50 Grad im Schatten, flimmernde Hitze über dem Sand, schattige Straßen und helle Gebäude, die ohne Kohlendioxidausstoß mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen, und sich nach der Sonne ausrichten. So stellen sich die Regierenden der Vereinigten Arabischen Emirate das zukünftige Leben in der Wüste vor. Dass es sich hierbei um keine Fata Morgana, sondern um fassbare Realität handelt, kann jeder Besucher sehen, der durch diese Länder reist. Rund 25 Prozent aller weltweit im Einsatz befindlichen Baukräne stehen derzeit in den Emiraten, bewegt von über 100.000 Leiharbeitern aus dem nahen Pakistan, die rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr an den verschiedenen Zukunftsprojekten arbeiten. Mit grünen Megaprojekten wollen die Ölscheichs ihre Emirate zum weltweiten Mekka für erneuerbare Energien entwickeln. Maßgebliche Pilotprojekte sind die Green-Building-Richtlinie in Dubai, die an der ökologischen Bilanz von Gebäuden ansetzt, sowie die Masdar-Ini tiative in Abu Dhabi, welche neue Wege einer ökologischen Urbanisierung geht.
Neue Richtlinie
Mit Luxus und Verschwendung produzieren die Bewohner der Vereinigten Arabischen Emirate heute pro Kopf jährlich 44,11 Tonnen Kohlendioxid und verbrauchen 219.000 Liter Wasser sowie 17.000 Kilowattstunden Strom und führen damit die negativen Ranglisten weltweit an. Experten vor Ort gehen davon aus, dass sich dieses Leben im Überfluss schon in naher Zukunft ändern könnte, da seit der Kabinettsumbildung 2006 erstmals ein Umweltministerium auf föderaler Ebene in den Emiraten gesetzliche Regelungen und Vorschriften im Bereich Umweltschutz formuliert. Infolgedessen erließ der Herrscher von Dubai, Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum, eine Green-Building-Richtlinie, die seit dem 1. Januar 2008 für alle neu errichteten Gebäude gilt. Derzeit laufen Gespräche mit Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen, um spezifische Inhalte, die bisher nicht definiert wurden, durch konkrete Vorgaben zu ersetzen, die sich wahrscheinlich an den Standards des US Green Buildings Council orientieren werden.
Magnet für Solarunternehmer
In Erwartung des daraus resultierenden Marktes – alleine in Dubai warten Bauvorhaben im Wert von rund 300 Milliarden US-Dollar auf ihre Umsetzung – haben sich bereits rund 35 Solarunternehmen in der Region angesiedelt. Neben dem einzigen Hersteller von Solarzellen Microsol International aus der Fujairah Free Trade Zone, der über eine Fertigungsanlage mit einer Kapazität von 45 Megawatt verfügt, haben insbesondere Großhändler und Systemintegratoren aus dem In- und Ausland Solarprodukte in ihr Angebot aufgenommen. Hinzu kommen wöchentlich neue Büros internationaler Solarkonzerne, die Netzwerke aufbauen wollen. „Ohne Werbung und Präsenz vor Ort sind Solarprodukte in der Region noch nicht zu verkaufen“, erklärt Jörg Westphal. Der Vizepräsident von Schüco International zeigte sich daher auf dem World Future Energy Summit (WFES08) Mitte Januar in Abu Dhabi zuversichtlich, dass Schüco bis Ende 2008 auch ein erstes Bauobjekt realisieren könne, bei dem fassadenintegrierte Dünnschichttechnik zum Einsatz komme. Ist erst einmal der Anfang gemacht, könnten weitere folgen, so die Hoffnung.
Große Pläne
An konkreten Ideen, die teilweise recht futuristische Züge aufweisen, mangelt es in den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht. Im Herzen des Dubai International Financial Centre (DIFC) beispielsweise soll das energieeffiziente Bürogebäude „Lighthouse“ entstehen. Mithilfe von internationalen Beratern entwarf das Planungsbüro Atkins ein 400 Meter hohes Bürogebäude. Durch entsprechende Architektur und Dämmmechanismen soll das Hochhaus mit 66 Stockwerken 65 Prozent weniger Energie und 35 Prozent weniger Wasser verbrauchen als vergleichbare Gebäude in Dubai. Außerdem sollen zehn Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Neben Windturbinen sollen auf dem südlichen Teil der Glasfassade, die die beiden Seitentürme des Gebäudes verbindet, 4.000 Photovoltaikmodule angebracht werden. Auch für den so genannten „Rotating Tower“ ist der kombinierte Einsatz von Windkraft und Photovoltaik geplant. Das 313 Meter und 68 Stockwerke hohe Gebäude, mit Penthäusern, Hotelzimmern und Büroräumen, ist ebenfalls für Dubai geplant. Dabei soll das Gebäude durch erneuerbare Energien mehr Strom produzieren, als es selbst verbraucht. Der Entwurf des Florentiner Architekten David Fisher erinnert an aufeinandergesetzte Ringe, die je einem Stockwerk entsprechen. Jede dieser Etagen soll sich innerhalb von 90 Minuten einmal um 360 Grad drehen, daher auch der Name des Gebäudes. Damit verändert das 350 Millionen US-Dollar teure Gebäude regelmäßig sein Aussehen. „Sie werden vielleicht nie zweimal das gleiche Gebäude sehen“, so Fisher. Ob der Rotating Tower jedoch tatsächlich gebaut wird, darüber wird derzeit erst noch verhandelt. Der Bau eines „Energy and Environment Park“ (Enpark) befindet sich hingegen schon in der Planungsphase, und die Bauar beiten sollen bis 2010 abgeschlossen sein. In dem Park, der Büroflächen und Wohnräume beinhalten soll, werden erneuerbare Energien eine wichtige Rolle spielen. Bereits im Bau befindet sich seit Oktober letzten Jahres der Hauptsitz des internationalen Unternehmens Dubai Biotechnology and Research Park. Nach der Fertigstellung 2009 ist die Firmenzentrale voraussichtlich das größte nach modernen Umweltstandards errichtete Gebäude der Welt. Zudem wird es das erste ökologische Gebäude des Nahen Ostens und das 16. weltweit sein, das die Platin-Auszeichnung des LEED-Programmes (Leadership in Energy and Environment Design) des USGBC-Rates (US Green Building Council) erhält.
22 Milliarden für Masdar
Ortswechsel, Abu Dhabi: Auf einer sechs Quadratkilometer großen Geröllfläche in Sichtweite des internationalen Flughafens von Abu Dhabi setzen sich die ersten Bulldozer in Bewegung, um die Grundlagen für Masdar-City zu ebnen. Ein Projekt, welches – gemäß dem Grundsatz: „Nicht kleckern, sondern klotzen!“ – weltweite Maßstäbe in Sachen Klimaschutz setzen soll. Masdar-City (Masdar: Ursprung oder Quelle) ist Teil der Masdar-Initiative, die im April 2006 als 100-prozentige Tochter des Staates Abu Dhabi gegründet wurde und über ein geplantes Budget von 22 Milliarden US-Dollar verfügt. Darin enthalten sind 15 Milliarden US-Dollar, die vor allem der Erforschung projektbezogener, klimafreundlicher Energien zugute kommen. Konkret sollen damit neue Technologien nicht nur entwickelt, sondern direkt vor Ort zur Marktreife gebracht werden. „Masdar wird eng mit führenden Firmen und Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten“, versichert Sultan Ahmed Al-Jabar, Leiter der Initiative, „um bei erneuerbaren Energien weltweit Marktführer in der Entwicklung und Produktion zu werden“. Nach seiner Ansicht gibt es derzeit keine vergleichbare Initiative, welche Forscher, Unternehmen und Finanziers konzentrierter zusammenbringt, um die Energieprobleme der Welt zu lösen. Im Boot sind bereits Forschungseinrichtungen, wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) aus Köln, das Tokyo Institute of Technology, die Columbia Universität aus New York und die Technische Universität Aachen, die vor allem ihre Expertise in der interdisziplinären Energie- und Wasserforschung einbringen wird. Wichtiger Forschungsschwerpunkt im Rahmen von Masdar ist die Wiederverwertung und Einlagerung von Kohlendioxid. Mit zunehmendem Abbau der Erdölvorräte entstehen in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausge pumpte, leere Ölfelder, in denen das Kohlendioxid unterirdisch gespeichert werden könne, wie Barbara McKee vom Direktionsbüro für die Zusammenarbeit bei erneuerbaren Energien des US-Energieministeriums berichtet.
Völlig neues Konzept
Wie aber wird das Leben in einer kohlendioxidfreien Stadt aussehen, die ohne Autos auskommen will? Alleine für die Schaffung der Infrastruktur sind nach Aussagen des britischen Stararchitekten Sir Norman Foster vier Milliarden US-Dollar geplant. 30 Prozent der Fläche werden Häuser, 24 Prozent Wirtschafts- und Forschungsraum und 13 Prozent Unternehmen einnehmen. Das „Masdar Institute of Science and Technology”, eine technische Hochschule, die sich ausschließlich erneuerbaren Energien widmet, benötigt selbst eine Fläche von sechs Prozent. Weitere 19 Prozent der Fläche entfallen auf Service- und Transportleistungen wie die geplante Hochbahn. Die restlichen acht Prozent sind für städtische und kulturelle Einrichtungen vorgesehen. Alle Bauvorhaben entsprechen dabei den Kriterien von „One Planet Living“ des WWF, die neben einer 99-prozentigen Reduzierung von Abfällen, einem Transportwesen ohne Kohlendioxidemissionen und der Verwendung nachhaltiger Baumaterialien auch die komplette Energieversorgung durch regenerative Energien vorsehen.
Gewöhnungsbedürftig an dem Konzept von Foster, der die Stadt für 50.000 Menschen geplant und entworfen hat, dürfte insbesondere die Symbiose zwischen Lebens-, Freizeit- und Arbeitsraum sein. Denn neben den eng aneinander liegenden Wohngebäuden, die von kleinen Bächen und palmenbeschatteten Plätzen unterbrochen werden, sollen rund 1.500 Unternehmen in dem urbanen Lebensraum ihr neues Zuhause finden.
Kurze Wege zwischen Arbeit und Familie, luxuriöse Wohnstätten und eine Palette an Freizeitangeboten werden laut Foster den Managern, Forschern und Arbeitern das nötige Ambiente bieten, um sich rundherum wohl zu fühlen. Foster hat dabei auf seine umfangreichen Erfahrungen aus früheren Projekten zurückgegriffen. So erstellte er für die Freie Universität Berlin bereits die Grüne Bibliothek und für die Stadt Duisburg den Plan einer energiearmen Stadt.
Damit Unternehmen die Entscheidung erleichtert wird, sich mit ihren Mitarbeitern und Familien in der Enklave niederzulassen, werden finanzielle Anreize geschaffen. Über Freihandelszonen kön nen in Masdar-City ansässige Unternehmer nicht nur eine 100-prozentige Eigentümerschaft an ihren Firmen erhalten, sondern auch das eingesetzte Kapital und die daraus resultierenden Erträge an jeden Ort der Welt transferieren. Zudem sind sie und ihre Mitarbeiter von allen Einkommens- und Körperschaftssteuern befreit. Ein Paradies für alle Steuerzahler. Auch langwierige Genehmigungsverfahren wird es nicht geben. „Man muss die Unternehmensleitungen überzeugen, dass es besser und sicherer ist, bei uns zu forschen und zu produzieren, anstatt in den Weltmetropolen von Indien oder Pakistan“, erklärt Ismail Al Naqi, Direktor der neuen Outsourcing-Zone in Abu Dhabi, die Erfolgsstrategie.
Dabei muss trotz der Wüste kein Bewohner auf Luxus verzichten. Gedeckt werden soll der Energiebedarf von Masdar-City im Wesentlichen aus großen Wind- und Solaranlagen. Ergänzend werden die Wohnhäuser mit Photovoltaikanlagen bestückt. Wärmepumpen befördern mit Hilfe von Bodensonden die Kälte tieferer Erdschichten an die Oberfläche und reduzieren damit den Energiebedarf der Klimaanlagen. Insgesamt soll die Temperatur in Masdar-City im Durchschnitt circa 20 Grad Celsius niedriger liegen als in Abu Dhabi Stadt, was durch eine enge Bauweise der niedrigen Häuser sowie Überdachungen der Gehwege mit in Netzen eingespannten Dünnschichtmodulen noch unterstützt wird. Geplant ist auch, den Wasserverbrauch um 60 Prozent niedriger zu halten als in einer vergleichbaren Stadt.
Derzeit läuft zudem die Ausschreibung für das größte Solarkraftwerk der Welt. Zunächst auf 100 bis 150 Megawatt ausgerichtet, soll die Anlage mittelfristig auf 200 Megawatt erweitert werden. Zum Einsatz kommt dabei zu einem Drittel Solarkonzentratorentechnik, die im Rahmen eines solarthermischen Kraftwerks mit Hilfe von Turbinen und Flüssigsalztanks als Wärmespeicher rund um die Uhr Energie liefert. Elf Firmen haben sich im Januar für die Errichtung beworben. Die restlichen zwei Drittel des Solarkraftwerks werden in den so genannten „Power Plants“ mit Dünnschicht- und kristallinen Modulen installiert.
Erfurt baut mit
Schon 2009 soll im Land die Dünnschichtproduktion mit einer Jahrskapazität von 140 Megawatt starten. Auch für den eigenen Siliziumnachschub könnte dann gesorgt sein: Rund 6.000 Tonnen jährlich sollen hier zukünftig hergestellt werden. Die eigene Zell- und Modulproduktion ist auf 800 Megawatt ausgerichtet, für die derzeit Betreiber gesucht werden. Mehrere große deutsche und internationale Hersteller haben allerdings bereits abgelehnt. Ihnen sei das Konzept zu gefährlich, da sie Angst um das eigene Fachwissen hätten, klagen Verantwortliche. Dass sich die Araber von solchen Rückschlägen nicht aufhalten lassen, zeigt die Nachricht von Ende Mai, in der die Initiative ankündigt, 600 Millionen US-Dollar in drei SunFab-Linien von Applied Materials investieren zu wollen. Von den drei Dünnschichtproduktionslinien mit einer geplanten Kapazität von 210 Megawatt soll eine in Erfurt errichtet werden und in der zweiten Jahreshälfte von 2009 die Produktion aufnehmen. Die beiden anderen Linien entstehen bis 2010 in Abu Dhabi. Die Investition soll es Masdar nach Aussage von Sultan Al-Jabar ermöglichen, in dem wichtigen Schlüsselmarkt Dünnschicht eine führende Rolle einzunehmen.
Wettkampf um Mega-Auftrag
Bei der Wahl der eingesetzten Technik betreiben die Scheichs einen hohen Aufwand. Um die richtigen Produkte für die schwierigen Witterungsbedingungen in der Wüste zu finden, wurde im Januar 2008 der weltweit größte Test von Solarmodulen gestartet. Unter Aufsicht des deutschen Technischen Überwachungsvereins (TÜV Rheinland) haben hier 35 internationale Hersteller jeweils eine Einkilowattanlage mit Dünnschicht-, mono- und polykristallinen Modulen in den Wettbewerb geschickt. Jede Anlage verfügt über einen Wechselrichter von SMA.
Abgeschlossen wird die Versuchsreihe im Sommer 2009. Dann wird Sultan Ahmed Al-Jabar, Leiter von Masdar, den Gewinner bekannt geben. Dieser erhält ein lukratives Geschäft, betrachtet man die geplante Anlagengröße. Der Generalunternehmer, der anschließend die Photovoltaikanlagen im Rahmen von Masdar errichten und auch dafür haften soll, darf nämlich nur auf Module zurückgreifen, die im Test Spitzenplätze erreicht haben.
Bei solch sonnigen Aussichten müssten die arabischen Solarunternehmen in eine erfolgreiche Zukunft blicken. Aber Abdullah Saeed Al Rahbi, Vorstandsvorsitzender des Systemintegrators Nashwan aus Abu Dhabi, lächelt bei dieser Frage nur zurückhaltend. Sein Unternehmen konzentriert sich, wie die meisten Anbieter, derzeit noch auf Kühlsysteme, Schulprojekte der Regierung und Telekommunikationsanlagen der Armee. Nashwan habe, bestätigt er, obwohl es keinen offiziellen Markt gebe, zwar bereits über ein Megawatt in Off-Grid-Photovoltaikanlagen verbaut. Wie und wann der große Boom wirklich kommen werde, sagt der Unternehmer, wisse aber keiner genau. Denn gewisse arabische Mentalitäten seien schwer einschätzbar.
Ganz auf erneuerbare Energien will sich Sultan Ahmed Al-Jabar nämlich nicht verlassen. Für ihn sind erneuerbare Energien kein vollständiger Ersatz für andere Energieformen, sondern eine sinnvolle Ergänzung. „Wir denken bei unserem Vorhaben auch an die nächsten Generationen. Die alternative Energie wird dazu dienen, die Lebensdauer der Reserven zu verlängern“, erklärt Al-Jabar seine Philosophie.
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