Für den seit Mitte der 90er Jahre im Bereich Versicherung für erneuerbare Energien tätigen Manfred Schäfer ist vieles von dem, was seine Kollegen heute tun, nicht mehr nachvollziehbar. „Mindestprämien unter 100 Euro sind niemals kostendeckend“, sagt der Sprecher für den Bereich Photovoltaik beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Damit können schon alleine die Verwaltungskosten nicht abgedeckt werden.“
Trotzdem hält der Trend an: Immer mehr Sachversicherer steigen mit günstigen Prämien in das Geschäft mit PV-Versicherungen ein. Gab es 2008 schon über 25 Versicherer, die eine PV-Anlagen-Versicherung anboten, so ringen laut Branchenexperten inzwischen 35 Anbieter um die Gunst der Solarstromerzeuger. Industriemakler Jan Andresen spricht sogar von einem „verschärften Preiswettkampf mit niedrigen Dumpingprämien“, an dem sich sein Büro Gossler, Gobert & Wolters nicht beteiligen wolle. Selbst größere Anlagen versichere so mancher Anbieter zu Prämiensätzen von einem Promille.
Doch wer glaubt, er habe für einen günstigeren Tarif dieselbe Versicherung abgeschlossen, erliegt oft einem Trugschluss.
Die Deckungskonzepte werden durch ein Dickicht von Klauseln zu Ein- und Ausschlüssen, Zuschlägen, Selbstbehalten und Nebenkosten immer undurchschaubarer. Und unabhängige Beratung durch Verbraucherzentralen und Verbände ist weiter Mangelware. Zunehmend sind die Installateure gefordert, ihre Kunden beim Thema Versicherung zu beraten. Ein Kundenservice, der sich auch lohnen kann, da viele Versicherer und Makler Rahmen- und Umsatzverträge als Kooperation anbieten.
Problem Montagequalität
Fest steht jedoch, dass die Versicherer bei der Kooperation mit Installateuren noch ein anderes Ziel verfolgen: Sie wollen die Qualität der Installationen verbessern. Die beiden Sachverständigen Christian Keilholz und Christian Bendel bestätigen, dass sich die Montagequalität zwar im Vergleich zum Vorjahr verbessert habe, „mangelhafte Montagequalität“ aber immer noch eine große Rolle bei späteren Schäden spiele.
Die Mannheimer Versicherung hat als erster Versicherer darauf reagiert und zusammen mit Branchenverbänden einen Anlagenpass entwickelt, für den es Rabatte gibt. Christian Bendel, Experte für PV-Anlagentechnik, bezweifelt aber, dass die Qualität so besser wird: „Die Handwerker lassen sich weiter einfach die Installation als fachmännisch installiert unterschreiben“, prophezeit er. „Das einzig Sinnvolle wäre eine Zulassungsprüfung für installierte Anlagen.“ Aber einen positiven Nebeneffekt hat der Anlagenpass für die Versicherer doch: „Mit dem Anlagenpass wird es einfacher, Regressforderungen durchzusetzen“, sagt Ronald Pönisch von der Mannheimer Versicherung.
Einen positiven Nebeneffekt für Versicherer und Kunden haben ebenfalls die aktuell sinkenden PV-Systempreise. Denn bei fast allen Anbietern erfolgt die Tarifierung nach den „Nettoinvestitions- plus Montagekosten“. Einen Automatismus mit Prämiennachlass gibt es aber nicht für alte Verträge. „Es gibt jedoch die Möglichkeit, auf die aktuellen Neupreise umzustellen“, sagt der Versicherungsmakler Manfred Körber. Sein Branchenkollege Rainer Lenz warnt davor, einfach wegen der Aussicht auf Prämienersparnis Verträge zu kündigen: „Viele günstige Anbieter versichern seit neuestem Altanlagen gar nicht oder nur mit Aufschlägen.“ Denn neben dem Trend zu neuen Einschlüssen gibt es auch einen Trend zu unübersichtlichen Ausschlusskatalogen.
Viele Versicherer locken Neukunden mit besseren Ertragsausfallentschädigungen. Längere Haftzeiten, Ertragsausfall auch ohne Schaden an der Anlage sowie pauschale Vergütung unabhängig von der Jahreszeit bestimmen den Trend. „Eine Haftzeit von 90 Tagen kann bei Schäden durch Sturm und Feuer aber schon mal knapp werden, wenn erst noch das Gebäude repariert werden muss“, erläutert der Deckungsmakler Rainer Lenz. So gehen immer mehr Versicherer dazu über, diese auf 180 Tage zu verlängern. Manche bieten sogar einen verlängerten Ertragsausfallzeitraum von zwölf Monaten, allerdings nur für bestimmte Gefahren wie Brand oder Sturm. Besonders attraktiv dürften für Neukunden die Konzepte sein, die Ertragsausfälle auch ohne vorherigen Schaden an der Anlage versichern.
Wertverbesserung neu geregelt
Für den in der Vergangenheit von Experten vielfach kritisierten Abzug bei Wertverbesserungen in der Allgefahrenversicherung gibt es jedenfalls neue Lösungen: die Mitversicherung des Technologiefortschritts. Bisher dürfen in den meisten Fällen in der Neuwertversicherung nicht einfach modernere, leistungsstärkere Module eingebaut werden. Für Manfred Körber ist dies bei „dem sprunghaften technologischen Fortschritt in der Solarwirtschaft für ältere Anlagen problematisch, da nicht immer in gleichwertige Technik reinvestiert werden kann.“ Gab es ein serienmäßiges Ersatzteil nicht mehr, bekam der Versicherte nur den Zeitwert. Inzwischen werden bei vielen Konzepten bis zu einem gewissen Prozentsatz der Versicherungssumme die höheren Kosten für „Reinvestition in die Nachfolgegeneration“ bezahlt – wegen der fallenden PV-Preise kostet die Versicherer diese Regelung de facto kaum einen Cent mehr.
Im Bereich „Versicherte Nebenkosten“ ersetzen zahlreiche Anbieter inzwischen die Kosten für Reparaturen am Gebäudedach nach einem Schaden an der Solaranlage – die Gebäudepolice deckt diese oft nicht, und erst recht nicht die Kosten für Ab- und Aufbau der eventuell unversehrten PV-Anlage. Diese werden jetzt häufiger als „De- und Remontagekosten bei einem Gebäudeschaden“ mit gedeckt.
Was es bisher eher bei großen Solarparks gab, war eine Versicherung gegen weniger Sonneneinstrahlung oder Leistungsverlust von Modulen. Doch das ändert sich jetzt – und erstreckt sich ausdrücklich auf Mindererträge auch bei Wirkungsgradenttäuschung, Abnutzung, Degradation oder verminderter Globalstrahlung. Ganz taufrisch ist diese Deckung nicht: Die auf Klimarisiken spezialisierte Münchner Rück hat ursprünglich solche Deckungskonzepte als „Enterprise-Risk-Management-Lösung“ für die Leistungsgarantien der Modulhersteller entwickelt. Diese Versicherung gegen schlechte Qualität und schlechtes Wetter wandert jetzt ins Massengeschäft.
Auf der anderen Seite kämpfen die Versicherer oft mit Schäden durch Kurzschluss oder Überspannung sowie mit Material- und Herstellungsfehlern. Laut Manfred Körber sind Kleinschäden bis circa 5.000 Euro besonders häufig. Dass der Wechselrichter dabei nicht selten der Hauptverursacher ist, versuchen Versicherer mit Abschreibungsklauseln und Zeitwertentschädigungen in den Griff zu bekommen. So zieht beispielsweise Generali jetzt bei einem Wechselrichterschaden für jedes Betriebsjahr zehn Prozent ab und entschädigt ab dem fünften Jahr nur noch die Hälfte des Neuwerts.
„Im Grunde muss die Allgefahrenversicherung alle Schäden regulieren, deren Ursache unvorhergesehen von außen kommt. Normaler Verschleiß oder Garantieansprüche sind aber weiter nicht versichert“, schränkt Körber ein. Dies scheint aber einigen Solarteuren und ihren Kunden nicht klar zu sein. So muss ein Solaranlagenbetreiber gesetzliche Sicherheitsvorschriften, die sich auch in technischen Normen des VDE niederschlagen, beachten. Wenn ein Mangel vorliegt, werden die Versicherungen versuchen, Installateur oder Hersteller in Regress zu nehmen – und Pfusch am Bau, für den eine eigene Haftpflichtversicherung in der Regel nicht aufkommt, kann das Ende aller Geschäfte in der Solarbranche und den Konkurs bedeuten.
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