Bitte Punkt zwei beachten

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Seit 2002 führt mein Unternehmen regelmäßig eigene Belastungsversuche an verschiedensten Dachhaken durch. Die meisten der in der Juni-Ausgabe von pv magazine (Seite 98) dargestellten Beobachtungen kann ich somit aus eigener Erfahrung bestätigen.
Ein großer Teil der verfügbaren und verwendeten Dachhaken erfüllt in der Praxis nicht die in sie gesetzten Erwartungen. Nachgebende Dachhaken verursachen unserer Beobachtung nach die absolute Mehrzahl der Probleme bei Ziegeldach-Unterkonstruktionen. Für den sachgerechten Einsatz von Dachhaken ist es daher unbedingt erforderlich, deren genaues Verhalten und die damit verbundenen Anwendungsgrenzen im realen Einsatz zu kennen. Die angestoßene Diskussion zeigt hierbei genau in die richtige Richtung.
Belastungsgrenzen einfach ablesen
Planer und Installateure können sich aber nur dann eingehender mit den Bewegungen und Verformungen von Dachhaken vertraut machen, wenn die Hersteller ihnen umfassendere Informationen und Dimensionierungshilfen zur Verfügung stellen. Mein Vorschlag dafür sind Belastungs-Verformungs-Diagramme für verschiedene typische Montagesituationen, wie die mittige und die außermittige Montage auf einem Holz-Sparren beziehungsweise einer Holz-Konterlattung. Um ein solches Diagramm zu erstellen, benötigt man eine Versuchsanordnung, wie im Juni-Test gezeigt. In unserer eigenen, übrigens mobilen Versuchsanordnung wird die Last mit Gurten auf den jeweiligen Dachhaken übertragen. Dann messen wir an drei Punkten die Verformung des Hakens. Messpunkt eins entspricht dabei dem Messpunkt im Versuch von pv magazine (siehe Abbildung oben).
Eines machen wir jedoch anders: Auch Messpunkt zwei kann bei bestimmten Formen von Dachhaken relevant sein. Punkt drei ist der Befestigungspunkt für die Modulschienen. Da er sich unter Last am stärksten bewegt, hat er ebenfalls große Bedeutung für die Stabilität des Generatorfeldes.
Es wäre daher empfehlenswert, bei Untersuchungen von Dachhaken nicht nur die Bewegungen im unteren Abschnitt zu dokumentieren, sondern gleichzeitig auch das Verhalten oben im Anschlussbereich der Montageschiene mit zu erfassen. Als Ergebnis erhält man sehr anschauliche und für den Anwender einfach verständliche Belastungs-Verformungs-Diagramme, die sich auf den Datenblättern der Dachhaken darstellen ließen, jeweils für den Fall einer mittigen und einer außermittigen Sparrenmontage.
Auch bei Solarmodulen und Wechselrichtern liefern die Hersteller dem Planer, Installateur und Endkunden Datenblätter mit Leistungskurven bei relevanten Betriebsbedingungen. Warum also nicht auch derartige kompakte Informationen für eine Abschätzung der Anwendungsgrenzen bei Montagekomponenten?
Unterlegziegel sind keine Lösung
Meiner Meinung nach muss man aber noch etwas berücksichtigen: Die bei schwingenden Dachhaken-Bauformen oft zu hörende Empfehlung, zwischen Dachhaken und Ziegel fünf Millimeter Luft zu lassen, ist in der Praxis häufig schwierig zu realisieren. Geringste Abweichungen haben große Auswirkungen. Wenn nach dem Einbau an einer Stelle der geringste Abstand zum Beispiel nur vier oder drei Millimeter Luft beträgt, ist die Herstellervorgabe bereits um 20 Prozent oder sogar 40 Prozent unterschritten! So viel Sicherheitszuschlag gibt es in den wenigsten technischen Berechnungen. In den Grenzbereichen der Dachhakenbelastung gibt häufig auch die Holzunterlage etwas stärker nach. Mit anderen Worten: Es wird in solchen Fällen zu Ziegelbelastungen und Ziegelbruch kommen. Für eine punktuelle Belastung durch Dachhaken gibt es bei herkömmlichen Ziegeln meist keine Freigaben oder Angaben der Ziegelhersteller.
Die Verwendung von Unterlegziegeln aus dünnem Blech ist nach meiner Einschätzung eher keine durchdachte Lösung, um das Problem an der Wurzel zu fassen. Denn selbstverständlich gibt es auch bei Blech-Unterlegziegeln eine Belastungsgrenze. Aber die Hersteller derartiger Blechziegel geben diese nicht an. Man verlagert also das „Pi-mal-Daumen-Problem“ der wenig auskunftsfreudigen Dachhakenhersteller einfach auf die auch wenig auskunftsfreudigen Hersteller der Unterlegbleche.
Um aus der Pi-mal-Daumen-Betrachtungsweise herauszukommen, müssten die Hersteller der Blechziegel ihrerseits angeben, wie stark die Blechziegel punktuell von einem schwingenden Dachhaken belastet werden dürfen, ohne dass eine Beschädigung der Blechbeschichtung oder eine ungewollte Blechverformung auftritt.
Besonders trügerisch erscheint eine durch Unterlegbleche vermutete Sicherheit bei Biberschwanzziegeln. Denn hier führen auf den Blechen aufliegende Dachhaken dazu, dass die mehrlagig verlegten Ziegel auch außerhalb des Bereiches der Blechziegel brechen und Undichtigkeiten auftreten.
Zu guter Letzt verhindert ein Blech-Unterlegziegel bei schwingenden Dachhaken-Bauformen auch nicht die deutlichen Bewegungen im oberen Abschnitt eines Dachhakens (Punkt zwei). Diese führen zu bedeutenden zyklischen Bewegungen der gesamten Unterkonstruktion.
Bewegung lockert Modulklemmen
Die über die Jahre immer wiederkehrenden zyklischen Auf- und Abbewegungen der Dachhaken und damit der Montageschienen führen zu ungewollten Verspannungen im Bereich der Modulhalteklemmen und begünstigen auch deren allmähliches Abrutschen. Je nach Bewegungsrichtung ergeben sich im Laufe der Zeit entweder sichtbare Lücken zwischen Modul und Halteklemme oder es entsteht bei entgegengesetzter Bewegungsrichtung eine stärkere und meist unerwünschte seitliche Pressung der Module, wenn die Rahmenkanten immer dichter zusammenrücken.
Hersteller von Photovoltaikmodulen machen mitunter genaue Vorgaben, wie groß die Auflageflächen der Modulhalteklemmen und das Anzugsdrehmoment von Schrauben für eine schonende und sichere Modulklemmung sein müssen. Deren Einhaltung ist auch wichtig, denn die zulässigen Haltekräfte von Modulhalteklemmen sind relativ gering: Bei Randklemmen zum Beispiel nur etwa 0,23 Kilonewton, das sind etwa 20 Kilogramm. Dies ist insbesondere bei Modulen mit großen Abmessungen und hohen Eigengewichten kritisch zu sehen. In gewissen Montagesituationen sind Photovoltaikanlagen an dieser Stelle eigentlich von vornherein unterdimensioniert, ohne dass es den Planern, Installateuren oder Betreibern bewusst sein dürfte.
Jede Verringerung der Auflagefläche, zum Beispiel durch Bewegungen zwischen Modul und Halteklemmen, verringert die übertragene Haltekraft. Die Gestellhersteller schreiben daher übrigens auch vor, die Schraubverbindung regelmäßig zu überprüfen, da es im Laufe der Zeit zu Setzungs- und Lockerungserscheinungen der Klemmenverschraubung kommen kann.
Eine Ursache für Bewegungen zwischen Modulen und Modulhalteklemmen können temperaturbedingte Längenänderungen der Unterkonstruktion selbst sein, insbesondere bei Verwendung von Aluminium-Bauteilen. Aber auch das Gebäudedach selbst ändert seine Länge temperaturbedingt oder es kommt alterungsbedingt zu Setzungs-, Schwund- oder Verwindungserscheinungen bei Holzkonstruktionen.
Am oberen Punkt eines Dachhakens, also dem Anschlusspunkt der Montageschiene, summieren sich somit alle Teilbewegungen von Dach, nachgebender Konterlatte, Haken und Montagegestell. Dabei können sich Bewegungen im Bereich mehrerer Zentimeter ergeben.
Bewegungen reduzieren – Modulebene entkoppeln
Kompensieren lässt sich das in gewissem Umfang, indem die Montageschienen so an den Dachhaken angeschlossen werden, dass seitliche Schiebebewegungen durch das Gebäudedach kompensiert werden können. Am besten funktioniert die Entkoppelung der Modulebene von der Gebäudeebene durch den Aufbau einer doppeltlagigen Kreuzkonstruktion. Hierbei können auch die Klemmbereiche gemäß Angabe der Modulhersteller genau eingehalten werden.
Außerdem ist es empfehlenswert, Montageschienen nur an hochstabilen Dachhaken zu befestigen, die sich möglichst wenig auf-, ab- oder seitwärts bewegen. Bei derartigen Bauformen wird Ziegelbruch auch bei höchsten Belastungen (von je nach Hakentyp bis zu rund acht Kilonewton!) sicher vermieden und es ergeben sich keine oder nur äußerst geringe Bewegungen der Unterkonstruktion. Diese lässt sich durch die Verwendung von Gestellmaterialien mit geringer Längenausdehnung noch weiter reduzieren.
Zusätzlich empfiehlt es sich, die Module jeweils an der oberen und unteren Modulseite zu klemmen. Bei dieser Anordnung führen Klemmenbewegungen in seitlicher Richtung dann nicht zu einem Abrutschen der Module. Generell sollte zumindest in der untersten Modulreihe stets eine formschlüssige Modulabrutschsicherung montiert werden. Dies steht auch in vielen Montageanleitungen, wird aber in der Praxis von den Installateuren oft überlesen und nicht umgesetzt.
Die billige Lösung wird teuer
Dass ein Schaden am Dach die eingesparten Euros für billigere Dachhaken nicht wert ist, dürfte jedem klar sein, doch da die Auslegung der Unterkonstruktion aufgrund der mangelhaften Herstellerangaben schwierig ist, gibt es oft keinen fairen Kostenvergleich. Legt man zum Beispiel ein Modulfeld mit zwölf Modulen auf etwa 15 Quadratmetern zugrunde, die einer Belastung von 5.400 Pascal (das entspricht etwa 550 kg/m2 ) standhalten sollen, so müsste man dafür eigentlich 54 Stück der geschwungenen Schwerlastdachhaken verbauen. Von denen darf jeder maximal 160 Kilogramm tragen. Würde die gleiche Anlage mit hochstabilen Sicherheitsdachhaken belegt, von denen jeder 470 Kilogramm aufnehmen darf, benötigte man nur 18 Stück. Welch ein Unterschied bei Materialeinsatz, Montagezeit und welch eine Verbesserung der Sicherheit!
Der geschilderte Fall stellt natürlich ein Extrembeispiel dar, das für wind- und schneereiche Berglagen gilt. Die Systematik gilt aber auch bei moderateren Betrachtungen. Im Beispiel mit 2.400 Pascal wären es 24 Dachhaken à 160 Kilogramm oder 12 hochstabile Sicherheitsdachhaken à 320 Kilogramm oder sogar nur 9 Dachhaken belastet mit je 470 Kilogramm.
Tritt ein Schaden auf, bleiben leider meistens Installateur oder Endkunde auf den Kosten sitzen, denn selbst zertifizierte Dachhaken garantieren in der Regel nicht die gewünschte Sicherheit. Ein Blick ins Kleingedruckte oder in die Details der Zulassungsurkunde macht deutlich, dass das Zertifikat manchmal nur für die Belastung der Schienenanschlüsse (zum Beispiel die Verschraubung im Langloch) gilt, aber ausdrücklich nicht die Verformung und Bewegung des Dachhakens an sich beschreibt, insbesondere auch nicht bei einer außermittigen Montage auf einer nachgebenden Konterlattung.
Wie bereits am Anfang erwähnt, beschäftigt uns die Problematik der Dachhaken bereits seit Beginn der Photovoltaik auf Hausdächern. Viele Aspekte werden bei der Planung und Installation nach wie vor unvollständig betrachtet. Zertifikate, bauaufsichtliche Zulassungen und Statik-Auslegungssoftware sagen heutzutage nichts darüber aus, wie belastbar ein Dachhaken wirklich ist, denn sie betrachten nicht die reale Einbausituation im Dach. Seitliches Kippen der Dachhaken und das Nachgeben der schmalen und weichen Konterlatte und die gesamthaften Gestellbewegungen sind vom Planer und Installateur zu prüfen und zu berücksichtigen.
Ich würde mir wünschen, dass in den Datenblättern und Projektauslegungen der Anbieter komplette, ehrlichere und verbindlichere, also brauchbare und professionelle Informationen zum realen Belastungsverhalten von Dachhaken und Unterlegziegeln und Modulklemmen dargestellt und erläutert werden. Ich hoffe, dass sich das Bewusstsein für die Besonderheiten und Schwächen dieser Montagekomponenten und das Wissen um sichere und zuverlässigere Alternativen bei den Installateuren endlich durchsetzt und konsequent thematisiert wird. (Clemens Sodeik)

Der AutorClemens Sodeik ist Mit-Geschäftsführer von SE-Consulting. Er plant, baut und begutachtet seit 1996 Anlagen mit erneuerbarer Energie und berät Hersteller von Modulen und Montagesystemen, Planungsbüros, Architekten sowie gewerbliche und private Investoren bei der Umsetzung ihrer jeweiligen Projekte und Entwicklungen.

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