In der alten, fossil geprägten Energiewelt wird die Netzfrequenz wesentlich über die Trägheit der Schwungmassen von Großkraftwerken stabilisiert. In naher Zukunft jedoch werden auch Erneuerbare-Anlagen die Netzdynamik bestimmen – über die Regelung ihrer Stromrichter. Um die Steuerung der Netze bei einem hohen Photovoltaik- und Windenergie-Anteil abzusichern, arbeitet das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE zusammen mit Partnern jetzt im Forschungsprojekt LI-SA an digitalen Assistenzsystemen für Netzbetreiber. Sie sollen eine vorausschauende Online-Bewertung des Zusammenspiels von Anlagen mit geringer mechanischer Trägheit in den Leitwarten der Netzbetreiber ermöglichen.
Neben dem Fraunhofer IEE als Koordinator sind das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, die Unternehmen PSI Software und Avasition sowie die Übertragungsnetzbetreiber Tennet und TransnetBW an dem Projekt beteiligt. Das Bundeswirtschaftsministerium fordert das Vorhaben in den kommenden drei Jahren mit insgesamt 4 Millionen Euro.
„Versorgungssicherheit bedeutet, den Strombedarf der elektrischen Lasten jederzeit und in definierter Qualität abzudecken“, erläutern die Projektleiter Diana Strauß-Mincu und Thomas Degner vom Fraunhofer IEE. „Dazu müssen Frequenz und Spannung im Netz stabil gehalten werden. Diese Aufgabe wird mit dem Umbau der Energieversorgung deutlich komplexer, und wir benötigen neue Rechenmodelle, die alle relevanten Vorgänge und insbesondere die stromrichtergekoppelten Anlagen im Netz berücksichtigen.“
System soll dynamische Stabilitätsbetrachtungen ermöglichen
In einem vernetzten System können lokale Fehler über Kettenreaktion eine große regionale Wirkung entfalten. Daher sind neben Momentaufnahmen auch Bewertungen wichtig, die die zeitliche und räumliche Entwicklung berücksichtigen. Den Schwerpunkt von LI-SA bildet deshalb die Entwicklung eines modularen Assistenz-Tools, das die heutigen Assistenzsysteme um dynamische Stabilitätsbetrachtungen ergänzt. Erprobt wird das Tool mit einer Simulation der realen Vorgänge im Stromversorgungssystem: Ein digitaler Zwilling des Netzes ermöglicht anhand bekannter Netzdaten eine dynamische Sicherheitsbewertung.
Der digitale Zwilling soll Einblicke in das Zusammenspiel der Anlagen über die verschiedenen Spannungsebene hinweg eröffnen. Im Mittelpunkt der Forschung steht dabei die Systemträgheit. „Im Forschungsprojekt LI-SA wird die jeweils momentan verfügbare Trägheit der Anlagen in stromrichterdominierten Netzen erfasst und damit die Frequenzstabilität bewertet. Weitere wichtige Aspekte sind Stabilitätsanalyse und -bewertung der Stromrichterregelungen“, berichtet Strauß-Mincu.
Zubau stromrichtergekoppelter Anlagen verändert die Dynamik der Stromsystems
Das Forschungsinteresse spiegelt die Veränderungen in der Stromerzeugung: In einem System mit Großkraftwerken bringen große Schwungmassen Trägheit und Stabilität in die Netze. Die konventionellen Photovoltaik- und Windkraftanlagen reagieren hingegen innerhalb von Bruchteilen von Sekunden und je nach Technologie beziehungsweise eingesetzter Regelung unterschiedlich, da technische Niveaus verschiedener Baujahre nebeneinander existieren: die konventionellen Stromrichter folgen der Spannung am Netzanschlusspunkt, während neue netzbildende Einheiten am Netzanschluss eine Spannung einprägen und sich eher wie Synchrongeneratoren verhalten.
Bisher waren derartige Assistenzsysteme nicht erforderlich, weil die Netzbetreiber sich auf das träge Verhalten der konventionellen Kraftwerke und ihre jahrzehntelange Erfahrung verlassen konnten. Der rasante Zubau stromrichtergekoppelter Anlagen verändert die Dynamik der Stromsystems und machen neue Tools erforderlich, um das hohe Stabilitätsniveau zu halten oder sogar zu verbessern.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Hier soll wohl mal wieder der Karren das Pferd ziehen.
„Schwungmassen“ stabilisieren das Netz nicht sondern destabilisieren es. Ohne direktgekoppelte Schwungmassen gäbe es gar keinen Frequenzdrift. Und dementsprechend müsste auch keine Frequenz stabilisiert werden.
Davon einmal abgesehen haben Windkraftwerke selbstverständlich auch Schwungmassen, diese sind aber oft nicht direkt gekoppelt sondern via AC-DC-AC entkoppelt. Das hat den Vorteil, dass sich diese Windräder nicht an der angeblichen „Frequenzstabilisierung“ beteiligen und sich frequenzneutral verhalten.
Würden die Großgeneratoren ebenfalls entkoppelt werden, gäbe es die Problematik nicht und man könnte die Frequenz ganz nach Bedarf anpassen. Allerdings gibt es kaum noch direktgekoppelte Motoren, da sich diese Ineffizienz und Inflexibilität kaum noch Jemand leisten mag. Deswegen macht eine Frequenzanpassung kaum noch Sinn, da die Effekte auf die Last kaum noch relevant sind.
Um das noch einmal zu erwähnen, die Frequenzänderung is alleine der Drehzahländerung der direktgekoppelten Generatoren geschuldet und ist ein teurer Spaß für die Steuer-/Rechnungszahler.
Der Grund ist die Weiterverwendung von antiquierter Technologie aus der Westinghouseschen Epoche, das reicht von unzureichender Primärenergieregelung (jupp, von neumodischem Kram wie Steuerung will ich gar nicht nicht erst anfangen) über weitgehend fehlende Netzzustandserfassung bis zu Hardware, deren Designgrundlagen über hundert Jahre alt sind. Angeblich aus Kostengründen wird gespart, koste es was es wolle. Konsequenz ist unter anderem Abschaltung von Erneuerbaren und freizügige Beheizung der Hoch- und Höchstspannungsleitungen (der Stromfluss zur Synchronisierung wird über den ohmschen Widerstand verheizt und kommt nie bei einem Nutzer an).
Aber gut, dass auch hier langsam Bewegung in die Sache kommt. Nachrichten über „gridforming“ Hardware sind ja nun schon seit geraumer Zeit nicht mehr geeignet, um noch Ausrufe des Erstaunens auszulösen.
Wenn „Schwungmassen“ (Windkraft hat hier richtig was zu bieten) nicht zur Synchronisierung eingesetzt würden, dann könnten diese tatsächlich einen Beitrag zur Netzstabilisierung leisten, dazu muss aber die Direktkopplung aufgehoben werden, ebenso wie die Leistungsmaximierung. Dann wäre Steuerung möglich wo jetzt noch Beten die Devise ist.
Hallo Dirk,
Du hast offensichtlich die Grundlagen der Wechselstromtechnik und der Wirkleistungsübertragung in Drehstromsystemen nicht richtig verstanden. Ich kann daher deine Aussagen nicht unwidersprochen stehen lassen.
Frequenz und Lastwinkel sind entscheidende Faktoren. Ohne diese Basisgrößen würde ein Verbundnetz wie wir es heute haben nicht funktionieren. Massenträgheit und somit Schwungmassen spielen dabei eine entscheidende Rolle um das Netz bis zum Eingreifen von Regelenergie stabil zu halten. Bei neueren Windkraftanlagen die mit einem Wechselrichter an das Netz gekoppelt sind wird die nicht mehr direkt nutzbare Massenträgheit sogar künstlich nachgebildet „Synthetische Massenträgheit“
Erich Kruckenhauser schrieb:
„Du hast offensichtlich die Grundlagen der Wechselstromtechnik und der Wirkleistungsübertragung in Drehstromsystemen nicht richtig verstanden.“
Ohh? Dann bitte ich doch einmal um die Formel, welche den Zusammenhang von Frequenz, Spannung und Strom aufzeigt, ohne mechanische Energie zu berücksichtigen?
Frequenz und Lastwinkel sind hier alleine in der Mechanik verankert und haben rein gar nichts mit der Elektrik zu tun.
Und ja, solch antiquierten Netze haben tatsächlich den Endzustand von Systemen erreicht, wie du bereits umschrieben hast („Ohne diese Basisgrößen würde ein Verbundnetz wie wir es heute haben nicht funktionieren.“). Dieses System ist im Zustand der Selbsterhaltung.
Nenne einen einzigen Lastfall, welcher nicht direkt mit einem direktgeschalteten Generator/Motor zu tun hat, welcher diese „Massenträgheit“ im Subhalbwellenbereich erfordert.
Die „(synthetische) Massenträgheit“ hat alleine einen Zweck, jene fossilen direktgekoppelten Generatoren nicht aus dem Ruder laufen zu lassen => reine Selbsterhaltung. Massenträgheit erfordert schlicht Massenträgheit zur Kompensation. Nicht weil das notwendig ist, sondern weil wir es notwendig gemacht haben. Es ist schlich kein Bestandteil des elektrischen Systems.
Aber ich lasse mir ja gerne einmal von Jemandem mit solcher Kompetenz erklären, warum sich die Frequenz ändert? Wie gesagt, dann aber notwendigerweise ohne die Primärenergie und Winkelgeschwindigkeit des Generators/Motors, welche keine elektrischen Groessen sind, einzubeziehen.
Im Gegenzug biete ich an, die Rechnung aufzuzeigen, wie mechanische Energie und Winkelgeschwindigkeit zusammenhängen und welche lächerlich kleine Energiemengen tatsächlich von einem direktgekoppelten Grossgenerator zur angeblichen „Stabilisierung“ zur Verfügung stehen, wenn wir innerhalb der vorgeschriebenen Netzfrequenz verbleiben wollen.
Diese angebliche Stabilisierung ist reiner Mummenschanz zur Rechtfertigung der Nachnutzung von antiquierter Technik ohne sich an den Stand der Technik anpassen zu müssen. Die Verwurzelung ist keinesfalls in der Elektrik zu finden sondern in der Buchhaltung.
Erich, da du dich mit der Materie auszukennen scheinst, könntest du ja noch mit einflechten, welche Rolle (und vor allem Größenordnung) HVDC Leitungen und Interkonnektoren (auch HVDC) spielen?