Die Uhr tickt: Warum es dringend eine Gesetzgebung für Batteriespeicher braucht

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Deutschland macht große Fortschritte bei der Energiewende: 142 Gigawatt an Erneuerbare-Energien-Anlagen sind bereits am Netz, mehrere Hundert Gigawatt sind in Planung. So gut diese Neuigkeiten für das Erreichen der Klimaziele auch sind: Für das Stromnetz wird der Ausbau der Erneuerbaren zur Belastungsprobe. Da ihre Erzeugung je nach Wetter, Tages- und Jahreszeit schwankt, kommt es zu Über- oder Unterproduktionen von Strom. Das Netz wird volatiler; Lastströme, Frequenz und Spannung müssen stärker reguliert werden. Mit jedem zusätzlichen Gigawatt erneuerbarer Energie wird die Eingliederung ins Netz komplexer.

Ohne Batteriespeicher scheitert die Energiewende

Damit das Stromsystem auch künftig funktioniert, müssen Markt und Netz deutlich flexibler werden. Dafür sind kostengünstige Kurzfrist-Speicherlösungen wie netzgekoppelte Batteriegroßspeicher unverzichtbar. Sie werden an Netzknotenpunkten errichtet, wo sie Strom speichern und bedarfsgerecht einspeisen. Mit ihren vielfältigen Anwendungsfällen gleichen sie Schwankungen im Netz aus und beugen Leistungsüberlastungen im Stromnetz vor. Außerdem wirken die Speicher Preisschwankungen entgegen und senken insbesondere durch die Vermeidung von teuren Erneuerbaren-Abregelungen und den aktiven Handel an der Strombörse das Strompreisniveau. Das Fraunhofer-Institut ISE prognostiziert, dass wir bis 2030 Speicherkapazitäten von 104 Gigawattstunden benötigen – wovon der Großteil durch Batteriegroßspeicher abgedeckt werden soll. Heute sind laut RWTH Aachen nur 1,3 Gigawattstunden hiervon am Netz.

Energiespeicher im juristischen Niemandsland

Doch wer nun meint, dass angesichts dieser klaffenden Lücke der Ausbau dieser Speicher mit Hochdruck vorangeht, irrt. Im Gegenteil, er wird durch die unsichere Rechtslage massiv ausgebremst: In Deutschland gibt es zurzeit keine auf Speicher ausgelegte Gesetzgebung. Das Energierecht ist nur auf die Erzeugung, den Transport und den Verbrauch von Strom ausgelegt und kennt somit nur Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen, aber keine Speicher. Eine Ausnahme bildet die zum 1. Juli 2023 in Kraft getretene „Energiespeicherdefinition“ im § 3 Nr. 15d des Energiewirtschaftsgesetzes, die aber an den wesentlichen Stellen im Energierecht nicht weiter aufgegriffen wird und deshalb bisher verpufft. In der Konsequenz finden teilweise die Regelwerke für Letztverbraucher und Erzeugungsanlagen bei Speichern Anwendung, teilweise bestehen behelfsmäßige Übergangsregelungen. Dies führt zunächst zu einem erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit, weil die Anwendung der für Letztverbraucher und Erzeugungsanlagen konzipierten Regelungen auf Speicher oftmals nicht eins zu eins übertragbar sind. Der dadurch entstehende Auslegungs- und Anwendungsspielraum ist schon per se investitionshemmend. In einzelnen Punkten hat der bisherige Rechtsrahmen auch eindeutig nachteilige Effekte. Das schränkt den Ausbau von Speichern auf mehrere Weisen ein, insbesondere bei der Netzintegration. Einige Beispiele:

  • Netzgekoppelte Batteriegroßspeicher sind zwar gemäß § 118 Abs. 6 EnWG von Netzentgelten befreit – jedoch nur provisorisch bis August 2026. Eine Folgeregelung gibt es noch nicht. Schon heute verhindert diese Unsicherheit die Entwicklung von Speicherprojekten, da sie oft eine längere Vorlaufzeit als drei Jahre haben. Ohne Folgeregelung würde der weitere Ausbau netzgekoppelter Speicher in Deutschland komplett zum Erliegen kommen.
  • Speicher erhalten bei den knappen Netzkapazitäten in Deutschland selten problemlos einen Netzanschluss. Grund dafür ist auch die unnötige „Worst Case“-Betrachtung der Leistung des Speichers, weil ein dauerhafter Bezug und gleichzeitig eine dauerhafte Einspeisung des Speichers mit voller Leistung (wie bei einem Letztverbraucher/einer Erzeugungsanlage) netzplanerisch zugrunde gelegt wird. Im Rahmen bestehender rechtlicher Unsicherheiten verhalten sich die Netzbetreiber hier häufig sehr restriktiv, da sie negative finanzielle Auswirkungen im Rahmen der Anreizregulierung fürchten. In der Konsequenz werden viel weniger Speicher ans Netz angeschlossen, als technisch möglich wäre.
  • Die Herstellung von Netzanschlüssen und die Bearbeitung von Netzanschlussbegehren dauern viel zu lange. Während es für Erneuerbaren-Anlagen eine Verpflichtung zur Bearbeitung durch den Netzbetreiber innerhalb von zwei Monaten gibt, fehlen derartige Regelungen für Speicher. Im großen Stapel der Anschlussbegehren liegen Speicher deswegen nie oben und es vergehen häufig viele Monate bis zu einer – allzu oft dann auch noch negativen – Stellungnahme des Netzbetreibers.
  • Für den Anschluss ans Netz müssen derzeit hohe Gebühren (sogenannten Baukostenzuschuss) an Netzbetreiber entrichtet werden, da die Speicher ungerechtfertigt so behandelt werden, als würden sie die Netze belasten. Diese Gebühren betragen bis zu 20 Prozent der Investitionskosten einer Speicheranlage und sind damit häufig der ausschlaggebende Faktor, dass Projekte aufgegeben werden müssen.

Um der neuen Rolle von Energiespeicheranlagen im Energiesystem gerecht zu werden und Hürden für Speicher abzubauen, müssen nun aber umfassende Änderungen im bestehenden Energierecht folgen, insbesondere in Bezug auf den Netzanschluss.

Ein Kompass in der Energiewelt: Das Potenzial unseres Vorschlags einer ‚Speicher-NAV‘

Um schnell transparente und klare Regelungen für den Netzanschluss und den markt- und netzdienlichen Einsatz von Speichern umzusetzen, schlagen wir von Kyon Energy eine Energiespeicheranlagen-Netzanschlussverordnung (SpeicherNAV) vor. Genau wie die Kraftwerks-Netzanschlussverordnung (KraftNAV) die technischen Mindestanforderungen für den Anschluss von Kraftwerken an das Höchstspannungsnetz und deren Betrieb am Netz regelt, könnte eine „SpeicherNAV“ die Besonderheiten von Speichern beim Netzanschluss regeln und die oben genannten Hürden beseitigen.

Eine „SpeicherNAV“ sollte vier wesentliche Ziele erfüllen. Sie sollte

  • den Netzanschluss von Speichern beschleunigen,
  • die Errichtung von Speichern an systemdienlichen Standorten ermöglichen,
  • die systemdienliche Betriebsweise von Speichern sicherstellen,
  • sowie eine faire Verteilung des volkswirtschaftlichen Nutzens aus dem Speicherbetrieb zwischen dem Speicherbetreiber und der Gesellschaft ermöglichen.

Um das zu realisieren, sind fünf Kernpunkte für eine erfolgreiche „SpeicherNAV“ zu berücksichtigen:

  1. Anwendungsbereich: Der Anwendungsbereich sollte alle Netzanschlüsse von Energiespeicheranlagen an Elektrizitätsversorgungsnetze mit einer Spannung von mindestens 10 Kilovolt (Mittelspannungsnetze und darüber) umfassen.
  2. Priorisierter Netzanschluss: Speicher, die systemdienlich agieren, sollten genau wie Erneuerbare-Energien-Anlagen einen beschleunigten und bevorzugten Netzanschluss erhalten (ähnlich dem § 8 EEG 2023), um ihr Potenziale schnellstmöglich nutzen zu können.
  3. Netzdienliche Betriebskonzepte: Wenn Energiespeicheranlagen von den Privilegien der „SpeicherNAV“ profitieren, muss auch die Betriebsweise von Speichern an den Bedürfnissen des Netzes ausgerichtet werden. Dies fördert die netzdienliche Nutzung von Energiespeichern. Es wäre denkbar, dass Verteilnetzbetreiber im Rahmen des Anschlussprozesses nach vorgegebenen Regeln bestimmte Leitplanken für das Betriebskonzept des Speichers festlegen dürfen, um das Verhalten des Speichers optimal an die individuelle Netzsituation anpassen zu können. Dies schafft die nötige Verbindlichkeit, damit Netzbetreiber ohne Risiko von „Worst-Case“-Betrachtungen abrücken können.
  4. Definition des Betriebskonzeptes: Um das Betriebskonzept zu erstellen, müssen die technischen Fähigkeiten und Grenzen des geplanten Speichers definiert und vom Netzbetreiber Anschlusspunkt, Anschlussleitungen, Lastflüsse und Netzeinflüsse sowie der erwartete Einsatzumfang des Energiespeichers geprüft werden. Im Betriebskonzept wären dann die Möglichkeiten für den Netzbetreiber beschrieben, die Fahrweise des Speichers zeitlich und in der Höhe der Bezugs- und Einspeiserichtung anzupassen, die Betriebszeiträume und -Zyklen vorab abzustimmen und in begrenzten Zeiträumen frei über den Speicher zu verfügen, sowie dem Speicherbetreiber die Erbringung von Regelenergie in bestimmten Zeiten zu untersagen.
  5. Faire Kostentragung: Die Verordnung sollte eine klare Regelung zur Kostenteilung zwischen Speicherbetreibern und Netzbetreibern vorsehen, um die Wirtschaftlichkeit von Speicherprojekten zu gewährleisten und die volkswirtschaftlichen Vorteile gerecht zu verteilen. Wenn der Speicherbetreiber den Netzbetreibern den Eingriff in die Betriebsweise des Speichers erlaubt, sollte er für die Einschränkung des Speicherbetriebs entsprechend kompensiert werden. Eine Regelung könnte sich im Wesentlichen an § 13a EnWG (Redispatch-Maßnahmen) orientieren. Der finanzielle Ausgleich sollte sicherstellen, dass der Speicherbetreiber keine wirtschaftlichen Nachteile erleidet, die über das hinausgehen, was er ohne Betriebsrestriktionen erfahren würde.

Wir können uns keine Verzögerungen mehr leisten

Wir haben schon heute fast den Punkt erreicht, an dem es wenig sinnvoll ist, noch mehr Windparks und Photovoltaik-Anlagen zu installieren, wenn nicht gleichzeitig die Speicherfrage gelöst wird. Der Zubau von Batteriegroßspeichern muss darum deutlich beschleunigt werden. Es braucht dafür keine Subventionen – aber klare Regelungen. Kurzfristig muss dafür dringend eine Verlängerung oder eine Entfristung des § 118 Abs. 6 EnWG, der Netzentgeltbefreiung, her, damit Speicherprojekte auch zukünftig Planungssicherheit haben. Mittel- bis langfristig kann dann in Form der Speicher-Netzanschlussverordnung ein ganzheitlicher Rahmen die Harmonisierung von Erneuerbaren- und Speicherausbau absichern. Dann könnten Engpässe im Netz vermieden, erneuerbare Energien effektiver genutzt und die Versorgungssicherheit erhöht werden.


— Der Autor Benedikt Deuchert ist Head of Business Development & Regulatory Affairs bei Kyon Energy, einem der führenden Projektierer für Batteriegroßspeicher in Deutschland. Er ist verantwortlich für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und leitet Initiativen zur Gestaltung des regulatorischen Umfelds für Flexibilitätsdienste im Stromnetz im Allgemeinen und für Batteriespeicher im Besonderen. —

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