Wer bei Entrix durch die Firmenzentrale läuft, rechnet nicht damit, dass hier mit Strom gehandelt wird. Keine riesige Leinwand, wie in einem Raumfahrtkontrollzentrum, deutet auf die moderne Technik hin, die hier genutzt wird. Keine Preiskurven, Zahlen und Marktdaten, die rot blinkend zur schnellen Handlung mahnend aufleuchten, zeigen, dass hier in Echtzeit auf Preisausschläge reagiert wird. Keine Sitzreihen mit vielen Bildschirmen, an denen Händler alle Parameter fest im Blick haben. „Eigentlich sieht es hier im Büro recht langweilig aus“, sagt Lars Löhle, Chief Commercial Officer von Entrix.
Der Clou: Auch bei Entrix beobachtet niemand den ganzen Tag die Börsenstrompreise und trifft Handelsentscheidungen, die möglicherweise zu langsam oder durch menschliche Fehler behaftet sind. Stattdessen kommt hier eine künstliche Intelligenz zum Einsatz. Entrix erklärt, dass seine Algorithmen sehr dynamisch und in Echtzeit zwischen allen verfügbaren Ertragsströmen entscheiden und optimieren können. Stand-alone-Batteriespeicher und Kombikraftwerke können auf diesem Weg gewinnbringend vermarktet werden und das Gesamtsystem wird trotz hoher Einspeisung von fluktuierenden erneuerbaren Energien stabil gehalten. Unsere Jury vergibt dafür das Prädikat „spotlight“.
Das Ziel, eine Anlage mit Hilfe des Autotraders zu steuern, ist die Gewinnmaximierung des Assets. Dafür wird ein Speicher, wie in der Branche schon vielfach beschworen, tatsächlich wie ein Schweizer Taschenmesser für verschiedenste Aufgaben eingesetzt. Dieses Revenue Stacking beinhaltet Day-Ahead-, Intraday- und Regelleistungsmärkte – und zwar gleichzeitig. Entrix spricht von etwa 200 Handelsaktionen pro Tag und Megawatt, die im Durchschnitt an einer Anlage durchgeführt werden. Für einen Menschen wäre an dieser Stelle wahrscheinlich Schluss. Denn die Preisentwicklungen und Gewinnspannen von drei oder vier Märkten gleichzeitig zu berechnen und miteinander zu vergleichen und anhand von Prognosen richtige Handelsentscheidungen zu treffen, dürfte nur schwer darstellbar sein.
Highlights und spotlights
Preis für gute Ideen: In der November-Runde zeichnet pv magazine eine Einreichung als pv magazine spotlight aus. Das sagt die Jury:
Entrix: Mit großen Batteriespeichern automatisiert Erlöse erwirtschaften
Betreiber großer Batteriespeicher, die zum Beispiel mit Solarkraftwerken kombiniert werden, sind auf der Suche nach Geschäftsmodellen und Dienstleistern, die die Speicher bewirtschaften und mit Netzstabilisierung Erlöse erzielen. Entrix ist eines der Unternehmen, das dafür eine Lösung entwickelt hat und per Autotrader Batteriekapazität am Energiemarkt und Regelleistungsmarkt handelt. Wie gut ein „Blackbox“-Autotrader und dessen Algorithmus wirklich ist, zeigt sich so richtig erst bei der Abrechnung und der Batterielebensdauer. Die pv magazine Jury ist der Ansicht, dass Entrix einen Blick lohnt, und zeichnet das Produkt daher mit einem pv magazine spotlight aus.
Die Juroren: Volker Quaschning ist Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin. Hans Urban ist langjähriger Experte und Consultant für Photovoltaik, Speicher und E-Mobilität. Winfried Wahl ist Senior Director Product Management bei Hithium und seit 15 Jahren im Bereich erneuerbare Energien tätig.
Mehr Infos, bisherige Preisträger und alles zur Bewerbung unter: www.pv-magazine.de/highlights
Einsendeschluss für die nächste Runde: 10. Januar 2024
Das Angebot beinhaltet eine enge Zusammenarbeit mit den Projektierern. „Bereits in den frühen Phasen der Projektentwicklung arbeiten wir eng mit unseren Kunden zusammen“, sagt Löhle. Entrix berät seine Kunden bei der Auslegung der Anlage. Das umfasst zum Beispiel, die optimale Speichergröße im Verhältnis zur geplanten Photovoltaik-Anlage und zur Handelsstrategie, die umgesetzt werden soll, zu finden. Zudem muss die Anlage mit entsprechender Kommunikationstechnologie ausgerüstet werden, damit Entrix dauerhaft und schnell Zugriff hat, um keine Gewinnchancen am Markt zu verpassen.
Nicht immer ist ein Speicher geplant. Mit dem Autotrader kann Entrix Entwickler davon überzeugen, dass sich das lohnen kann. „Wenn wir gut optimieren, werden Investitionen in Batteriespeicher attraktiver“, sagt Löhle. So unterstützt der Anbieter seine Kunden bei der Erläuterung der Optimierungslösung gegenüber den Kapitalgebern. Löhle sagt, man habe mit Banken und Investoren zusammengearbeitet, damit Projekte, deren Gewinn von einem Algorithmus abhängen, fremdfinanzierungsfähig sind.
Bei Entrix arbeiten 25 Menschen. Darunter sind einige zertifizierte Stromhändler, die in den Handelsprozess eingreifen dürften. Bisher sei das aber noch nie notwendig gewesen. Die meisten Mitarbeiter seien Data Scientists, um den Algorithmus für jedes Projekt individuell zu optimieren. „Die Handelsstrategie einer Zehn-Megawatt-Anlage sieht anders aus als die einer 200-Megawatt-Anlage“, sagt Löhle. Seit Sommer 2022 gibt es einen Markt für Sekundärregelleistung, was der Algorithmus bereits abbilden kann. Außerdem steht noch in diesem Jahr die Expansion ins Vereinigte Königreich an. Insgesamt hat Entrix eine ganze Reihe von Verträgen für Projekte unterzeichnet, die in den nächsten zwei Jahren ans Netz gehen sollen.
pv magazine roundtables Europe 2023
Session 8 | Dec 6, 10:30, virtuell | All about storage: Price, materials, tech, and new revenue
As the energy storage sector continues to grow and mature, understanding costs and revenue opportunities is the highest priority for many stakeholders. As lithium-based batteries continue to dominate the sector, the outlook on costs, materials, and technology remains the key question. In addition, we will also explore the most attractive markets and revenue opportunities for BESS in Europe, beyond the wins in transferring energy from generation to times of demand.
Experts:
- Evan Hartley, Benchmark Mineral Intelligence
- Max Reid, Wood Mackenzie
- Aaron Wade, Exawatt
- Winfried Wahl, Hithium Energy Storage Deutschland
- Ryan Alexander, Aurora Energy Research
- Steven Coppack, Timera Energy
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Ohne die bremsende Marktwirtschaft und die bremsenden Hohen Beamten im Wirtschaftsministerium könnten wir schon weiter sein
Was nützt der größte Großspeicher wenn man keinen Solarstrom zum Aufladen hat ? In den Wintermonaten wird nur geringer Solarstrom erzeugt Agora “ Agorameter“ ,wo soll der Ladestrom herkommen ?
Seit wann gibt es nur Solarstrom? … gerade im Winter haben wir häufig starke Windphasen, die sehr preiswert sind und lukrative Hübe für die teuren Zeiten bieten. Selbstverständlich muss solch ein Speicher für alle regenerativen Erzeugungsarten und mit dem Netz zusammen genutzt werden.
Ich will ja nicht unken, aber hat Entrix auch bedacht, dass sich Speicher im Laufe der Zeit gegenseitig das Geld-Verdienen sehr schwer bis unmöglich machen werden? Es klingt so schön: Revenue Stacking beinhaltet Day-Ahead-, Intraday- und Regelleistungsmärkte – und zwar gleichzeitig. Aber je mehr Speicher es gibt, je mehr Solar- und Windstrom im Netz ist, desto weniger Preisschwankungen, an denen man etwas verdienen könnte. Es scheint mir eine Sackgasse zu sein, Speicher auf einem business-case zu basieren, der sich selber kannibalisiert.
Habe ich was übersehen?
Man sollte den unternehmerischen Projektierern jetzt nicht den Mut nehmen. Es stimmt schon: Wenn wir alle Speicher haben, die wir brauchen, werden die Preisdifferenzen so klein sein, dass die Speicher nicht davon leben können. Das Problem ist halt: Strom darf nur selten so knapp werden, dass Stromverbraucher notfallmäßig vom Netz genommen werden müssen. Das bedeutet aber, dass für den 98% Normalfall reichlich Kapazitäten vorhanden sind, die sich gegenseitig das Leben schwer machen.
Deshalb brauchen wir zukünftig ein Betreibermodell für Speicher, bei dem die Netzbetreiber per Ausschreibung Speicherbetreiber beauftragen, die auskömmliche Einnahmen garantiert bekommen, aber auch nicht mehr. Auch bereits vorhandene Speicher sollten in dieses Betreibermodell aufgenommen werden. Damit entfällt dann die Möglichkeit besonders hohe Gewinne zu machen, aber „auskömmlich“ verhindert die Pleite.
Hallo Herr Schnitzler,
das stimmt natürlich, es gibt Kannibalisierungseffekte. Aktuell (und voraussichtlich auch zukünftig) schreitet der Ausbau erneuerbarer Energieproduktion und die Abschaltung konventioneller Kraftwerke jedoch schneller voran als der Ausbau von Batteriespeichern. Dadurch relativieren sich Kannibalisierungseffekte auf den Handelsmärkten. In der Regelleistung, insbesondere der Primärregelleistung, sind Kannibalisierungseffekte stärker zu spüren. Gerade deshalb ist eine dynamische Kombination der verschiedenen Märkte so wichtig!
Beste Grüße aus München
Es gibt aber auch im Laufe der Zeit genauso ständig neu hinzugewonnene Anwendungen bei Mobilität, Heizung und Industrie, die vom Fossilen ins Elektrische wechseln und bedient werden wollen.
Wir sind noch quasi bei Null in Sachen Sektorenkopplung und bidirektionale Speicher… bis da eine Sättigung erreicht ist, fließt noch sehr viel Wasser den Rhein herunter. Aus meiner Sicht frühestens in den Dreißigern, mit >80% EE Anteil muss vermutlich sowieso der Strommarkt komplett neu gedacht und strukturiert werden.