Das Solarpaket der Bundesregierung und seine Bewertung

Hans-Josef Fell

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Letzten Mittwoch hat das Bundeskabinett die Gesetzentwürfe für das Solarpaket beschlossen. Es soll den Ausbau der Solarenergie stark beschleunigen und den Bürokratieaufwand für die Solar-Investitionen reduzieren.

Über 84 Prozent Zuwachs beim Zubau Photovoltaik und Wind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum

Der Markt für Wind- und Solaranlagen wächst in Deutschland deutlich. Von Januar bis Juli 2023 sind Wind- und Solaranlagen mit einer Leistung von zusammen knapp über 10.000 Megawatt neu in Betrieb gegangen (Januar bis Juli 2022: 5426 Megawatt). Das ist ein Zuwachs um 84,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Photovoltaik-Zubau liegt über Rekordjahr 2012

Am stärksten wuchsen Solaranlagen mit 7927 Megawatt. Damit liegt in Deutschland erstmals der Jahreszubau 2023 wieder über dem Rekordzubau von 2012. Das ist erfreulich und ein Ergebnis der positiven Veränderungen in der Politik unter der Verantwortung des grünen Klima- und Wirtschaftsministers Robert Habeck. Bei der Windkraft (Onshore und Offshore) wird aber auch 2023 das Rekordausbauergebnis von 2017 mit ca. 5,5 Gigawatt nicht erreicht werden.

Doch so erfreulich die Steigerung des Ausbaus ist, sind die Ausbauzahlen immer noch bei Weitem nicht ausreichend, um selbst die äußerst bescheidenen Klimaziele der Bundesregierung (Klimaneutralität bis 2045 und 80 Prozent Ökostrom bis 2030) zu erreichen.

Die verheerenden Gesetzesnovellen unter den Merkelregierungen wirken weiter nach. Insbesondere auch dadurch, dass im Wirtschaftsministerium (BMWK) von den über 2000 Beschäftigten immer noch geschätzt über 90 Prozent arbeiten, die unter den Ministern der SPD (Gabriel), Union (Altmaier) und FDP (Rösler) eingestellt wurden. Sie haben jahrelang die Vorschläge zum Dezimieren des Ausbaus der erneuerbaren Energien in bürokratieaufbauenden Gesetzen, insbesondere beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), erarbeitet. Der Geist des Bremsens und Kontrollierens des Ausbaus, des Behinderns der Bürgerenergie zum Schutze der großen Energiekonzerne, ist weiterhin in den meisten Köpfen des BMWK präsent – außer auf der Führungsebene. Dadurch gelangen nach wie vor Vorschläge und Maßnahmen ans Tageslicht, die dem Ausbau der erneuerbaren Energien nicht solch freien Lauf lassen, wie von der Gesellschaft erreicht werden könnte.

Der Photovoltaik-Zubau könnte drei mal so hoch sein und Subventionen für einen Industriestrompreis überflüssig machen

Die garantierten Vergütungen bei den Photovoltaik-Anlagen der Ausschreibung liegen zwischen fünf und sechs Cent. Damit sind die Anlagen voll wettbewerbsfähig. Wird die Industrie mit diesem Strom direkt versorgt, erübrigt sich die Subvention eines Industriestrompreises. Die Ergebnisse der jüngsten Solarausschreibungsrunde bei Photovoltaik zeigen, dass die Branche bereit ist, schneller und mehr zu installieren. 4,66 Gigawatt neue Solaranlagen wurden als Angebote eingereicht. Nur 1,66 Gigawatt erhielten einen Zuschlag. Damit wurden also ca. drei Gigawatt dringend benötigter Photovoltaik-Investitionen verhindert – Investitionen, die geplant, finanziert und genehmigt sind, ein in Deutschland ohnehin schwieriges Unterfangen.

Aus den Ministerien oder den Verbänden der erneuerbaren Energien skandalisiert niemand diese für den Klimaschutz verheerende Ausschreibungsbremse, sondern begrüßt nur das (auf viel zu niedrigem Niveau) stattfindende Wachstum. Auch die „Allianz pro Brückenstrom“, bestehend unter anderem aus den großen Gewerkschaften, erwähnt nur, wie wichtig ein günstiger Strompreis für die Industrie ist. Kein Wort allerdings dazu, dass mehr Wind und Solarstrom und eine bessere Integration der Erneuerbaren die Energiekosten gerade für die Industrie senkt.

Diese zu geringe Ausbaugeschwindigkeit der Solarenergie sowie die schwache industrielle Unterstützung durch die Bundesregierung sind Ursachen, warum Meyer Burger seine in Deutschland geplante Solarfabrik nun doch in den USA baut.

Auch Solarpaket unzureichend

Natürlich wissen Robert Habeck und viele Bundestagsabgeordnete darüber Bescheid, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien weiter massiv beschleunigt werden muss. Daher hat das Bundeskabinett kürzlich Novellen von EEG und anderen Gesetzen beschlossen, mit den Zielen Bürokratieabbau und Wachstumsbeschleunigung.

Diese beiden Ziele sind sehr zu begrüßen. Stellen sie doch eine Korrektur der Zielvorstellung unter den Merkelregierungen dar, die mit dem Aufbau einer erstickenden Bürokratie und Deckelungen den Ausbau der Solarenergie in Deutschland einst stark gedrosselt hat.

Zur Erinnerung: Insbesondere die Umstellung auf Ausschreibungen anstelle von festen, gesetzlich garantierten Einspeisevergütungen hatte einen enormen Bürokratiedschungel geschaffen. Dieser Dschungel könnte stark abgebaut werden, wenn die Ausschreibungen wieder zugunsten einer festen gesetzlich festgelegten Einspeisevergütung abgeschafft würden. Auch verschiedene Ausbaudeckel hatten unter Kanzlerin Merkel den Ausbau der erneuerbaren Energien stark gedrosselt.

Im Solarpaket wird das Ziel Bürokratieabbau größtenteils verfehlt

Bei genauer Betrachtung der anstehenden EEG- und EnWG-Novellen zeigt sich jedoch, dass das Ziel des Bürokratieabbaus, abgesehen von Teilbereichen wie Balkonsolar, Mietersolar und gewerblichen Dachanlagen, verfehlt wird. Im Gegenteil: besonders bei Agri-PV und anderen Freiflächen wird eine neue Bürokratie aufgebaut, die es vorher noch gar nicht gab.

Der im Bundeskabinett verabschiedete „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung“ hat alleine 50 eng beschriebene Seiten, zusammen mit erklärender Begründung sind es ganze 140 Seiten.

Auf jeder Seite werden Unmengen neuer Detailvorschriften erlassen. Neue Verordnungen, insbesondere im Bereich Agri-PV, wird es geben, die alle zusätzliche hohe Bürokratiehürden aufbauen.

Das hochbürokratische Ausschreibungssystem soll sogar noch erweitert werden. Nun sollen auch Agri-PV, Parkplatz-PV, Floating-PV und Moor-PV in das bürokratische Ausschreibungskorsett gezwungen werden. Damit werden Bürgerenergien in diesen Segmenten weitgehend behindert und das Feld wieder den großen Finanzstrukturen überlassen. Ich höre schon erste Stimmen von Landwirten, die sagen, dass sie mit ihren Feldern nicht an der Agri-PV teilnehmen können, da sie die hohe Bürokratie der Ausschreibungen wohl neben ihrer bäuerlichen Arbeit nicht schaffen können. Dann wird es eben wieder nur große Konzerne geben, die auf dem Feld der Landwirte ihre Anlagen bauen. Bürgerenergie wird wieder verhindert.

Neue Ausbaudeckel vorgesehen

Zudem sind die Ausschreibungsvolumina viel zu niedrig gefasst. Sie soll das Volumen bestehender Freiflächenausschreibungen schrittweise auf nur drei Gigawatt pro Jahr erhöht werden. Mit der Erfahrung der steten Überzeichnungen in den Photovoltaik-Ausschreibungen der letzten Jahre ist außerdem zu erwarten, dass die Investitionsbereitschaft der Gesellschaft weiterhin massiv ausgebremst wird. Die viel zu niedrigen Ausschreibungsvolumina wirken wie staatlich verordnete Ausbaudeckel.

Sogar ein neuer Ausbaudeckel wird eingeführt: Bis 2030 sollen insgesamt nur 80 Gigawatt Freiflächenanlagen gefördert werden.

Auf Seite 106 der Begründung zur EEG-Novelle steht: „Eine Teilnahme an den Ausschreibungen ist für Freiflächenanlagen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen bis einschließlich des Jahres 2030 nur möglich, bis eine installierte Leistung von 80 GW auf solchen Flächen erreicht ist.“

Schon einmal hatte die Merkel Bundesregierung mit einem 40-Gigawatt-Deckel für die geförderte Photovoltaik einen erheblichen Schaden für den Ausbau der Solarenergie geschaffen, der erst in letzter Minute im Gesetz wieder abgeräumt werden konnte.

Der 80-Gigawatt-Deckel für Freiflächen-Photovoltaik ist jedenfalls viel zu niedrig, um 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 zu erreichen, was aus Klimaschutzgründen zwingend nötig ist. Nach der EWG-Analyse für eine Vollversorgung mit 100 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030 braucht es etwa 40 Gigawatt jährlichen Zubau an Freiflächen und gleich viel an Dachanlagen. Der Gesetzesentwurf des Solarpakets orientiert sich jedoch am völlig unzureichenden Regierungsziel von 80 Prozent Ökostrom bis 2030 und nicht an einer Zielsetzung von 100 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030.

Mieterstrom und Balkonsolar werden durch das Solarpaket tatsächlich von hoher Bürokratie entlastet

Die Regelungen für die gemeinsame Nutzung von Photovoltaik-Anlagen etwa auf einem Mehrfamilienhaus werden stark vereinfacht: Mit der sogenannten „Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“ wird es ermöglicht, Solarstrom innerhalb eines Gebäudes gemeinsam und unbürokratisch zu nutzen – ohne wie bisher alle Pflichten eines Stromversorgers erfüllen zu müssen. Gleichzeitig wird Mieterstrom vereinfacht und auch für Gewerbegebäude ermöglicht.

Damit werden im Bereich der Mieter erstmals nennenswerte Maßnahmen für das Energy Sharing (Energieteilen) festgesetzt. Energy Sharing sollte jedoch nicht nur für Mieter möglich werden, sondern für alle, einschließlich Hausbesitzer untereinander, ganze Quartiere oder Gewerbebetriebe.

Vereinfacht werden auch die Regeln für Balkonsolar: Statt wie bisher zwei Anmeldungen wird in Zukunft lediglich eine stark vereinfachte Anmeldung erforderlich sein. Auf den Einbau eines neuen Zählers muss auch nicht mehr gewartet werden – ein rückwärtslaufender Zähler kann vorübergehend weiterverwendet werden.

Dies sind durchaus wichtige Neuerungen, wenn sie denn so alle den Bundestag passieren und dann 2024 in Kraft treten.

Der Bundestag kann noch viel am Solarpaket verbessern

Der Bundestag hat mit diesem Solarpaket im Herbst wieder eine Herkulesaufgabe vor sich. Um den Solarausbau so stark zu beschleunigen, wie es der Klimaschutz erfordert, sollte er sich an folgenden Leitlinien orientieren:

  • Keine neuen Deckel. Der Deckel für Freiflächen von 80 Gigawatt bis 2030 muss wieder aus dem Gesetzesentwurf gestrichen werden.
  • Es sollte eine feste Einspeisevergütung für Agri-PV, Parkplatz-PV, Floating-PV und Moor-PV eingeführt werden, statt sie nun in lähmende und bürgerenergiefeindliche Ausschreibungen zu zwingen.
  • Einführung des Energy Sharings für alle, wie es die EU Richtline RED II schon seit 2021 auch für Deutschland fordert. Es ist gut, dass der SPD-Bundestagabgeordnete Timo Gremmels genau dies schon für die Bundestagsberatungen gefordert hat, wie es der Tagesspiegel Background berichtete. Er braucht viel Unterstützung dafür.
  • Unterstützung von systemdienlichen Investitionen wie die Ergänzung der Solaranlagen mit anderen erneuerbaren Energien und Speichern. Geeignet dafür wäre eine Kombikraftwerksvergütung, die systemdienliche Investitionen dezentral mit den Solarinvestitionen fördern würde.

Vollkommen zu Recht hat auch der BDWE darauf hingewiesen, dass es an Unterstützung für die Integration der Solarenergie in die Netze fehlt. „Neben dem Ausbau regenerativer Stromerzeugung sieht der BDEW eine besondere Herausforderung bei der notwendigen Netzintegration der Photovoltaik-Anlagen. Bereits heute geraten auch die Verteilnetze, an die nahezu 100 Prozent der Photovoltaik-Anlagen angeschlossen sind, zunehmend an ihre technischen Grenzen und stehen vor fundamentalen Herausforderungen.“

Der Bundestag muss also endlich auch die Systemintegration der erneuerbaren Energien fördern. Das Solarpaket sollte dafür genutzt werden. Bisher ist nichts dazu vorgesehen.

— Der Autor Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group. Er war 1998 bis 2013 Bundestagsabgeordneter für Bündnis/Die Grünen und ist Mit-Autor des Entwurfs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2000. https://hans-josef-fell.de/ —

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