Vom Mangel in die Überkapazität – was gerade am Markt für Heimspeicher passiert

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Die gerade los rollende Welle in China wird auch in Europa starke Auswirkungen haben. Großhändler haben viel zu viel Ware auf Lager und können diese nicht oder nur mit massiven Preisabschlägen verkaufen. Der Markt der Heimspeicher-Hersteller geht in eine heftige Konsolidierungsphase. Auch wenn viele Hersteller verschwinden werden, diese Bereinigung wird dem Markt guttun und nachhaltig agierende Hersteller, Großhändler und Installateure werden ihren erfolgreichen Weg weitergehen.

Meine Eindrücke speisen sich aus einer Chinareise mit vielen Unternehmensbesuchen sowie Gesprächen mit zahlreichen chinesischen und deutschen Akteuren im Heimspeichermarkt. Wenn wir uns an die Situation im letzten Jahr oder im ersten Halbjahr erinnern, denken wir an Materialmangel, die langen Lieferzeiten und an steigende Kosten. Die aktuelle Situation ist jedoch eine komplett andere: Der Markt hat sich gnadenlos gedreht. Viel zu viele Anbieter produzieren (produzierten, muss man in den meisten Fällen sagen) viel zu viele Stromspeichersysteme. Das gilt ganz besonders für das Heimspeichersegment, denn diese Ware liegt jetzt in den Lagern in Deutschland, in den Lagerhallen der Häfen und in den Lagern der Hersteller selbst in China. Aber jetzt stehen dort die meisten Bänder still. Nicht weil Material fehlt, im Gegenteil, es ist von allem genug da, sondern weil der Markt diese Produkte in diesen Mengen nicht brauchen kann.

Welche Relevanz haben die unzähligen kleinen neuen Hersteller, die auf der Electrical Energy Storage (ees) Messe in München ihr Glück versucht haben? Oder welches nachhaltige Potenzial und welche wirkliche Daseinsberechtigung als Batteriehersteller haben asiatische Hersteller von anderen Produkten wie Wechselrichtern, Photovoltaik-Modulen oder IT-Hardware, die seit einigen Monaten versuchen in den Heimspeichermarkt vorzudringen? Insbesondere in einer Marktumgebung, in der sie alle zusätzlich ihre eigenen Preis- und Mengenherausforderungen bei ihren Kernprodukten haben.

Immer die selbe Leier

Wichtig ist hier zu verstehen, wie China bei neuen Industrien und potenzialträchtigen Produkten tickt. Dieses Land – dreimal so groß wie ganz Europa – lässt den Turbokapitalismus mit all seinen negativen Ausprägungen ungebremst wirken. Das wurde mir während meiner damaligen Arbeit in China bei einem deutschen Fahrzeughersteller, während intensiver Zusammenarbeit mit Batterieherstellern und vielen Besuchen in den letzten zwölf Jahren immer deutlicher bewusst. Das Drehbuch ist häufig dasselbe: Investoren oder bestehende Hersteller anderer Produkte werben Personal oder ganze Teams von anderen Speicherherstellern ab. Da werden hohe Gehälter aufgerufen – und üppige Aktienoptionen, weil sie ja schon nach wenigen Jahren an die Börse strömen. Jeder in China kennt jemanden, der über solche Optionen schnell zu viel Geld gekommen ist und das will nachgeahmt werden. Die Lokalregierungen der Städte und Regionen spielen kräftig mit und wissen um den harten Wettbewerb untereinander. Sie werben intensiv um die Speicher-Neulinge und unterstützen sie kräftig mit Steuergeldern in Form von kostenfreien Grundstücken, vergünstigten Krediten und weiteren Subventionen. Banken und Investoren schießen Geld rein. Und schon sprießen die Fertigungsstätten aus dem Boden. Viel Ware wird produziert und nach Europa geschickt, denn hier war das Marktversprechen noch vor einem Jahr, dass jede Heimspeicherbatterie gebraucht wird und ihren Abnehmer findet.

Ziel der Lokalregierungen ist es immer, einen lokalen Weltmarktführer zu kreieren, der viele Arbeitsplätze schafft und später kräftig Steuern zahlt. In diesem Modell entstanden in kurzer Zeit unzählige neue Speicherhersteller oder eben Speicherabteilungen bestehender Unternehmen.

Wie gehen diese Geschichten dann weiter – und was passiert dort gerade jetzt?

Zuerst wird folgende Erfahrung gemacht: Einfach Speicher nach Europa karren – nach dem Motto „die verkaufen sich da schon“, funktioniert zur Überraschung der Akteure plötzlich nicht mehr. Und Kunden wollen mehr als irgendeine stapelbare Batterie mit Wechselrichter. Sie wollen eine langfristig sichere Investition und einen fähigen Service, wenn mal was nicht läuft – was bei jungen Produkten schon mal vorkommt. Also tut man sich mit Originalmarke oder auch OEM unter europäischer Marke schwer, das Produkt im Großhandel und bei Installateuren zu platzieren. Bleibt noch der Versuch, direkt online an den Endkunden heranzukommen.

Doch mit der Zeit steigt auch der Druck, weil die Batterien eine Art „Ablaufdatum“ haben: Die Technik und auch die Garantiebedingungen erfordern es, den jeweiligen Speicher innerhalb einer gewissen Zeit nach der Herstellung zu installieren. Und diese Deadline nähert sich gerade. Also werden in den Lagern fleißig Batterien ausgepackt und nachgeladen. In diese Lager kommt keine Frischware mehr nach. Das bedeutet, in China stehen die Bänder still.

Vor allem bei den kleinen und neuen Herstellern oder Abteilungen, die noch keine etablierte Kundenstruktur, einen meist an Dienstleister ausgelagerten Service und keine besonderen Energiemanagementfunktionen haben, geht’s dann auch wieder ganz schnell. Stillstand.
Schon nach wenigen Wochen oder Monaten werden die unausgelasteten Fertigungen wieder geschlossen und die Arbeiter nach Hause geschickt. Das Managementpersonal sieht, wie sich die Aktienoptionen in Luft auflösen und ist schnell wieder weg. Die Versprechen wie Arbeitsplätze, Renditen und Steuern können nicht gehalten werden. Die Lokalregierungen versenken häufig hohe Millionenbeträge in diese, wie wir jetzt wissen, Investitionsruinen.

Und dann gibt es noch ein paar gravierende Zweitrundeneffekte. Häufig wurde das Produktionsequipment oder die Batteriezellen und weitere Komponenten noch nicht komplett bezahlt. Dann zieht es zudem die Lieferanten mit in den Insolvenzstrudel und da auch die Kredite platzen, gelten diese neuen Speicher-Player in China schon jetzt als Hochrisikoinvestment, in das keine Bank oder kein Investor mehr frisches Geld steckt. Insider erwarten, dass die allermeisten dieser neuen chinesischen Speicherhersteller oder auch deren europäische Marken in den nächsten Monaten wieder verschwinden werden.

Worauf sollten Käufer achten?

Wieder der Blick hierher zu uns gerichtet: Was ist also von den vielen neuen Anbietern aus China zu erwarten? Wie hochwertig sind Speicher von Neueinsteigern in den Speichermarkt, selbst wenn es Töchter von etablierten Herstellern anderer Produkte, aber ohne Batterieerfahrung sind? Werden sie ihre Garantieverpflichtungen erfüllen können? Werden sie dafür auch in mehreren Jahren noch das entsprechende Personal haben? Werden sie den Installateur oder Großhändler schützen, wenn er in Gewährleistung für das gelieferte Produkt genommen wird? Und wer würde bei einem Sicherheitsvorfall haften? Wollen Kunden einen chinesischen „Nach-Hause-Telefonierer“ in ihrem privaten Heimnetzwerk haben? Wenn chinesische IT-Infrastruktur-Ausstatter wegen Sicherheitsbedenken von Deutschland und der EU ausgeschlossen werden, beunruhigt das auch die privaten Speicherinteressenten.

Die Rolle rückwärts in der chinesischen Speicherindustrie wird sich sicher auch im europäischen und deutschen Markt auswirken. Es wird Installateure treffen, die den Endkunden gegenüber in der Pflicht stehen und einen Ruf zu verlieren haben und Großhändler, die solche Produkte empfohlen haben, vor allem aber die häufig viel zu viel Ware auf Lager haben und diese nicht oder nur mit massiven Preisabschlägen oder im Rahmen von Aktionen verkaufen können. Die Älteren in der Branche erinnern sich noch an das Großhändlersterben in den frühen 2010-er Jahren, das ebenfalls durch Lagerbestandsabwertungen ausgelöst wurde.

Aber nein, es ist jetzt nicht plötzlich alles schlecht und schwierig. Im Gegenteil, es gibt ja eine starke Nachfrage nach hochwertigen Prosumer-Anlagen und viele nachhaltig aufgestellte Installateure und Händler, die sich genau anschauen, wie zuverlässig ihr Speicherhersteller aufgestellt ist. Die Kernformel wird lauten: Kernmarkt und Kernprodukt.

Ist der deutsche Heimspeichermarkt der Kernmarkt des Unternehmens, weil es vielleicht auch hier seinen Sitz hat? Oder agiert der Hersteller aus dem fernen Ausland – und der Markt hierzulande steht im internen Wettbewerb zu anderen Regionen?

Und ist der Heimspeicher mit allem, was es an eigenem Serviceteam, über die reine Photovoltaik-Eigenverbrauchsoptimierung hinausgehenden Funktionen und Erweiterungsmöglichkeiten braucht, das Kernprodukt des Unternehmens? Oder ist das nur ein „Nebenkriegsschauplatz“ oder „versuchter Markteintritt“, der bei zunehmenden Herausforderungen im Kerngeschäft, wie zum Beispiel massiv fallenden Photovoltaik-Modulpreisen, zum Ballast werden und entsprechend abgestoßen werden könnte? Wenn es weder Kernprodukt noch Kernmarkt sind, dann sollten Kunden die anstehenden schwierigen Entscheidungen des Herstellers zumindest in Szenarien durchdenken und vorbereitet sein. Die etablierten Hersteller, die sich dem deutschen und europäischen Speichermarkt mit Haut und Haaren verschrieben haben, werden auch in raueren Zeiten standhaft, zuverlässig und fokussiert bleiben. Das viele verbrannte Geld und Vertrauen in Chinas Heimspeicherindustrie – die ja dort keinerlei Heimatmarkt hat – werden die schrittweise Erweiterung der Fertigungs- und Wertschöpfungsstufen europäischer Hersteller fördern. Wenn jetzt einheimische Hersteller, Händler und Installateure den Schulterschluss suchen, wird dieser „perfekte Sturm“ an uns vorüberziehen und zu einer Renaissance der europäischen Erneuerbaren-Industrie beitragen.

Franz-Josef Feilmeier

— Der Autor Franz-Josef Feilmeier gründete 2011 im Alter von 28 Jahren die Fenecon GmbH, mit dem Ziel, Strom aus Erneuerbaren Energien intelligent zu nutzen, Stromnetze zu entlasten und die Zukunft für nächste Generationen zu sichern. Fenecon ist mit heute rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einer der führenden Stromspeicher- und Energiemanagementhersteller für den Heimbereich, Gewerbe und Industrie. https://fenecon.de 

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