Eigentlich lieben Börsianer solche Unternehmen: Q-Cells hat den Umsatz um satte 59 Prozent auf rund 859 Millionen Euro gesteigert. Der operative Gewinn (EBIT) kletterte um 52 Prozent auf 197 Millionen Euro. Trotzdem wurden die Bitterfelder von den Aktienhändlern abgestraft.
Alleine mit den Börsenturbulenzen im Januar, als insbesondere Solartitel arg gebeutelt wurden und im Schnitt Kursverluste von rund 30 Prozent hinnehmen mussten, ist das nicht zu erklären. Schließlich war Q-Cells, mit Kurszuwächsen in Höhe von rund 170 Prozent, einer der Börsenstars im vergangenen Jahr. Zwar hatte auch der Branchenprimus bei der Talfahrt der Börsen einen Großteil der Wertsteigerung wieder eingebüßt. Mit der Vorlage starker Geschäftszahlen sollte dieser Trend allerdings wieder umgekehrt werden. Zumal die Aktie sich in der ersten Februarhälfte wieder stabilisiert hatte. Die Gesetze des Wertpapierhandels folgen allerdings einer anderen Logik.
Verwöhnte Börsianer
Sebastian Zank, Analyst der WestLB, verweist auf die extrem hohen Erwartungen der Börsianer an Q-Cells. Die Firma hatte in den letzten Jahren mit Umsatz- und Gewinnsteigerungen im fast durchweg dreistelligen Prozentbereich die Erwartungen stets übererfüllt. Das hatte unter anderem dazu geführt, dass der Anteilsschein des in den TecDax aufgestiegenen Unternehmens sich in den zwei Jahren seit dem Börsendebüt um fast 300 Prozent verteuert hatte. Der Index war in dieser Zeit nur um 50 Prozent gestiegen. Man habe das Unternehmen einfach „weit überschätzt“, sagt Zank. Der weitere Kursabsturz drücke die Enttäuschung darüber aus, dass keine positive Überraschung geboten wurde. Nun habe Q-Cells die „Bewertungsprämie“ aus dem Vorjahr komplett verloren und sei mit Sicht auf 2010 sogar günstig bewertet.
Für die Zukunft gut gerüstet
Nach Einschätzung von Karsten von Blumenthal, Analyst von SES Research, ist der Kursverlust aber kein Beinbruch. Zwar habe er seine Wachstumsprognose bei Vorlage der Geschäftszahlen nicht weiter angehoben. Dafür weise die Gesellschaft eine sehr gute Kostenstruktur auf, habe bereits einen Großteil der Produktion über langfristige Verträge verkauft und sich genügend Silizium gesichert, dem wichtigsten Rohstoff für die Produktion von herkömmlichen Solarzellen. Hier profitiere das Unternehmen von der engen Bindung zum norwegischen Silizi umproduzenten REC Renewable Energy Corporation. Zudem sei Q-Cells bei den verschiedenen Dünnschichttechnologien bereits gut aufgestellt.
Positiv bewertet von Blumenthal auch, dass das Unternehmen in diesem Jahr die Produktion in Malaysia aufnehmen will. Damit platziere man sich aussichtsreich vor Ort in einem vielversprechenden Markt und könne zudem Kosten sparen. Hier sieht er ohnehin eine besondere Stärke der Thalheimer. Dem Analysten zufolge gelingt es ihnen auf überzeugende Weise, die Effizienz und damit die Kostenstruktur ihrer Produktion zu verbessern. Dafür habe man sogar eine eigene Research-Linie eingerichtet. Dank Kostensenkungen von im Schnitt fünf bis zwölf Prozent werde Q-Cells seine Margen in den kommenden Jahren stabil halten können.
Chinesen ausgebremst
Hohe Margen haben auch für die chinesische Suntech Power oberste Priorität. Das Solarunternehmen aus Wuxi will 2008 Q-Cells als größten Solarzellenhersteller der Welt ablösen. Wie die Deutschen hatten auch die Chinesen in den letzten Jahren spektakuläre Zuwächse erzielt, die Erwartungen der Börsianer regelmäßig übertroffen, weshalb der Kurs der fast zeitgleich börsennotierten Suntech-Aktie rund 250 Prozent zulegte. Aber auch deren Anteilsschein stürzte 2008 massiv ab. Und obwohl das Unternehmen ebenfalls im Februar einen verdoppelten Jahresumsatz und einen Gewinnanstieg um rund 50 Prozent meldete, setzte sich die Talfahrt fort. Zum einen hatten die Aktionäre auch von Suntech noch mehr Zuwachs erwartet, zum anderen reagierten sie verschreckt auf die gesenkte Umsatzprognose. Das Unternehmen hatte im Februar einen Umsatzeinbruch in Höhe von 20 Millionen Dollar durch die Schneesturmschäden in China erlitten. Vor allem jedoch entschied sich die Führung von Suntech, den Ausbau der Produktion weniger zu beschleunigen als ursprünglich geplant. Denn sie hofft auf ein Absinken des Siliziumpreises.
Zweifel an chinesischer Strategie
Laut von Blumenthal haben sich die jungen Solarunternehmen aus China oft nur unzureichend mit langfristigen Lieferverträgen zu festen Preisen ausreichend mit Silizium eindecken können. Deshalb müssten sie große Mengen auf dem Spotmarkt einkaufen. Dort würden gegenwärtig mit rund 400 Dollar pro Kilo Rekordpreise erzielt. Das mindere die Kostenvorteile chinesischer Solargesellschaften wie Suntech. Der Analyst bezweifelt, dass das Unternehmen seine „exorbitant hohen Margen“ halten kann. Dieses hat bei der Vorlage der Geschäftszahlen mitgeteilt, lediglich 60 Prozent des benötigten Rohstoffs bereits zu festen Preisen eingekauft zu haben. Offenbar bezweifeln viele Börsianer, dass die Suntech-Strategie aufgeht und befürchten, dass die Chinesen entweder doch zulasten der Marge teuer einkaufen müssen oder eben sich der Produktionsausbau weiter verzögern wird. Zumal Suntech zum Teil Lieferverträge mit neuen Siliziumherstellern wie etwa der russischen Nitol Solar abgeschlossen hat. Die kann kaum Erfahrungen mit der Produktion des hochwer tig zu verarbeitenden Rohstoffes vorweisen. Über einen Börsengang am Londoner AIM wollte sie Mittel für eine Produktionsstätte in Sibirien aufbringen, musste diesen aber im Februar mangels Investoreninteresse absagen.
Allgemein gehen Experten für die nächsten Jahre von einem Preisverfall für Silizium aus. Aufgrund der massiv gestiegenen Nachfrage aus der Solarbranche haben die wenigen etablierten Hersteller dieses Rohstoffs einen starken Ausbau der Produktionskapazitäten eingeleitet. Der dürfte nach Einschätzung von Branchenkennern vielleicht schon 2009 greifen und zu sinkenden Siliziumpreisen führen, womöglich aber auch erst später (siehe auch Seite 14 ff.). Denn Hersteller wie Elkem oder REC haben bereits gemeldet, ihren Produktionszielen hinterher zu hinken. Auch könnte ein weiterer Nachfrageschub die zusätzliche Produktion aufsaugen. Das würde etwa der ebenfalls chinesischen LDK Solar einen Strich durch die Wachstumspläne machen.
Bilanzierung nicht nachvollziehbar
Die Solarwaferproduzentin aus Xinyu zählt unter anderem Q-Cells zu ihren Kunden. Sie wird vom Milliardär Xiafong Peng geführt, einem der reichsten Chinesen, und wurde von ihm im letzten Sommer an die Börse gebracht. Ihr war es Ende Februar sogar gelungen, mit einem Umsatzanstieg von über 200 Prozent und einem Gewinnzuwachs von 119 Prozent im Gesamtjahr sowie starken Zahlen für das IV. Quartal die Erwartungen der meisten Analysten zu übertreffen. Dennoch setzte sich auch der Preisverfall ihrer Aktie fort. Die US-Analystin Cheryl Tang von Goldman Sachs befürchtet, dass LDK Solar durch anhaltend hohe Siliziumpreise in 2008 und 2009 Gewinneinbußen erleiden wird. Denn das Unternehmen könne die hohen Ausgaben kaum an seine Kunden weitergeben, da es Lieferverträge mit Festpreisen eingegangen sei. Die Aktie der LDK ist aber wohl vor allem deshalb auf ihren Ausgabepreis und damit um 200 Prozent von ihrem Höchstwert zurückgefallen, weil sich die Zweifel an ihrer Bilanzierung der Siliziumreserven mehren. Etliche Analysten haben nach der Präsentation der Geschäftszahlen erklärt, diese Bilanzierung nicht nachvollziehen zu können.
Von der Siliziumproblematik unberührt ist die US-amerikanische First Solar aus Phoenix, Arizona. Sie produziert Dünnschicht-Module auf Basis von Cadmium-Tellurium-Halbleitern, die zwar nicht so effizient sind wie bei Silizium-Zellen. Die Produktionskosten sind jedoch um fast 50 Prozent geringer, auch können sie bei verschiedenen Temperatur- und Lichtverhältnissen eingesetzt werden. „Das Unternehmen verfügt als Einziges über eine industrielle Massenproduktion von Dünnschicht-Modulen und besitzt hier quasi eine Monopolstellung“, sagt SES-Experte von Blumenthal. Das verleihe ihm eine enorme Gewinn dynamik mit einem binnen kurzer Zeit verzehnfachten EBIT. Diese machte First Solar 2007 zum Börsenstar unter den Solarwerten. Deren Aktienkurs hatte sich nach dem Börsendebüt gegen Ende 2006 fast verzehnfacht, bevor er 2008 einbrach auf das Siebenfache des Startniveaus. Mit der Vorlage der Zahlen für das IV. Quartal stabilisierte sich der Wert des Anteilsscheins. Mit einem Kurs um 140 Euro und einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 80 ist er „sehr hoch bewertet“, findet von Blumenthal. Auch die Zahlen sind beeindruckend: Der Quartalumsatz wurde von First Solar vervierfacht, bei fast verachtfachtem Nettoerlös. Der Umsatz im Gesamtjahr stieg um über 300 Prozent, der Nettoerlös wurde vervierzigfacht von 4 Millionen auf 158 Millionen Dollar. Die Produktion an den Standorten in Ohio, in Deutschland und bald auch in Malaysia soll bis 2009 auf ein Gigawatt anwachsen, bei weiter fallenden Produktionskosten.
Sinkende Nachfrage
Doch wer soll die produzierten Mengen abnehmen? First Solar verkauft ihre Module zu 95 Prozent in Deutschland. Dort wird durch die angekündigten Änderungen im EEG die Vergütung für Solarstrom sinken und folglich die Nachfrage kaum weiter zunehmen. Gleiches gilt für Spanien, einem ebenfalls noch boomenden Solarmarkt. Laut Sebastian Zank von der WestLB kann das Unternehmen auch nicht auf einen erwachenden US-Markt hoffen. Dem stünden das dort weitläufig verbreitete Quotensystem und zu niedrige Steueranreize entgegen. Auch lasse sich dort Windstrom weitaus günstiger erzeugen. Zudem „müsste aus den USA schon eine Menge Nachfrage kommen, um den zu erwartenden Rückgang in Spanien und Deutschland zu kompensieren“, meint Zank. Auch werden Dünnschichtmodule weiter nur eine Nebenrolle spielen. Der europäische Solarenergieverband prognostiziert, dass ihr Anteil am Solarmarkt bis 2010 allenfalls auf 20 Prozent anwachsen wird, von acht Prozent in 2007.
Ersol Übernahmekandidat
Dennoch setzen immer mehr Unternehmen auf diese siliziumfreie Technologie. Etwa der Erfurter Solarkonzern Ersol Solar Energy. Der hatte im Februar für 2007 zwar unterdurchschnittliche Zuwächse beim Umsatz (plus 25 Prozent) und EBIT (plus 10,1 Prozent) gemeldet. Ersol kündigte jedoch für 2008 einen verdoppelten Umsatz, einen vervierfachten Gewinn und ein weiteres Wachstum an. Die Ersol-Aktie hatte danach kräftig zugelegt und einen Großteil der zuvor erlittenen Kursabschläge wieder aufgeholt. Stephan Wulf von Sal. Oppenheim sieht diese Pläne durch das 2008 noch stabile Marktumfeld gedeckt. Er bewertet auch den Ausbau von Ersol zu einem zunehmend integrierten Solarkonzern mit eigener Wafer-, Zell- und Modulproduktion positiv. Außerdem stelle sich das Unternehmen derzeit vielversprechend in dem Bereich Dünnschichttechnologie auf (s. Seite 52). Bei der Umstellung von einer Pilot- auf die Massenproduktion hatte das Unternehmen hier jedoch mit Problemen zu kämpfen. Es hängt daher laut Sebastian Zank bei der Produktion von Dünnschichtmodulen der Konkurrenz hinterher. Die Erfurter seien erst dabei, hier Marktreife zu erlangen. „Es fällt dem Unternehmen schwer, die Dünnschichtproduktion zum Laufen zu bringen“, stellt auch von Blumenthal fest. Beide Experten gehen davon aus, dass sich die Solarbranche in den nächsten Jahren konsolidieren wird. Aufgrund der eher geringen Größe sei Ersol da ein Übernahmekandidat. Zumal der Ventizz Capital Fund II Mehrheitsaktionär des Unternehmens ist. Und solche Wagniskapitalgeber legen es letztlich darauf an, ihre Beteiligungen zu verkaufen.
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