Auch wer Drosselspulen nicht kennt, hat sie vielleicht schon öfter gehört: Wenn aus dem Keller, in dem der Wechselrichter installiert ist, ein Brummton dringt, liegt es oft an diesen Bauteilen. Doch nicht nur der Ton stört, auch die elektrischen Verluste, die in den Spulen entstehen. Das ist das Metier von Stefan Schauer. „Wir führen gerade wieder neue Werkstoffe ein“, sagt er. Der technische Vertriebsleiter arbeitet bei Sintermetalle Prometheus, auch bekannt als SMP, an Spulen, die den Wirkungsgrad von Wechselrichtern weiter steigen lassen. „Haben die Drosseln zehn Prozent weniger Verlust, geht er um 0,5 Prozent nach oben“, sagt er.
Im Solarwechselrichter gibt es mehrere Spulen, aber die Glättungsdrossel am netzseitigen Ausgang der Wechselrichterschaltung ist besonders kritisch: Ein Wechselrichter zerhackt zunächst mit hoher Frequenz den Gleichstrom, den der Solargenerator am Eingang liefert, und setzt die Bruchstücke dann zum Wechselstrom in der richtigen Polarität zusammen. Strom und Spannung verlaufen dadurch treppenförmig und nicht glatt. Eine Schaltung mit einer Drosselspule glättet Strom und Spannung zu einem sinusförmigen Verlauf und unterdrückt so gut wie möglich störende Oberwellen.
Drosselspulen sind dabei schon aus den Anfängen der Elektrotechnik bekannt. Im Elektroumrichterwerk AEG Power Solutions Warstein-Belecke hat man etwa schon vor Jahrzehnten Glättungsdrosseln in Wechselrichter gebaut; damals waren die Leistungsschalter Quecksilberdampfventile oder Thyristoren. Deren Schaltfrequenz war mit 50 Hertz gleich der Frequenz der Wechselspannung des Stromnetzes und damit so niedrig, dass sie große, rechteckige Wechselspannungspakete produzierten. Die Spule musste damals also sehr große Treppenstufen glätten. Mit dem Fortschritt bei den Halbleiterbauelementen änderten sich jedoch die Anforderungen. Heute zerhacken meist IGBT (Insulated Gate Bipolar Thyristors) oder Leistungstransistoren den Solar-Gleichstrom zu Wechselstrom. Das tun sie wesentlich schneller, als es Thyristoren konnten. Dadurch folgt der Wechselspannungsverlauf nach den Leistungsschaltern schon recht gut der Sinusform des Netzes. Die Drossel übernimmt nur noch das Feintuning.
Dass dieses Thema trotzdem Relevanz hat, zeigt ein Produkt, das Kaco New Energy jüngst vorstellte. Der Powador Supreme 4000 arbeitet wahlweise mit zwei Taktfrequenzen. Mit 18 Kilohertz betrieben hat er einen Wirkungsgrad von 97 Prozent, mit halber Taktfrequenz, also neun Kilohertz, sind es 0,2 Prozentpunkte mehr. Dafür steigt der Geräuschpegel laut Unternehmen in den hörbaren Bereich.
Das Funktionsprinzip der Drosselspule sieht dabei zunächst nicht gerade nach Hightech aus. Sie besteht im Wesentlichen aus einer Drahtwicklung. Fließt Strom durch den Draht, erzeugt er ein Magnetfeld wie in einem Elektromagneten. Jedes Mal, wenn die Wechselspannung sich umpolt, muss sich auch das Magnetfeld umpolen, das die Spulen umgibt. Das sich umpolende Magnetfeld wirkt auf den Strom in der Spule zurück wie in einem Stromgenerator. Fachleute bezeichnen das mit dem Begriff der Selbstinduktion. Dieser Rückkopplungsprozess bewirkt eine Glättung. Da das Magnetfeld der Spule Energie enthält, ist die Spule genau genommen ein Kurzzeitspeicher. Um den Effekt zu verstärken, wickelt man den Draht um einen magnetisierbaren Kern.
So weit die einfache Theorie. In der komplizierten Praxis drehen die Spulenhersteller an den drei Stellschrauben Material, Wicklung, Kerndesign. So wollen sie Geräusche, Platzbedarf, Oberwellen beim Strom und die Verluste minimieren. Dabei ist auch das Gewicht nicht zu vernachlässigen. In einem modernen trafolosen Fünf-Kilowatt-Wechselrichter macht die Drosselspule rund ein Viertel des Gewichts von 20 Kilogramm aus. Das liegt besonders am magnetisierbaren Kern, und an ihm scheiden sich die Geister. Es gibt Drosseln mit Metall-, Ferrit- und Pulverkernen.
Die Größe hängt nicht zuletzt von den Materialeigenschaften ab. Bei einer kleinen Spule ist die Magnetfeldstärke im Kern sehr hoch. Das ist zum einen ein Problem, weil die Materialien ab einer gewissen Höhe das Magnetfeld nicht weiter verstärken – Sättigungsinduktion nennen die Experten den Grenzwert. Zum anderen entstehen in Materialien unter Umständen höhere Verluste, wenn das Magnetfeld hoch ist. Besonders komplex ist die Situation, weil nicht unbedingt die Materialien mit einer hohen Sättigungsinduktion, die ja gewünscht ist, bei starken Magnetfeldern geringe Verluste haben. Deshalb gibt es unterschiedliche Philosophien und Lösungen.
Gutes Material ist teuer
Kaco arbeitet derzeit zwar noch viel mit Eisenpulverkernen. „Allerdings werden die aktuell verwendeten Pulvertypen abgelöst“, sagt Frank Phlippen, kürzlich vom Drosselspulenhersteller Kaschke als Entwicklungsleiter zum Wechselrichterproduzenten gewechselt. Ob Pulver die richtige Lösung ist, hängt von der Anwendung ab. „Wenn ich hohe Rippelströme habe, kann ich kein Eisenpulver einsetzen“, erklärt Phlippen und meint damit die Oberwellen im Ausgangsstrom. Kaco verwendet in diesen Fällen Ferritkerne. Sie sind außerdem kleiner, obwohl das Eisenpulver eine zwei- bis dreimal höhere Sättigungsinduktion hat. „Ein Eisenpulverkern wäre also theoretisch ein Drittel so groß zu bauen wie ein Ferritkern“, sagt Phlippen. Doch Eisenpulver hat bei starken Magnetfeldern höhere Verluste, deshalb hilft die höhere Sättigungsinduktion nur wenig. Man muss Eisenpulverkerne größer bauen, um das Magnetfeld zu verteilen – sie sind deshalb auch schwerer.
Auch Jens Gunkel, Entwickler beim Drosselbauer Kaschke Components, sieht die Verwendung der Pulverkerne skeptisch. „In der Vergangenheit wurden auch bei uns viele Spulen auf Eisenpulverbasis gebaut, da sie einfachere Kernformen erlauben. Dafür gibt es aber Verluste ohne Ende.“ Er setzt jetzt auch auf Ferrite. „Bei mittleren Leistungen haben die heutigen Kernformen auf Basis von Ferriten geringe Verlustleistungen.“
Es geht aber noch besser. Frank Phlippen hat andere Materialmischungen im Blick: Nickel- oder Eisenlegierungen, die bis zu zwölf Prozent Silizium enthalten. Zwar seien die Verluste gleich oder höher als bei den Ferriten, dafür könne man die Kerne damit kleiner bauen. Das liegt daran, dass sie höhere Feldstärken vertragen. Im Flugzeug sind sie heute Standard, für die Solartechnik noch zu teuer. Am Ende ist das eine Frage der Kosten. „Es gäbe genügend andere Werkstoffe, die von den magnetischen Eigenschaften her noch günstiger sind“, sagt Jens Gunkel.
Im Einzelfall ist die Optimierung von Form und Material eine sehr komplizierte Berechnung, in der das Know-how der Spulenhersteller steckt. Mauricio Esguerra von Falco Electronics, einem US-Hersteller für Magnetkerne, hält die Entwicklung deshalb noch lange nicht für ausgereizt. Es gibt einfach zu viele Materialeigenschaften und physikalische Parameter, die eine Rolle spielen, so dass man das Problem nicht darauf reduzieren kann, ob die Ströme hoch oder niedrig sind. Bei niedrigen Taktfrequenzen und hohen Strömen durch die Spule eignen sich zum Beispiel im Prinzip Ringkerne aus Eisen-Legierungspulver besser als Ferritkerne. Wenn die Taktfrequenzen hoch sind und die Ströme niedrig, seien theoretisch Ferritkerne mit aufgeteiltem Luftspalt besser. Glaubt man Esguerra, dann hat Falco das beste, rechnergestützte Drosselauslegungsprogramm der Welt, um die optimale Kernform-Material-Kombination zu finden.
Auch Stefan Schauer von SMP sieht noch Chancen für die Pulverkerne, wenn nicht die Aufgabe besteht, besonders klein zu bauen. Zudem experimentiert SMP mit Pulververbundwerkstoffen. „Das sind Eisenpulverkörnchen mit Kunststoff gemischt, verpresst und getempert“, erklärt Schauer. Mit seinen neuen Werkstoffen sind seiner Einschätzung nach auch bei altbekannten Kernformen Wirkungsgradsteigerungen von mehreren Prozentpunkten drin: Mit SMP-Technologie seien deshalb auch Wechselrichter mit 99 Prozent Wirkungsgrad möglich.
Auch was die unerwünschten Geräusche angeht, ist Schauer mit seiner Kunst noch nicht am Ende. Die Brummgeräusche entstehen, weil sich die Kerne mit der periodisch wechselnden Stromrichtung ausdehnen und zusammenziehen. Experten nennen diesen Effekt Magnetostriktion. Seit einigen Jahren bietet SMP auch magnetostriktionsfreie Werkstoffe an, bei denen dieser Effekt unterdrückt ist. Sie brummen kaum noch. „Das Material ist teurer, aber man spart sich die Lärmschutzmaßnahmen“, sagt der Experte. Das sei vor allem bei kleinen Wechselrichtern sehr wichtig, die in Wohnhäusern montiert werden sollen.
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