Barack Obama ist ganz aus dem Häuschen: „Eine wunderbare Firma“, sagt der Präsidentschaftsandidat über den Wechselrichterhersteller PV-Power in Oregon. Cleantech, Solarenergie und Windkraft werden bald die wichtigsten Jobmotoren der Nation sein. Mindestens 150 Milliarden Dollar will Obama bereitstellen, wenn er erst Präsident der USA ist, um Amerika bei der Energiewende nach vorne zu bringen. 80.000 begeisterte Anhänger sind wohl auch dafür und jubeln dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten in der Innenstadt von Portland bei einer Vorwahlkampfrede zu wie einem Popstar.
Nicht ganz so groß ist der Menschenauflauf an diesem sonnigen Samstag auf dem weitläufigen Messegelände von St. Paul in Minnesota. Auf den Bierbänken neben den ausgestellten Elektroautos und Liegefahrrädern hat es zur Mittagszeit noch etliche freie Plätze. Doch immerhin einige tausend Besucher haben den Weg zur Twin Cities Green Fair gefunden. Die Regierung des US-Bundesstaates, die den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2025 auf 25 Prozent ausbauen will und im vergangenen Jahr einen entsprechenden Renewable Portfolio Standard (RPS) verabschiedete, unterstützt die Veranstaltung ideell. Die Mischung ist bunt: Gemüse abos von Biobauern, Kompostboxen, Angebote für Yogakurse, selbstgebaute Windkonverter und ein rollendes Infomobil der Minnesota Renewable Society mit etlichen Solarmodulen und Wechselrichtern. Es weht ein Geist wie auf Ökomessen in Deutschland vor 15 Jahren. Ein Publikumsmagnet ist das mehrere Meter hohe Nachführsystem mit BP-Modulen, neben dem Jerry Lilyerd seinen Sun Energy Infostand aufgebaut hat. Der bärtige Mittfünfziger mit dem grünen Overall ist einer der Solarteure der ersten Stunde in Minnesota. Rund 400 PV-Anlagen, hauptsächlich für den Offgrid-Betrieb, verkaufte und installierte er in den ver gangenen 15 Jahren. Dabei reiste er von Maine bis an die Westküste, denn „von dem Absatz in Minnesota alleine kann ich nicht leben“, sagt der ehemalige Farmer aus der Kleinstadt Mora. Lilyerd ist einer von ganzen drei zertifizierten Solarteuren in dem Midwest-State, der mehr als dreimal so groß ist wie Bayern. Für zwölf bis 14 Dollar pro Watt verkauft er derzeit schlüsselfertige Anlagen. Verringert werden die Investitionskosten bisher noch durch einen US-weiten Steuerkredit (Solar Investment Tax Credits – ITC) von maximal 2.000 Dollar auf den Nettokaufpreis der PV-Anlage. Dazu kommt eine Einmalzahlung der regionalen Energieversorger. Zusammen addiert sich das auf einen finanziellen Anreiz in Höhe von vier Dollar pro Watt. Für Käufer, die rechnen, reicht das nicht. „Ich habe seit vergangenem Sommer erst eine neue PV-Anlage verkauft“, berichtet Immobilienhändler Jay Collins. Mit einer Pay-Back-Period von rund 20 Jahren seien die PV-Anlagen immer noch viel zu teuer und der Haushaltsstrompreis von rund zehn US-Cent pro Kilowattstunde immer noch zu günstig.
Kein einfaches Terrain
Selbst in Kalifornien hat es die Photovoltaik nicht leicht. Die Szene beim Anflug auf Pasadena, einen Vorort von Los Angeles, spricht Bände: Die strahlende Sonne scheint auf ein Dächermeer von einstöckigen Gewerbebauten, gespickt mit den charakteristischen Aufbauten der Klima anlagen. Doch von Solarstrommodulen weit und breit keine Spur. Dies trotz der drei Milliarden US-Dollar starken California Solar Initiative (CSI) von Gouverneur Arnold Schwarzenegger. Der kalifornische PV-Markt wuchs im vergangenen Jahr zwar um über 50 Prozent beziehungsweise 88 Megawatt, und mit einer Leistung von 280 Megawatt waren in dem Westküstenstaat mit Abstand die meisten Solarstrommodule in den USA am Netz. Im Vergleich zu den rund 3,5 Gigawatt installierter PV-Leistung in Deutschland und der mit 1.650 bis 2.500 Kilowattstunden pro Quadratmeter annähernd doppelt so hohen Sonneneinstrahlung Kaliforniens sind dies jedoch eher Peanuts.
„Die CSI sieht zwar groß aus und hat groß angefangen, doch derzeit reichen die finanziellen Anreize meist nicht mehr aus, um eine Wirtschaftlichkeit der Photovoltaik sicherzustellen“, sagt Elmar Niewerth von Think Solar in Oakland. Vor allem die schnelle und scharfe Degression wirkt sich aus, rechnet der Großhändler und Projektierer vor, der vor 15 Jahren bei der Freiburger Solarmarkt ins Geschäft einstieg: Wurde beim Start des Programms im Herbst 2006 für Anlagen bis 100 Kilowatt Leistung noch ein einmaliger Investitionszuschuss (Expected Performance Based Buydown – EBPP) von maximal 2,50 Dollar pro Watt bezahlt, so sind es derzeit noch höchstens 1,60 Dollar pro Watt. In der Praxis werden 1,30 bis 1,40 Dollar ausbezahlt, denn den maximalen Förderbetrag gibt es für eine 100 Prozent effizient arbeitende Anlage. Davon ab gehen Verschattung, Wirkungsgradverluste des Wechselrichters oder Leitungsverluste. Im laufenden Betrieb kann man über das Net Metering nur den Anteil des Stroms auf der Stromrechnung einsparen, den man selbst solar erzeugt. Mehr kann man nicht „verdienen“. Zwar gibt es etliche Regionen, in denen der Strom in Spitzenlastzeiten schon über 40 US-Cent kostet, doch der durchschnittliche kalifornische Haushaltsstrompreis ist immer noch wesentlich günstiger als in Europa.
Mit der Rentabilität der Förderung des US-Bundesstaats für größere Anlagen über 100 Kilowatt sieht es nicht sehr viel besser aus. Es wird eine ertragsbezogene Einspeisevergütung (Performance Based Incentives – PBIs) für fünf Jahre angeboten. Lag diese vor eineinhalb Jahren noch bei 39 US-Cent pro Kilowattstunde, so sind es derzeit je nach Region zwi schen 15 und 22 Cent. „So günstig kann man auch eine große Anlage kaum aufstellen“, unterstreicht Niewerth. Beispielsweise sei neulich ein Industriekunde, der eine 600-Kilowatt-Anlage in Los Angeles bauen wollte, wieder abgesprungen, als er sah, wie wenig wirtschaftlich das Vorhaben bei den zurückgefahrenen PBIs war.
Wenig Hilfe vom Staat
Gary Gerber, Präsident der California Solar Energy Industries Association (CalSEIA), stößt ins selbe Horn. „Die CSI war von Anfang an um den Faktor zwei bis fünf unterfinanziert, deshalb sind die Degressionsschritte zwangsläufig zu stark“, sagt der Chef von Sun Light & Power in Berkeley. Zudem seien die Ausbauziele der Solarinitiative von Gouverneur Arnold Schwarzenegger von drei Gigawatt bis 2017 zu wenig ambitioniert. „Sechs Prozent Solarstrom in Kalifornien bis in zehn Jahren sind angesichts der Potenziale und der klimapolitischen Herausforderungen viel zu wenig“, kritisiert Gerber.
Aufgrund der Defizite der CSI und anderer Anreizprogramme von US-Bundesstaaten kommen den Steuerkrediten für Solaranlagen, die Washington noch bis Ende dieses Jahres einräumt, umso größere Bedeutung zu. Für kommerzielle PV-Anlagen wird ein ITC in Höhe von 30 Prozent der Nettosystemkosten gewährt, für Privatanlagen liegt die Grenze bei 2.000 Dollar. Seit über einem Jahr kämpfen die Solarlobby und Umweltschützer um eine sechs- bis achtjährige Verlängerung des ITC sowie um eine Anhebung der Abschreibbarkeit von Privatanlagen auf mindestens 4.000 Dollar. Mehrfach scheiterte der Versuch, die Steuer vergünstigungen für die Ölindustrie ein Stück zurückzufahren, um der Solarbranche einen Teil abzutreten. Bis heute ist die Ölindustrie praktisch steuerbefreit. Aus diesem Grund sind auch die Spritpreise mit derzeit 3,96 Dollar pro Gallon (entspricht 0,66 Euro pro Liter) nicht einmal halb so teuer wie in Europa. Und auch ein Großteil des Stroms wird mit Öl produziert. „Es ist beschämend für unser Land, wenn man sieht, wie stark die Öllobby immer noch die Politik bestimmt“, betont Adam Browning von der Nichtregierungsorganisation Vote Solar in San Francisco. Es sei kaum damit zu rechnen, dass sich unter dem jetzigen Präsidenten noch etwas Wesentliches bewege.
„Wir Großhändler sind uns alle einig, dass wir voraussichtlich im ersten Quartal 2009 wenig zu tun haben werden“, sagt Think-Solar-Chef Niewerth. Denn wenn die Steuerkredite wegbrechen und die Fördersätze im Vorreiterstaat Kalifornien weiter sinken, laufe nicht mehr viel. Zusätzlich zeichne sich jetzt schon ab, dass die Hersteller den Händlern weniger Module zuteilten. Schon jetzt sind in Lagern von Think Solar in Oakland und Texas die Module rar, und Niewerth wartet trotz der kriselnden Nachfrage dringend auf Ware. Auch Solarteur Gary Gerber, der im vergangenen Jahr zwei Megawatt verbaute, würde derzeit gerne mehr Module kaufen, wenn er sie nur bekäme. „Der US-Photovoltaikmarkt ist ein von den Produzenten gesponserter Markt, mit Angebot und Nachfrage hat das nur wenig zu tun“, unterstreicht Niewerth. Seine Erklärung: Die Hersteller kalkulieren, dass der große Durchbruch im US-Markt in ein bis drei Jahren statt findet. Deshalb haben sie begonnen, die Welt in zwei Märkte aufzuteilen, die USA und den Rest der Welt. In den USA werden die Module um circa einen Dollar günstiger als sonstwo an Großhändler und größere Installationsbetriebe verkauft, um den Markt überhaupt am Laufen zu halten. Aber aufgrund der weltweit hohen Nachfrage werden nur sehr wenige Produkte zur Verfügung gestellt. Die Unternehmen versuchen lediglich, einen Fuß im US-Geschäft zu behalten. Die circa zehn bis fünfzehn Modulhersteller, die im amerikanischen Markt sind, bedienen den hiesigen Markt mit fünf bis zehn Prozent ihrer Module. Den Rest verkaufen sie zu besseren Preisen in die Hauptnachfragemärkte, vor allem Spanien, Deutschland und Italien. Zusätzlich attraktiv ist dies durch das derzeitige Währungsgefälle zwischen US-Dollar und Euro. In den USA zu produzieren und in Europa zu verkaufen bringt einen Wechselkursbonus von 30 Prozent.
Den Großhändlern werden von den Herstellern allerdings Ketten angelegt: „Wir haben alle ein strengstes Verbot, irgendetwas nach Europa zu schicken“, berichtet Niewerth. „Wir müssen sogar überprüfen, dass unsere Kunden nichts nach Europa schicken. Ansonsten laufen wir Gefahr, unsere Lieferverträge zu verlieren.“
Hohe Kosten bremsen
Trotz alledem sind die Anlagenpreise in den USA mit 7.500 bis 14.000 Dollar pro Kilowatt meist deutlich höher als in Ländern wie Deutschland. Grund hierfür sind vor allem die hohen Installations- und andere Gemeinkosten, beispielsweise für Genehmigungen und Marketing. „Qualifizierte Installateure sind hier sehr rar und teuer. Zusätzlich treiben die hohen Beiträge zur Berufsgenossenschaft die Löhne nach oben“, sagt Niewerth. Mit einer sich abzeichnenden knapperen Modulzuteilung seien die Händler zudem gezwungen, ihre Verkaufspreise zu erhöhen, um zu überleben.
Hohe Klippen also, die für einen schnellen Marktdurchbruch der Photovoltaik in den USA noch zu nehmen sind. Auch für einen neuen Präsidenten, selbst wenn dieser Barack Obama heißt. Dass mittelfristig auch für den größten Ölverbraucher der Welt kein Weg an der Nutzung der erneuerbaren Energien und mehr Klimaschutz vorbeiführt, ist allerdings offensichtlich.
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