Acht Wochen sind seit dem 1. Photovoltaik-Gipfel im Bundeswirtschaftsministerium vergangenen. Dort war der Entwurf einer „Photovoltaik-Strategie“ vorgestellt worden, der nun beim zweiten Treffen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit Vertretern aus den Ländern und der Solarbranche finalisiert wurde. Mehr als 650 Stellungsnahmen hat das Bundeswirtschaftsministerium in der Zeit erhalten. Dies zeigt, noch existieren zahlreiche Hemmnisse und unerfüllte Wünsche, um den Photovoltaik-Zubau in Deutschland auf den Zielkurs 215 Gigawatt installierte Leistung bis 2030 zu bringen.
„Im ersten Quartal 2023 wurden bereits knapp 2,7 Gigawatt neu installiert. Mit der heute vorgelegten Strategie wollen wir den Ausbau nochmal deutlich beschleunigen und alle Bremsen lösen, die ein höheres Tempo beim Zubau bislang verhindert haben“, erklärte Habeck. Insgesamt sind elf Themenfelder in der Strategie benannt, auf denen Verbesserungen erreicht werden sollen. Teilweise sollen diese auch möglichst rasch erfolgen. So kündigte Habeck an, dass die Umsetzung der Strategie „unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung“ beginne. „Ein Teil der Maßnahmen soll im Rahmen des sogenannten ‚Solarpaket I‘ noch vor der Sommerpause ins Kabinett. Weitere Maßnahmen, die zum Teil noch größerer Vorarbeiten bedürfen, sollen in einem zweiten Solarpaket folgen“, erklärte Habeck. Auch in dieser Zeit könnten Branchenvertreter weiter Vorschläge ans Ministerium richten.
Elf Themenkomplexe
Die in der finalen „Photovoltaik-Strategie“ benannten Handlungsfelder decken so ziemlich die gesamte Bandbreite ab. Sie reichen von Freiflächenanlagen über Dachanlagen hin zu Balkonmodulen, umfassen Mieterstrom, gemeinschaftliche Nutzung von Solarstrom, Netzanschlüsse, aber auch steuerliche Themen, Akzeptanz und Fachkräfte.
Bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen soll ab 2026 ein Zubau von rund elf Gigawatt pro Jahr erreicht werden. Dazu plant das Bundeswirtschaftsministerium über Klarstellungen und Erleichterungen in der Baunutzungsverordnung und dem Baugesetzbuch, damit mehr Flächen zur Verfügung stehen. Auch soll es ein Konzept für eine bessere Nutzung von Agri-Photovoltaik-Anlagen sowie eine Definition für Biodiversitäts-Solarparks geben. Benachteiligte und ertragsschwache Gebiete sollen stärker für die Photovoltaik-Nutzung geöffnet werden.
Da auch bei Photovoltaik-Dachanlagen der Zubau ab 2026 bei etwa elf Gigawatt jährlich liegen soll, sind auch in diesem Bereich Verbesserungen geplant. So ist vorgesehen, die Pflicht zur Direktvermarktung flexibler zu gestalten und die gesetzlichen Anforderungen an die Technik für Kleinanlagen zu senken. Zudem sollen Regelungen zur Anlagenzusammenfassung überprüft werden und Bestandsgebäude im Außenbereich auch für vergütungsfähige Photovoltaik-Dachanlagen zuzulassen.
Mit Blick auf Mieterstrom und die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung sind in der Strategie ebenfalls Vereinfachungen vorgesehen. Letzteres soll als eigene Kategorie eingeführt werden, so dass eine gemeinschaftliche Nutzung von Solarstrom als Eigenversorgung – also Energy Sharing – ermöglicht wird. Das Mieterstrommodell soll ebenfalls entschlackt werden, um die Umsetzung voranzutreiben.
Bei Stecker-Solar-Geräten wird es wohl zu den bereits viel diskutierten Vereinfachungen kommen. So sei geplant, die Meldepflichten zu verschlanken, eine Privilegierung im Wohnungseigentums- und Mietrecht festzulegen sowie im Rahmen der technischen Normung den Schuko-Stecker als „Energiesteckvorrichtung“ zuzulassen und die Leistungsschwelle anzuheben, heißt es in der Strategie.
Ein Hemmnis beim Photovoltaik-Ausbau ist oft auch der Netzanschluss. Die Verfahren dazu sollen beschleunigt werden. Zudem ist vorgesehen, dass es unter anderem ein Wegenutzungsrecht für Anschlussleitungen bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen und bei den Dachanlagen eine verkürzte Frist für den Zählertausch geben wird. Auch das Anlagenzertifikat soll künftig wohl wieder nur für größere Anlagen gelten und über Einheitenzertifikate erfolgen, wie auch der Strategie hervorgeht.
Mit Blick auf die Akzeptanz in der Bevölkerung sei unter anderem geplant, dass im Januar gestartete Förderprogramm „Bürgerenergiegesellschaften“ für Windenergie an Land auch auf die Photovoltaik auszuweiten. Beim Steuerrecht sind Entlastungen geplant. Die Photovoltaik-Strategie benennt dabei die Erbschafts-, Strom- und Grundsteuer. Allerdings braucht es dazu die Unterstützung anderer Ressorts.
In der „Photovoltaik-Strategie“ wird auch die Sicherung der Lieferketten und der Wiederaufbau der Solarindustrie thematisiert. Konkrete Maßnahmen seien dazu eine beim VDMA beauftragte Durchführbarkeitsstudie, die geplante Initiierung eines Investitionsförderprogramms, die Ausweitung der Förderung von Forschung und Entwicklung sowie die Prüfung eines Hybridkapitalinstruments, wie es auch schon der Leiter des Referats Transformationsindustrien während der pv magazine Podiumsdiskussion eine Woche zuvor erklärte. Dort wurde allerdings auch klar, dass die Zeit drängt und konkrete Entscheidungen in drei bis vier Monate getroffen sein müssten, um Investitionen hier zu halten.
Mit Blick auf die benötigten Arbeitskräfte will das Bundeswirtschaftsministerium seine „Fachkräftestrategie“ umsetzen. Zudem seien weitere Maßnahmen geplant, um in- und ausländische Fachkräfte für die Transformation der Energieversorgung zu gewinnen. Darüber hinaus wird zugesagt, das Energieforschungsprogramm fortzusetzen und weiterzuentwickeln. Als elfter Themenkomplex wird die Nutzung von europarechtlichen Instrumenten, etwa aus der EU-Strategie für Solarenergie oder dem Paket „Fit-for-55“, benannt, um den Photovoltaik-Ausbau in Deutschland zu beschleunigen.
Vorerst keine bundesweite Photovoltaik-Pflicht auf Dächern
Im Anschluss an den 2. Photovoltaik-Gipfel stellten Habeck, Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW-Solar) und Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann die Ergebnisse vor. Wie schon nach dem ersten Treffen fanden die Beschlüsse viel Anklang. Dennoch werden mit der „Photovoltaik-Strategie“ wohl nicht alle Baustellen gelöst. Carsten Körnig wiederholte seine Forderung nach einer Absicherung der Rentabilität für die Photovoltaik-Projekte angesichts steigender Zinsen. Zudem sprach er sich dafür aus, nun auch eine „Speicher-Strategie“ anzugehen und mehr für die Solarwärme zu tun.
Willingmann begrüßte vor allem den Vorstoß für den Wiederaufbau der Photovoltaik-Produktion in der Strategie. Sachsen-Anhalt war und ist ein wichtiger Standort für die Photovoltaik-Produktion in Deutschland. Mehr hätte er sich hingegen bei den Themen Akzeptanz und Beteiligung der Kommunen gewünscht.
Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und FDP für die Einführung einer Photovoltaik-Pflicht auf Dächern ausgesprochen. Bislang hat dies jedoch noch in keinem Gesetzesvorhaben Niederschlag gefunden und wenn man den Worten von Robert Habeck folgt, ist damit wohl auch nicht so schnell zu rechnen. Auf Nachfrage erklärte er: „Die Solardachpflicht gebe es schon in mehreren Bundesländern. Das Gebäudeenergiegesetz wäre bundesweit dafür der passende Rahmen. Wir haben uns jetzt aber in der ersten Novelle auf den Wärmebereich konzentriert. Und sie sehen ja, wie schwierig das schon ist, sich vernünftig darüber auseinanderzusetzen, was wir da festgeschrieben haben.“ Habeck spielte damit auf die aktuelle Diskussion an, wonach neue Öl- und Gasheizungen demnächst verboten werden sollen. Stattdessen sollen erneuerbare Energien im Wärmebereich zum Einsatz kommen, was vor allem durch Wärmepumpen der Fall wäre.
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Was Minister Willingmann höflich umschrieben hat ist die Blockade des Energy Sharing für gemeinsam handelnde Bürgerenergiegesellschaften und Kommunen, hier Hat sich Staatssekretär Graichen wie durchgesetzt.
Auch beim Industriestrompreis von 6 Cent je kWh und wie bei der Vorgängerregierung müssen die kleinen Unternehmen und die Privathaushalte wieder die Umlagen, Aufschläge, Abgaben, Kosten und Netzentgelte der Industrie mit tragen.
Das BMWK unterschätzt nach meiner Meinung das wachsende Verständnis in der breiten Bevölkerung.
Das Geld soll wohl aus dem Bundeshaushalt kommen. Somit zahlen es primär die Arbeitnehmer und die Konsumenten. Immerhin werden damit die Kosten progressiv verteilt, und nicht wieder zu Lasten der Niedrigverdiener wie beim EEG und den anderen Energiesteuern.
Es braucht keinen Deckel für den Strompreis, siehe die Strompreisbremse wir sind wieder weit unter 40ct/kWh. Aber auf die überteuerten Netzentgelte und Gebühren (>20ct/kWh) sollte mal geschaut werden.
@ Skipper
Stimmt, lediglich die Erneuerbaren müssen wieder den Bilanzkreisen der Versorger „physisch“ zugeteilt werden, damit sie durch ihren Merit Order Effekt die Preise senken können.
Dazu siehe meinen Kommentar hier:
https://www.pv-magazine.de/2023/05/05/habeck-schlaegt-zweistufigen-industriestrompreis-vor/#comments
Die größte Schweinerei ist, dass die Erneuerbaren den Day Ahead und Spotpreis unter den Marktpreis in Österreich, Frankreich und der Schweiz senken. Die kaufen dann lieber bei uns den Strom, den wir Aufgrund der fehlenden Leitungen in den Süden aber gar nicht liefern können. Also werden dort Gaskraftwerke angeschmissen, die den Exportstrom produzieren. Und weil der Strom im Norden dann über ist, bekommen die Windbetreiber Geld für das Abregeln.
Der Bockmist wird dann über unsere Netzentgelte abgerechnet. Einnahme: verkaufter Börsenstrom 4 cent, Ausgabe: Gasstrom 12-15 cent, Abregelung 4 cent. Jede kwh die ins Ausland über nicht vorhandene Leitungen verkauft wird kostet den deutschen Verbraucher richtig Geld.
@ Psi
Die Probleme hätten wir alle nicht, wenn die Erneuerbaren noch den Versorgern „physisch“ zugeteilt würden. Konventionelle Kraftwerke müssten angepasst werden, und könnten die Netze nicht verstopfen. Windräder dürften nicht wahllos abgeschaltet werden, sondern könnten durch den dadurch entstehenden Merit Order Effekt die Börsenpreise senken.
Lesen Sie dazu meine folgenden Kommentare
https://www.pv-magazine.de/2023/01/04/co%e2%82%82-emissionen-2022-in-deutschland-kaum-gesunken/
Besonders den vom 06 Jan. wo ich anhand der Merit Order Grafik versuche deutlich zu machen, wie „P1 zu P2“! Wird.
So ginge Strompreisbremse ganz automatisch, durch Sonne und Wind.
Nötig wäre es die kleineren und mittelständigen Unternehmen schneller mit der Vorfinanzierung der Mwst. Zu entlasten. Vereinfachte Bearbeitung der Finanzbehörden oder zinslose Kredite zur Überbrückung wären da ein Ansatz.
Die Erleichterung der Endkunden wird für viele Unternehmen eine schwere Aufgabe bis hin zu Zahlungsschwierigkeiten führen.
Sehe ich nicht als Problem in der EE Branche…
Schneller die USt. entlasten? An was genau denken Sie dabei?
Der Vorsteuerabzug ist meiner Ansicht nach kein Problem.
@Alexander Grimm
Was wollten Sie uns mit Ihrem Kommentar mitteilen?
Wir eine „Entlastung“ durch die Finanzbehörden nach Ihren Ausführungen wirklich zu einer Lösungsfindung in der PV-Energie führen?
@PSI
Man stelle sich die Schweinerei mit dem Solarstrom von der Börse für Österreich Frankreich und die Schweiz vor mit wirklichen Schweinen.
Es wäre ein Skandal, der sofort gestoppt würde.
Denn die billigen Schweine aus Norddeutschland würden „abgeregelt“ sprich gekeult weil sie überflüssig sind und unverkäuflich.
Dafür würde der Schweinebauer aus Oberbayern nach Österreich liefern zu teureren Preisen als der Kunde in Österreich zahlt und die Differenz holt der Bauer sich dann vom Staat.
@RGS:
Also mehr und größere Autobahnen 🙂
@PSI & RGS: Den dargestellten Sachverhalt halte ich für ein Gerücht, denn das Merit Order Prinzip wurde nicht abgeschafft und kann auch nicht einseitig in einem Binnenmarkt auf Länder-, Bundes- oder Europaebene abgeschafft werden. Daher gelten die selben Börsenstrompreise für alle.
Anders sieht es aus, wenn wir unseren Strom im Norden z.B. an Frankreich und Polen verkaufen oder abregeln und im Süden aus der Schweiz oder Österreich einkaufen, weil die Übertragungsnetze von Nord nach Süd fehlen. Trotz allem gilt, mit kleinem Verlust verkaufen ist ökonomisch und ökologisch besser als den vollen Preis bezahlen und wegkippen. Der Handel lebt vom Geben und Nehmen.
Die Gaskraftwerke laufen, um die notwendige Dynamik vorzuhalten und weil Wärme in größeren Gebäuden sowie Fernwärme sinnvollerweise oft durch BHKWs mit KWK realisiert wurde. Wenn ich Wärme brauche, dann fällt Strom als Nebenprodukt ab.
Man muss die Photovoltaik-Strategie und den zweistufigen Industriestrompreis schon etwas genauer lesen um den Plan zu verstehen. Hier wird unter anderem auch genau diese Problematik adressiert, indem man die Nebenkosten so reduziert, damit es überhaupt attraktiv wird, Überschüsse zu verheizen.
Wir erweitern unser Energiesystem alle 40 Tage um die Leistung eines Atomreaktors. Das bedeutet, dass auch die Verbraucherseite in die richtige Richtung gelenkt werden muss. Statt auf die Bremse zu stehen, wird ordentlich Gas gegeben. Die Photovoltaik-Strategie sehe ich eher als einen kurzen Boxenstopp, damit man mit besseren Reifen optimal durch die Kurven kommt.
Ich habe großen Respekt davor, dass unser Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auch unbequeme, jedoch rationale Entscheidungen trifft, auch wenn dadurch seine Popularität leiden sollte und dass er trotz allem zu Kurskorrekturen bereit ist.