Rettung durch das „Space Race“

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Gleich nachdem er von dem Durchbruch erfuhr, der Chapin, Fuller, und Pearson gelungen war, arrangierte General James O’Connell, ein Stabsoffizier des U.S. Army Signal Corps mit einem wachen Auge für technologische Entwicklungen, einen Besuchstermin für den Forschungsleiter des Corps, Dr. Hans Ziegler, bei den Bell Laboratories. Ziegler, der während des Zweiten Weltkriegs in Deutschlands Raketenprogramm mitgearbeitet hatte und als angesehener Wissenschaftler mit Wernher von Braun in die USA gekommen war, um die Vereinigten Staaten im Kalten Krieg zu unterstützen, war tief beeindruckt von dem, was er in den Bell Laboratories zu sehen bekam. Nach seinem Besuch erklärte er seinen Kollegen: „Die zukünftige Entwicklung [der Siliziumsolarzelle] kann aus ihr durchaus eine wichtige Stromquelle machen. Die Dächer auf all unseren Gebäuden in den Städten würden, mit Solar[zellen] ausgestattet, ausreichen, um die gesamte Nachfrage nach Elektrizität dieses Landes zu decken.“ In seinem Bericht an General O’Connell betonte Ziegler die Wichtigkeit der Siliziumsolarzelle noch nachdrücklicher und sagte: „Langfristig hat die Menschheit keine andere Wahl, als sich der Sonne zuzuwenden, wenn sie überleben will.“
Ziegler und seine Mitarbeiter machten sich sofort daran, die „Potenziale der neuen Erfindung“ für den Signal Corps [Fernmeldeeinheit] zu erkunden, dessen Aufgabe es war, zuverlässige Kommunikationssysteme für das Militär bereitzustellen und zu warten.
Nach Monaten der Suche standen sie mit leeren Händen da, „mit einer Ausnahme“, wie Ziegler an O’Connell berichtete. Diese „eine Anwendung“ war ein streng geheimes Projekt mit dem Decknamen „Operation Lunch Box“ [Operation Brotdose]: die Konstruktion und der Start eines künstlichen Satelliten. Der Signal Corps argumentierte, dass Solarenergie die logische Energiequelle für das Kommunikationssystem des Satelliten sei, und demonstrierte, dass Siliziumsolarzellen am besten geeignet waren für den Job.
Die Air Force vertrat in einem parallel verfassten Bericht eine ähnliche Position, indem sie vorschlug, dass Bell-Solarzellen die Elektrizität liefern sollten für jeden Satelliten, den sie startete. Befreit von den terrestrischen Hemmnissen der Sonneneinstrahlung, namentlich Wetter und Nachtzeit, würden „Operationen über der Erdatmosphäre“, so die Überzeugung des Signal Corps, „ideale Bedingungen für Solarenergie-Konverter bieten“. Eine winzige Anlage könne die kleine Menge an Energie liefern, die von der transistorbestückten Kommunikationsausrüstung an Bord eines Satelliten benötigt wurde, ohne die Nutzlast zu erschöpfen. Obendrein gebe es theoretisch keine Abnutzung bei den Siliziumsolarzellen, im Unterschied zu der anderen Energieoption – Batterien –, die nach sieben bis vierzehn Tagen ausfiele. Der Signal Corps kam daher zu dem Schluss: „Wenn es um eine längere Operationsdauer und eine Begrenzung der Last geht … erscheint das photovoltaische Prinzip am vielversprechendsten.“
Ziegler wusste, dass seine Idee, Satelliten mit Solarzellen zu betreiben, nicht neu war. „In der Tat gehörte Solarenergie schon lange zur Standardausrüstung in Science-Fiction-Geschichten“, schrieb er. Schon 1945 hatte Arthur C. Clarke zum Beispiel für den Start von drei Raumstationen plädiert, um ein weltweites Kommunikationsnetzwerk bereitzustellen. Die Weiterentwicklung der photoelektrischen Bauteile, argumentierte Clarke, würde es möglich machen, Satellitenübertragungssysteme mit Solarenergie zu betreiben.
Science-Fiction kam der Wirklichkeit ein Stück näher am 30. Juli 1955, als Präsident Eisenhower erklärte, dass Amerika plane, einen Satelliten in den Weltraum zu bringen. Eine Zeichnung neben Eisenhowers Presseerklärung auf Seite eins der New York Times zeigte Siliziumsolarzellen als Energiequelle. Die Times zitierte den Konstrukteur, Dr. S. Fred Singer, mit dem Vorschlag, „die neuen Solar-‚Batterien’ der Bell Telephone Laboratories zu verwenden, um elektrischen Strom für die Übertragung von Daten vom Satelliten an die Erde zu erzeugen“.

Die Navy wird zum Problem

Der Start sollte Teil eines internationalen Forschungsprojekts sein, das unter dem Namen Internationales Geophysikalisches Jahr (IGJ [englisch: IGY]) Technologien, die im Zweiten Weltkrieg und danach entwickelt wurden, zur Erforschung der Erde und des Weltraums einsetzen sollte. Um den kooperativen Charakter des Weltraumbeitrags des Programms zu betonen, sagte Ziegler: „Es wurde jede Anstrengung unternommen, um … friedliche Ziele [hervorzuheben] … und den Eindruck zu vermeiden, das Projekt markiere den Weltraum als zukünftiges Schlachtfeld und signalisiere den Beginn eines entsprechenden Wettrüstens.“ Mit diesen Worten im Hinterkopf prüfte ein spezielles ziviles Komitee, das sich aus führenden amerikanischen Wissenschaftlern zusammensetzte, die Satellitenentwürfe der Air Force, der Army und der Navy. Die Navy gewann den Wettbewerb. Sie hatte vorgeschlagen, eine neue Rakete zu entwickeln, während die anderen beiden Militärzweige den Einsatz bereits verwendeter Projektile vorschlugen. Dem Komitee erschien eine ganz neue Rakete weniger mit dem vergangenen Militarismus behaftet zu sein und eher im Einklang mit dem vorgegebenen Leitmotiv des internationalen Programms, dem friedlichen Streben nach wissenschaftlicher Erkenntnis, die das menschliche Leben verbessert. Mit der Auswahl der Navy „schienen die Aussichten auf die Einführung von Solarenergie [in der Raumfahrt] eher trübe zu sein“, so Ziegler.
Von Anfang an hatte die Navy die Verwendung von Siliziumzellen ausdrücklich ausgeschlossen als „unkonventionell und nicht vollständig bewährt“. Auf Grundlage einer solchen Argumentation, antwortete Ziegler, könnte das gesamte Weltraumprojekt in den Reißwolf gesteckt werden, da genauso wenig jemals der Versuch unternommen worden war, einen Satelliten zu starten. Die beharrlichen Versuche von Ziegler und seinen Mitarbeitern, „die Navy davon zu überzeugen, dass Solarzellen kaum weniger zuverlässig sein könnten als chemische Batterien mit begrenzter Lebensdauer“, trafen auf wenig Resonanz.
Die sture Weigerung der Navy, sich der Vernunft zu beugen, brachte Ziegler dazu, einen Kreuzzug für den Einsatz von Solarzellen auf Amerikas erstem Satelliten zu führen. Sein leidenschaftliches Bestreben, „der Menschheit den Nutzen dieser Erfindung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen“, überwog jegliche Skrupel, das Protokoll zu verletzen. Er brachte seinen Fall daher vor ein anderes Forum, den technischen Ausschuss des Earth-Satellite-Programms, einer zivilen Gruppen von prominenten Wissenschaftlern, die den Fortschritt von Amerikas neuem Weltraumprogramm beaufsichtigten. Das Signal Corps präsentierte dem Ausschuss einen „Vorschlag für die Verwendung von Solarenergie im IGY-Satellitenprogramm“ und bot „Beratung und Unterstützung für alle internen gerätetechnischen Projekte“.

Selbst die NY Times war skeptisch

Der zivile wissenschaftliche Ausschuss reagierte ganz anders als die Navy, die Ziegler die kalte Schulter gezeigt hatte, und nahm seine Ideen enthusiastisch auf. Der Ausschuss war auch nicht begeistert von der Idee, sich auf Batterien zu verlassen, weil diese „die meisten Apparate an Bord … [zu] einer Lebensdauer von nur ein paar Wochen“ verdammten, während „fast alle der Experimente einen weitaus größeren Wert haben werden, wenn sie mehrere Monate lang oder länger durchgeführt werden können“. Daher stellten sich die Wissenschaftler auf die Seite von Ziegler mit den Worten: „Es ist von höchster Wichtigkeit, ein Solarbatteriesystem [an Bord] zu haben.“
Das Forschungslabor der Navy musste dem Druck des zivilen Aufsichtskomitees nachgeben und den Signal Corps bitten, an seinem Satellitenprogramm, dem „Projekt Vanguard“, teilzunehmen und die Konstruktion des Solarzellen-Energiesystems zu übernehmen. Ziegler und seine Mitarbeiter entwickelten bereitwillig einen Prototypen, der einzelne Solarzellen auf der Oberfläche des Satellitengehäuses gruppierte. Sie entwarfen Module, die „mechanische Stabilität gegen Erschütterung und Vibration [boten] und den thermischen Anforderungen einer Weltraumfahrt entsprachen“. Um ihre Zuverlässigkeit im Weltraum zu testen, befestigte das Signal Corps in Zusammenarbeit mit dem Naval Research Laboratory Zellgruppen an der Spitze von zwei Raketen, die in große Höhen fliegen konnten. Die eine Rakete erreichte eine Höhe von 126 Meilen (203 Kilometer), die zweite 192 Meilen (310 Kilometer), hoch genug, um die Bedingungen des Weltraums zu erproben. „Bei beiden Abschüssen funktionierten die Solarzellen perfekt“, berichtete Ziegler bei einer internationalen Raumfahrtkonferenz, die im Herbst 1957 stattfand. Eine Pressemitteilung des US Signal Corps fügte hinzu: „Ihre Energie war ausreichend für die Satelliteninstrumente … [und sie wurden] nicht beeinträchtigt durch die Temperaturen, die durch die Oberflächenreibung entstehen, wenn sich die Raketen bei einer Meile pro Sekunde durch die Atmosphäre bewegen.“ Doch die Skepsis blieb.
Die New York Times verriet ihre Zweifel, als sie über die Raketenstarts berichtete. In einem seltenen Fall von Kommentierung in einem nachrichtlichen Bericht wurden die Worte „Beweis“ und „bewiesen“ in Anführungszeichen gesetzt, als über die Analyse der Testergebnisse des Militärs informiert wurde. Der Artikel deutete auch an, dass die Navy ihre Opposition gegen Solarzellen nicht aufgegeben hatte, trotz deren Erfolge im Weltraum, und berichtete: „Wenigstens die ersten vier Satelliten werden wahrscheinlich herkömmliche chemische Batterien als Energiequellen verwenden.“
Die Chance für Ziegler und seine Mitarbeiter kam im August 1957. Im Vanguard-Programm gab es Probleme und Verzögerungen. Um den Start zu beschleunigen, wurde entschieden, eine Anzahl von grapefruitgroßen Kugeln in den Orbit zu schicken, die nichts als einen Transmitter enthielten. Die veränderten Pläne, so Ziegler, eröffneten „eine großartige neue Gelegenheit, unseren solaren Energielieferanten eine Freifahrt zu verschaffen“, da „eine beträchtliche Gewichtskapazität freibleiben würde. Die Navy gab, nach viel Druck, schließlich nach und erlaubte, dass die unausgelastete Kapazität von einer Gruppe von Solarzellen und ihrem Transmitter verwendet wurde“ – auf dem ersten Satelliten, der gestartet werden sollte. Das Signal Corps nahm sofort Kontakt auf mit Hoffman Electronics, der Firma, die erfolglos versucht hatte, die Regierung für den Kauf ihrer Solarmodule für terristrische Zwecke zu interessieren. Eugene Ralph, damals Hoffman-Ingenieur, erinnert sich, wie er einige der Zellen für den Vanguard montierte.Nach einigen Fehlversuchen ging der erste Satellit mit Solarzellen an Bord am St. Patrick’s Day des Jahres 1958 in den Orbit. 19 Tage später titelte die New York Times: „Vanguard-Funk versagt/Chemische Batterie vermutlich erschöpft/Solareinheit funktionstüchtig“. Am ersten Jahrestag des Vanguard-Starts ließ der Signal Corps die Öffentlichkeit wissen, dass „[d]er sonnenbetriebene Vanguard I … immer noch treu seine Funksignale an die Erde sendet“. Der kleine, mit Solarzellen ausgestattete Vanguard-Satellit erwies sich als viel wertvoller für die Wissenschaft als die beiden ersten, viel größeren Sputniks, die aufgrund ihrer Abhängigkeit von herkömmlichen Batterien nach etwa einer Woche im Weltraum verstummten. „Die Langlebigkeit des solarbetriebenen Transistorfunks [der Vanguard] überstrahlt sie alle“, prahlte das Signal Corps. Der langlebige Transmitter ermöglichte es Kartografen, die Lage der pazifischen Inseln zu identifizieren, und half Geophysikern, die Form der Erde zu bestimmen.
Ziegler wertete sorgfältig das Vermächtnis des Vanguard an die Photovoltaik aus und schrieb zwei Jahre nach dem Start: „Diese Solarausrüstung hat das Vorurteil dieser Zeit gegen die Verwendung von Solarzellen in Weltraumanwendungen gebrochen.“ Wichtiger noch, so Dr. Hans Ziegler fast 20 Jahre später, ohne Solarenergie „wäre nicht viel von unserer vergangenen und zukünftigen Erforschung und der wirtschaftlichen, praktischen Anwendung der Weltraumfahrt möglich gewesen“.

Er sollte im Gedächtnis bleiben

Später sprach sich Ziegler mit dem gleichen Engagement, das er für die Solarisierung des Vanguard gezeigt hat, für die Konstruktion und den Start von solarbetriebenen Kommunikationssatelliten aus. Anfangs schien die Opposition gegen seine neue Schlacht genauso unüberwindbar wie in der Kontroverse um den Vanguard. Einige Jahrzehnte später bemerkte Darryl Chapin, dass Dr. Ziegler sich wiederum bestätigt gefühlt haben muss durch „die moderne, weltweite Echtzeit-Kommunikation über Satelliten als Alltagserfahrung“. Im Frühjahr 1998 erfuhr die Welt von der Bedeutung, die die solarbetriebenen Kommunikationssatelliten für die Gesellschaft haben, als der Verlust eines solchen Satelliten 90 Prozent von Amerikas 45 Millionen Funkempfängern zum Schweigen brachte.
Ziegler und Chapin schätzten einander und korrespondierten zu mehreren Gelegenheiten in den späten 1970er Jahren. Obwohl der alternde Darryl Chapin sich 15 Jahre später nicht mehr an Zieglers Namen erinnern konnte, schätzte der Mitentdecker der Siliziumsolarzelle weiterhin die Wichtigkeit von Zieglers Beitrag hoch ein. „Ich wünschte, ich könnte mich an den Namen des Wissenschaftlers erinnern, [dem] es gelang, Solarzellen auf den kleinen Grapefruit[-Satelliten] zu installieren“, schrieb er, „denn er zählt zu den Großen und sollte im Gedächtnis behalten werden.“
Im nächsten Teil unserer Serie bringt Elliot Berman die Solarzellen auf die Erde zurück durch die Entwicklung eines erheblich preiswerteren Solarmoduls.

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