Seit der Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke ist Strom in Deutschland billiger und sauberer geworden. Die öffentliche Nettostromproduktion aus Braun- und Steinkohle ging um jeweils über 20 Prozent. Bei Erdgas betrug der Rückgang nur wenige Prozent. Erneuerbare hingegen legen einen Rekordwert von 57,7 Prozent bei der Nettostromerzeugung, also dem Strommix, der auch tatsächlich aus der Steckdose kommt, hin. Das geht aus den Daten zum ersten Halbjahres von Energy-Charts des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesystem ISE hervor.
Die Freiburger Forscher stellen fest, dass das Energiesystem den Atomausstieg „gut verkraftet“ hat. Die fehlende Leistung der drei Reaktoren sei durch geringeren Verbrauch, verringerte Exporte und mehr Importe kompensiert worden. Die drei letzten AKW hatten bis April noch 6,7 Terawattstunden geliefert, bevor sie endgültig vom Netz genommen wurden. Zwischen April und Juni entstand so, verglichen mit der Vorjahresleistung der Kernkraftwerke, eine Lücke von ungefähr sieben Terawattstunden. Die Last ging in der ersten Jahreshälfte bereits um 16 Terawattstunden zurück. Im ersten Halbjahr 2023 betrug die Last 234 Terawattstunden. Im Vorjahreszeitraum waren es 250 Terawattstunden. Auch die Stromproduktion ging von 252 auf 225 Terawattstunden zurück.
21 Prozent weniger Strom aus Braunkohle
Wie von einigen befürchtet, wurden die fehlenden sieben Terawattstunden nicht mit Strom aus Braunkohle ersetzt. Die Braunkohlekraftwerke produzierten 41 Terawattstunden im ersten Halbjahr 2023. Ein deutlicher Rückgang von den 52 Terawattstunden im ersten Halbjahr 2022. Auch bei der Steinkohle ging die Nettostromproduktion von 26 auf 20 Terawattstunden zurück. Beim Gas war der Rückgang eher marginal, von 24 auf 23 Terawattstunden.
Zwar ging die Nettostromproduktion aus konventionellen Kraftwerken zurück. Bei den Erneuerbaren blieb die Erzeugung jedoch auf gleichem Niveau, so dass der relative Anteil auf 57,7 Prozent der Nettostromerzeugung im ersten Halbjahr kletterte. Im Vorjahreszeitraum betrug dieser Wert noch 51 Prozent. Im ersten Halbjahr produzierten die Windkraftanlagen and Land und auf See insgesamt 67 Terawattstunden grünen Strom und bilden damit die größte Energiequelle im deutschen Stromsystem. Die Photovoltaik-Anlagen produzierten in gleichen Zeitraum 30 Terawattstunden. Beide Energiequellen erzielten somit ein ähnliches Ergebnis wie im Vorjahreszeitraum. Der Rückgang bei der Photovoltaik betrug 0,6 Terawattstunden. Trotz des Zubaus führte ein schwacher Windmonat Februar und ein bewölkter März zu einem leichten Rückgang von 1,5 Terawattstunden bei der Windkraft.
Börsenstrompreise um 45 Prozent gefallen
Am 4. Mai gab es dennoch einen Rekord für die Photovoltaik-Erzeugung zu verzeichnen. Erstmals speisten die Anlagen über 40 Gigawatt ein. Und im Juni erreichten Windkraft und Photovoltaik zusammen 15 Terawattstunden Stromerzeugung – ebenfalls ein Rekordwert für einen Juni.
Auch bei den Energiepreisen kam es zu keinem Schock. Ganz im Gegenteil. Der volumengewichtete durchschnittliche Strompreis in der Day-Ahead Auktion lag bei 100,54 Euro pro Megawattstunde – was in etwa 10 Cent pro Kilowattstunde entspricht. Im Vorjahreszeitraum lag der Preis noch bei 181,28 Euro pro Megawattstunde und im Jahr 2021 bei 53,42 Euro pro Megawattstunde. Der gefallene Preis gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist auch auf billigeres Erdgas zurückzuführen. Mit durchschnittlich 45,29 Euro pro Megawattstunde kostet Erdgas aktuelle nur noch die Hälfte, verglichen mit dem ersten Halbjahr 2022. Damals lag der durchschnittliche Preis bei 99,84 Euro je Megawattstunde. Der Gaspreis ist gesunken, obwohl der CO₂-Preis seit vergangenem Jahr um drei Euro auf 86,96 Euro pro Tonne gestiegen ist.
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Mit dem Gaspreis hat das Sinken des Börsenpreises aber in diesem Fall sehr wenig zu tun. Die auffälligste Veränderung im deutschen Strommix ist der Wechsel von Netto-Export zu Netto-Import. Zeitgleich hat Frankreich vom Nettoimporteur zum Nettoexporteur gewechselt. Der Wechsel in Deutschland lässt sich dabei nicht vollständig durch den Wegfall der deutschen Kernkraftwerke erklären. Bis dahin entsprach die Produktionsmenge der drei verbliebenen Kernkraftwerke ziemlich genau dem Nettoexport. Tatsächlich hat sich die deutsche Handelsbilanz aber um den doppelten Wert der weggefallenen Stromproduktion verändert. Es ist offensichtlich, dass Frankreich mit seiner Produktion den Wegfall der deutschen Kernkraft zeitgleich stark überkompensiert hat. Das erklärt auch das Sinken des Börsenpreises besser: Ein größeres Angebot am Strommarkt führt zu sinkenden Preisen. Die Gaskraftwerke sind nicht mehr preissetzend, weil sie seltener gebraucht werden. Was an Gas-Strom noch im Netz ist, stammt aus KWK-Heizkraftwerken und aus dem Redispatch, was beides wenig bzw. keinen Einfluss auf den Börsenpreis hat.
auch wenn ich weitesgehend deiner Ausfürhrung zustimme:
Doch, durch das Marit-Order-Prinzip ist die letzte zur Nachfragendeckung nötige (i.d.R. aus Gas gewonnende) MWh für den gesamten Strompreis am Spotmarkt verantwortlich.
Hoher Gaspreis = hoher Preise für Deckung des Peaks mit Erdgas = hoher Gesamtbörsenpreis.
Ja, und deshalb macht es ggf. wirtschaftlich Sinn sich einen Batteriespeicher anzuschaffen und ihn dann zu laden, wenn der Börsenstrompreis im Keller ist.
Freunde mit E-Autos und Wallbox aber ohne eigene PV nutzen das schon über Tibber. Letzten Samstag mittags haben sie ihre Autos geladen und dafür noch Geld bekommen.
@ Sebastian
Alles in allem ist es aber der hohe Anteil an Erneuerbaren, der „vorrangig“ im Land geblieben, und verbraucht worden ist, die den Merit Order Effekt erst ausgelöst haben, in dem sie teure Gaskraftwerke nicht haben zum Zuge kommen lassen.
Das Spiel zwischen „Physikalisch und Virtuell“ scheint zu funktionieren.
Was ich hier gebetsmühlenartig wieder als Gesetz fordere, erlebt gerade einen Probelauf. Die Erneuerbaren sind offensichtlich vom „virtuellen“ in den „Physischen“ Handel umgestellt, und wieder „vorrangig“ im Lande verbraucht worden. Niedrige Börsenpreise durch den Merit Order Effekt den Sonne und Wind auslösen, lassen grüßen.
Bekanntlich werden die Erneuerbaren seit 2010 nur noch Außerhalb der Bilanzkreise, an der Börse „Virtuell“ gehandelt.
Und da haben die Netzbetreiber zwei Möglichkeiten. Einmal am Day-Ahead Markt, dem Vortagshandel, wo der Merit Order Effekt den Preis bestimmt, und zum anderen nach Intraday im Viertelstundentakt, nach dem Motto alles muss raus. Meistens ab ins Ausland. Offensichtlich hat man den Ökostrom, der ohnehin im Netz ist, – durch erhöhten Day-Ahead Handel – auch Vorrangig im Lande verbraucht, und nicht wie seither „Virtuell“ ins Ausland verscherbelt
Siehe was da über den Day-Ahead Handel steht
Zitat aus dem Artikel….Auch bei den Energiepreisen kam es zu keinem Schock. Ganz im Gegenteil. Der volumengewichtete durchschnittliche Strompreis in der Day-Ahead Auktion lag bei 100,54 Euro pro Megawattstunde – was in etwa 10 Cent pro Kilowattstunde entspricht. Im Vorjahreszeitraum lag der Preis noch bei 181,28 Euro pro Megawattstunde und im Jahr 2021 bei 53,42 Euro pro Megawattstunde. Der gefallene Preis gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist auch auf billigeres Erdgas zurückzuführen.Zitat Ende.
Bestätigt wird das durch das Folgende im Artikel
Zitat:…Die fehlende Leistung der drei Reaktoren sei durch , verringerte Exporte und mehr Importe kompensiert worden.
Zitat Ende.
Dadurch, dass die EE im Lande verbraucht wurden, hatten wir weniger Überschuss zu exportieren. und der Rest wurde offenbar billig eingekauft, sodass man Kohlestrom runter fahren konnte.
Jetzt müsste dieser Vorrangige Verbrauch der Erneuerbaren nur wieder Gesetz werden, damit die dadurch entstehenden niedrigen Börsenpreise gefestigt wären, und die Verbraucher was abbekämen.
Wenn man das deutlich erklären kann, ist das Märchen von den unersetzlichen AKW ganz schnell Geschichte.
Nachträgliche Erklärung zu meinem vorigen Kommentar bezüglich des Merit Order Effektes, den die EE auslösen. Die EE sind bei der Preisbildung an der Börse unschlagbar, weil sie dort zum „Nulltarif“ anfallen. Sie müssen nur an der richtigen Stelle ( Day Ahead ) angeboten werden. Bezahlt werden die an anderer Stelle über das EEG Konto. Und da leider nicht nach dem Kosten/Nutzen Prinzip behandelt. Denn je billiger die EE werden, desto höhere Umlage geht auf dem Konto ein, und sorgt für Milliarden Überschüsse.
Aber nun zur Sache.
Siehe dazu die folgende Merit Order Grafik.
Je mehr Erneuerbare, ganz links auf der Kurve — noch vor den ehemaligen AKW – angeboten werden, desto mehr teure Öl und Gaskraftwerke kommen rechts nicht mehr zum Einsatz.
Angeboten um den Börsenpreis zu bilden wird beim Day Ahead handeln. Und nur wenn die EE auch da, und nicht bei Intraday angeboten werden, können sie Merit Order wirksam werden, und den Börsenpreis senken. Das scheint gerade zu geschehen.
Siehe dazu meine folgenden Kommentare, wo ich deutlich mache wie das bis 2010 Gesetz war, als die EE noch vorrangig gesetzt waren
https://www.pv-magazine.de/2023/01/04/co%e2%82%82-emissionen-2022-in-deutschland-kaum-gesunken/
Besonders den vom 06. Jan. um 21.49 Uhr. Wo man deutlich erkennen kann, weshalb wegen des Merit Order Effektes P1 auf P2 sinkt. P1 sinkt auf P2 weil die Versorger schon einen Anteil EE zwingend in ihrem Vertriebsportfolio hatten, und weniger nachfragen mussten bei der Preisbildung am Day Ahead Handel. Genau das geschieht jetzt meiner Meinung nach im Umkehrschluss. Währen bis 2010 wegen geringerer Nachfrage die Dreckschleudern nicht mehr zum Einsatz kamen, ist es gegenwärtig das höhere Angebot an sauberem Ökostrom beim Day Ahead Handel, das die Dreckschleudern rechts auf der Kurve verdrängt.
Wenn das wieder gesetzlich festgeschrieben würde, und nicht in den Händen der Netzbetreiber liegen würde, wo und wann der Ökostrom angeboten und verbraucht wird, hätten wir mit zunehmende EE immer stabilere Strompreise, mit sinkender Tendenz.
Zur Erinnerung, ich habe zu der bekannten Ermächtigungsverordnung von 2010 den Referentenentwurf gelesen. Da stand wortwörtlich „Nach spätestens 2 Jahren muss an Stelle der Netzbetreiber ein neutrales Unternehmen gefunden sein, die den Ökostrom diskriminierungsfrei vermarkten. Wenn das geschehen wäre, hätten wir auf Dauer gefestigt, die Situation, wie sie sich gerade darstellt, wo man nicht weiß wie lange.
Nachtrag:
Wo ich geschrieben habe siehe die folgende Merit Order Grafik, hätte ich sie auch posten müssen..
Hier ist sie
https://de.wikipedia.org/wiki/Merit-Order
Bitte helft mir . Ich lese meist von Schwublern/Schwaflern das wir vom Exporteur von Strom zu Importeur geworden sind .
Nach meinen Recherchen läuft es hervorragend mit Frankreich ,Mittags bezieht Frankreich von Deutschland und Nachts bezieht D von F .
Das heisst ,der am billigsten produzieren kann übernimmt die Produktion.
So brauchen wir nicht Kohle oder Gas einsetzen und die Preise sind angenehm niedrig für Strom. Nach Fraunhofer energy charts ist D immer mehr Exporteur als Importeur . Also wieder nichts anderes als Angstmache. Wir haben zur Zeit zuviel Strom in Europa . Hört endlich auf dauernd Panik zu machen .Was fehlt sind Batterien , sonst nichts .
Hallo Sylvie,
Ja, so ist das wohl. Die von Ihnen genannten Schw… lesen aber hier eher nicht beim PV Magazin.
Außerdem müssen bestehende Batterieverhinderungsgesetze schleunigst abgeschafft werden:
– Rückspeiseverbot von Netzstrom
– Doppelbesteuerung von Batteriestrom
Momentan werden Batteriespeicher vorzugsweise zusammen mit EE-Anlagen erstellt. Diese sollten aber auch unabhängig an Netzknotenpunkten wirtschaftlich betrieben und gefördert werden. Hier haben wir noch ein Denkfehler im System.
Ansonsten kann man sagen, was im kleinen mit EE und Batterie mit rund 96% Autarkie funktioniert, funktioniert prinzipiell auch im großen Maßstab. Zu jedem kWp gehört zukünftig auch ein zunehmender Anteil kWh Batteriekapazität, wenn man die Gesamtkosten und damit den Strompreis minimieren und gleichzeitig den EE Anteil maximieren möchte.
Dann benötigt man noch eine günstige Alternative für Ersatzstrom bei Dunkelflaute. Hier sehe ich hybride BHKWs in Industriegebäuden und Wärmenetze, die peu a peu zukunftsorientiert nachgerüstet werden können. Wenn zu viel Strom da ist wird elektrisch geheizt oder gekühlt. Wenn Strompreise hoch sind wird mit BHKW geheizt und gleichzeitig Strom produziert.
Ziel sollte sein, zusätzliche Standby-Kosten für zusätzliche Kraftwerke zu minimieren und Strom-Überschüsse auch in Form von Wärme oder Kälte zu speichern.
Ich denke, dass die ‚Schwurbler‘ nicht ganz unrecht haben, nur stimmen eben die scheinbar zwingende Konsequenzen nicht. EE Anlagen sind mit unter auch so schlecht ausgelastet, weil Speicher und dynamische Verbraucher und geeignete Netze fehlen. In die Lücke von PV tritt mit großer Wahrscheinlichkeit Wind und umgekehrt. Das Risiko kann man verkleinern, indem man Wetterzohnen und Zeitzonen verbindet.
Am Tag exportieren wir den Strom und bezahlen dafür, weil die Preise durch den Überschuss negativ werden. Nachts importieren wir den Strom, weil PV wegfällt und die restliche Leistung nicht ausreicht und bezahlen wir auch wieder Geld dafür.
Wie soll so der Strom billiger werden?