschaftler seit vielen Jahren mit ultraviolettem Licht. Es unterscheidet sich von dem sichtbaren Lichtspektrum durch seine Wellenlänge. Je kürzer sie ist, desto mehr Energie enthält die Strahlung. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass 265 Nanometer, das sind Milliardstel Meter, die beste Wellenlänge ist, um das Erbgut der Keime so zu treffen, dass sie sich nicht mehr vermehren können und dadurch ungefährlich werden. Das ist relativ harte, also hoch energetische UV-Strahlung. Der große Vorteil: Die Methode benötigt deutlich weniger Energie als Kochen.
Allerdings erzeugt man das harte UV-Licht mit Quecksilberdampflampen, die gleich aus mehreren Gründen kaum für den Einsatz in abgelegenen Dörfern tau06 / 2008 | www.photovoltaik.eu gen: Diese Lampen halten kaum länger als normale Glühbirnen und müssen nach wenigen tausend Stunden entsorgt werden. Da sie das hochgiftige Quecksilber enthalten, ist das nicht nur riskant, sondern auch teuer. Da relativ häufig neue Lampen gekauft werden müssen, sprengt ihr Einsatz das Dorfbudget leicht. Obendrein benötigen Quecksilberdampflampen auch noch einen Stromanschluss, der im Hinterland der meisten armen Länder oft einfach nicht vorhanden ist.

Energiesparend und haltbar

Michael Kneissl aber arbeitet an einer Alternative, die ultraviolettes Licht ohne diese Nachteile liefert, der Forscher ist Spezialist für die Herstellung von Dioden. Solche Leuchtdioden oder kurz LEDs gibt es längst im Handel. In den Städten wird mit diesen LEDs das Licht der Verkehrsampeln mit erheblich niedrigerem Energieverbrauch als bisher erzeugt. Langlebiger und unempfindlicher gegen Stöße sind die Dioden obendrein. Erste Autos mit LED-Abblendlicht gibt es auch schon, in Taschenlampen dürften die Leuchtdioden in nicht allzu ferner Zukunft die Glühbirnen vom Markt verdrängen.
Vereinfacht ausgedrückt sind solche Dioden kleine Halbleiter, aus denen ein elektrischer Strom Elektronen löst. Wenn die Elektronen wieder eingefangen werden, werden Photonen genannte Lichtteilchen ausgesendet. Und weil in einem solchen Halbleiter viele Elektronen in Löcher fallen, summieren sich die vielen Photonen zu einem Lichtstrahl. Das ist der Prozess, den Photovoltaikzellen in die umgekehrte Richtung nutzen. Dort lösen Lichtteilchen06/ 2008 | www.photovoltaik.eu die Elektronen von ihren festen Plätzen im Halbleiter und erzeugen daraus den Solarstrom. Der Clou bei den LEDs ist der Wirkungsgrad: Während eine herkömmliche Glühbirne eigentlich eher eine Heizspirale als eine Lampe ist, die 95 Prozent der einfließenden elektrischen Energie in Wärme und nur karge fünf Prozent in Licht verwandelt, machen weiße und blaue Leuchtdioden inzwischen aus 60 Prozent der elektrischen Energie tatsächlich Licht. Ihr Wirkungsgrad ist damit erheblich besser als bei Energiesparlampen.
Wenn diese Dioden in Massenproduktion erzeugt werden, dürften außerdem die Preise rapide sinken, und in einiger Zukunft dürften die Energiesparlampen, die zurzeit herkömmliche Glühbirnen vom Markt verdrängen, ihrerseits von den Dioden ersetzt werden. Das hätte noch einen weiteren Vorteil: Hält eine Glühlampe so um die tausend Betriebsstunden durch und haucht ihr Leben damit in der Theorie bereits nach sieben Wochen Dauerleuchten aus, hält eine Energiesparlampe immerhin bis zu 8.000 Stunden durch und fällt somit theoretisch erst nach einem knappen Jahr im pausenlosen Einsatz aus. Eine Leuchtdiode dagegen liefert gute 50.000 Stunden Licht und sollte daher sechs Jahre ohne Unterbrechung brennen können.
Da aber kaum jemand pausenlos Wasser desinfizieren dürfte, würden solche Leuchtdioden wohl ein Leben lang halten, Glühbirnen oder Quecksilberdampflampen müssen viel häufiger für einiges Geld erneuert werden.

Rezeptur für ultraviolette Leuchtdioden gesucht

Einen Haken hat die Geschichte von der schönen neuen Welt der LEDs aber noch: Bisher gibt es auf dem Markt noch keine Leuchtdioden, die ultraviolettes Licht aussenden, das energiereich genug für das Desinfizieren von Wasser ist. Genau an solchen UV-Dioden aber arbeiten Michael Kneissl und seine Kollegen am Ferdinand-Braun-Institut und an der Technischen Universität Berlin.
Hergestellt werden solche UV-Dioden aus einer Galliumnitrid genannten Substanz. Dieses Halbleitermaterial entsteht in einem „metallorganische Gasphasenepitaxie“ genannten Verfahren. Dabei wird eine Trimethylgallium genannte Verbindung gemeinsam mit dem Gas Ammoniak über eine heiße, saphirähn liche Substanz geleitet. Beide Substanzen zersetzen sich dabei, und ein Teil der Bestandteile setzt sich als hauchdünne, nur wenige Atomlagen dicke Schicht Galliumnitrid auf der Oberfläche ab. Nehmen die Forscher reines Galliumnitrid, entstehen Dioden, die Licht mit einer Wellenlänge von 362 Nanometern aussenden. Das reicht zwar noch nicht zum Entkeimen von Wasser, ist aber immerhin bereits weiches UV-Licht.
Ersetzt Michael Kneissl jedoch Galliumatome durch Aluminiumatome, senden die entstehenden Halbleiter zunehmend kurzwelliges und damit auch härteres Licht aus. Reines Aluminiumnitrid anstelle von Galliumnitrit würde zum Beispiel sehr hartes ultraviolettes Licht mit einer Wellenlänge von 210 Nanometern liefern. Da kann man sichleicht ausrechnen, wie viel Gallium durch Aluminium ersetzt werden müsste, um das ideale UV-Licht mit rund 265 Nanometern Wellenlänge zu erhalten, das dann am besten das Erbgut von Krankheitskeimen zersetzt und sie unschädlich macht.
So weit die Theorie, in der Praxis ist das Ganze natürlich erheblich schwieriger. Theoretisch suchen sich die Aluminiumatome während der Epitaxie zwar selbst den richtigen Platz auf der sich bildenden Halbleiterschicht. In der Praxis aber erweisen sie sich als relativ unbeweglich und bleiben häufig genau an der Stelle liegen, an der sie gelandet sind. Ist das nicht der richtige Platz, bilden sich Defekte im Halbleiter. Häufen sich diese Defekte, wird weniger Elektrizität in UV-Licht umgewandelt. Erste UV-Dioden bringen es daher nur auf vergleichsweise jämmerliche ein oder zwei Prozent Ausbeute.
Verringern können die Forscher die Häufigkeit der Defekte, wenn sie die Temperatur erhöhen. Läuft die Epitaxie zum Beispiel statt der bei LEDs für sichtbares Licht üblichen 1.000 oder 1.100 Grad Celsius mit 1.500 Grad Celsius, werden auch die Aluminiumatome beweglicher und finden den richtigen Platz in der sich bildenden Halbleiterschicht einfacher. Mit etlichen solcher Tricks will Michael Kneissl die Effizienz der entstehenden UV-Dioden deutlich verbessern. Damit aber scheinen UV-Dioden greifbar, die Wasser preiswert und ohne die heiklen Quecksilberdampflampen entkeimen können.

Unabhängig dank Solarzellen

Bleibt das Problem der Energieversorgung. Auch da haben die Dioden einen Riesenvorteil: Sie arbeiten nicht mit Wechselstrom, sondern mit Gleichstrom im Spannungsbereich von wenigen Volt. Genau solchen Strom liefert die Photovoltaik.
Damit wird eine Lösung des Trinkwasserproblems denkbar. Man könnte um eine Wasserleitung aus Quarz UV-Dioden anordnen, deren Licht problemlos durch den Quarz dringt und die Keime im Wasser abtötet. Photozellen liefern den Gleichstrom, der entweder die Diode direkt betreibt oder einen kleinen Akku lädt, der in der Nacht Elektrizität zum Entkeimen liefert. Mit einer Leistung von gerade einmal zehn Watt könnten so in jeder Sekunde drei oder vier Liter Wasser gereinigt werden, die durch die Quarzleitung fließen. Damit das nicht alles graue Theorie bleibt, entwickelt Kneissl jetzt zusammen mit dem Kompetenzzentrum Wasser der TU Berlin einen Prototypen.
Robust ist diese Technik obendrein, weder die LEDs noch die Photovoltaik oder die Akkus reagieren sehr empfindlich auf Stöße. Deshalb haben auch Luftfahrtgesellschaften oder Eisenbahnen Interesse an dieser Methode, sauberes Trinkwasser während der Fahrt oder im Flug zu liefern. Und für die entlegenen Dörfer in armen Ländern der Erde rückt mit der Kombination von Photovoltaik und UV-Dioden endlich eine zuverlässige und billige Entkeimung von Trinkwasser in greifbare Nähe, die eine erhebliche Reduzierung der Gesundheitsgefahren durch verkeimtes Wasser verspricht.06 / 2008 | www.photovoltaik.eu

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