Union und SPD wollen Strompreise um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde senken

Regierungssitz Berlin

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Union und SPD wollen in einer gemeinsamen Bundesregierung die Stromsteuer für alle Verbraucher auf das europäische Mindestmaß senken sowie die Netzentgelte deckeln. Die Erneuerbare-Förderung soll stärker an den Markt geführt und der Smart-Meter-Rollout beschleunigt werden. Das geht aus dem Abschlusspapier der gemeinsamen Arbeitsgruppe „Klima und Energie“ für die Koalitionsverhandlungen hervor, das pv magazine vorliegt.

Die Unterhändler von Union und SPD konnten bei vielen Themen Einigkeit erzielen – in einigen zentralen Fragen weichen die Positionen aber noch weit voneinander ab. Eine Auswahl der wichtigsten Punkte:

Erneuerbare-Ausbau

Der Erneuerbare-Ausbau soll auch künftig in einem gesicherten Investitionsrahmen erfolgen, jedoch bei verstärkter Einbindung marktwirtschaftlicher Instrumente. Perspektivisch sollen sich die Erneuerbaren vollständig am Markt refinanzieren.

Die Photovoltaik-Förderung soll in Verbindung mit Speichern systemdienlich ausgestaltet werden. Betreibern von Bestandsanlagen wollen Union und SPD Anreize für eine netz- und systemdienliche Einspeisung geben. Die Bestimmungen des neuen Solarspitzengesetzes zur Nullvergütung bei negativen Preisen und der Direktvermarktung sollen überprüft werden. Die Parteien wollen zudem Anmeldeverfahren durch Digitalisierung und Standardisierung vereinfachen. Die Bedingungen für Agri-, Floating- und Parkplatz-Photovoltaik sollen verbessert werden.

Strompreise

Die Unterhändler von Union und SPD haben sich darauf geeinigt, den Strompreis für Unternehmen und Haushalte dauerhaft um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde zu senken. Dazu soll die Stromsteuer als Sofortmaßnahme für alle Verbraucher auf das europäische Mindestmaß gesenkt sowie Umlagen und Netzentgelte reduziert werden. Die Netzentgelte sollen gedeckelt werden.

Die Strompreiskompensation für energieintensive Unternehmen soll fortgeführt und auf weitere Branchen ausgeweitet werden. Zudem wollen Union und SPD Betriebe mit hohem Stromverbrauch von einem Industriestrompreis profitieren lassen. Energieintensive Unternehmen ohne Flexibilisierungspotenzial sollen wie bisher entlastet werden.

Stromnetz und Smart Meter

Union und SPD wollen den Netzausbau beschleunigen, die Genehmigungsverfahren für Netzanschlüsse sollen vereinheitlicht werden. Auch der Smart-Meter-Rollout soll beschleunigt und vereinfacht werden. Keine Einigkeit gibt es bei zwei wichtigen Punkten: Die Union will an einer einheitlichen Stromgebotszone festhalten, die SPD die Ausgestaltung mehrerer Gebotszonen unter Effizienzgesichtspunkten prüfen. Zudem will die Union die künftigen HGÜ-Leitungen wo möglich als Freileitung bauen, während die SPD den Vorrang der Erdverkabelung beibehalten möchte, um die Akzeptanz des Netzausbaus zu verbessern.

Flexibilitäten und Speicher

Die Unterhändler bekennen sich dazu, Hemmnisse bei der Flexibilisierung des Stromsystem abzubauen. Energiespeicher sollen als im überragenden öffentlichen Interesse anerkannt sowie im Zusammenhang mit privilegierten Erneuerbaren-Anlagen ebenfalls privilegiert werden. Die Mehrfachbelastung durch Steuern, Abgaben und Entgelte wollen Union und SPD soweit möglich abschaffen. Die regionale Nutzung ansonsten abgeregelten Stroms soll deutlich erleichtert werden.

Kraftwerksstrategie

Union und SPD wollen schnellstmöglich die Installation von bis zu 20 Gigawatt Gaskraftwerksleistung bis 2030 ausschreiben. Das soll technologieoffen geschehen. Reservekraftwerke wollen die Koalitionäre in spe nicht nur zur Vermeidung von Versorgungsengpässen, sondern auch zur Stabilisierung des Strompreises einsetzen.

Wasserstoff

Union und SPD betonen, dass für den schnellen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft Wasserstoff aus verschiedenen Quellen nötig ist – also auch blauer Wasserstoff, der fossilen Ursprungs ist. Sie wollen sich deshalb für „pragmatische nationale und europäische Regelungen“ im Rahmen der europäischen Wasserstoffstrategie einsetzen. Überregulierung müsse abgebaut werden.

Für das Wasserstoff-Kernnetz sollen in einer erweiterten Planung zusätzliche Trassen geschaffen werden. Um Nachfrage für den Wasserstoff zu schaffen, wollen Union und SPD Leitmärkte für klimaneutrale Produkte schaffen, etwa durch Quoten für klimaneutralen Stahl, eine Grüngasquote oder vergaberechtliche Vorgaben.

Kohleausstieg

Vom Ziel der vormaligen Bundesregierung, idealerweise schon 2030 aus der Kohle auszusteigen, verabschieden sich Union und SPD – es bleibt beim ursprünglich beschlossenen Ausstieg bis spätestens 2038. Wann Kohlekraftwerke vom Netz oder in die Reserve genommen werden, muss sich danach richten, wie schnell es gelingt, steuerbare Gaskraftwerke zuzubauen, so die Unterhändler.

Atomenergie

Die Union sieht im Energiemix der Zukunft auch Platz für die Atomkraft. Sie fordert eine Bestandsaufnahme, die zeigt, ob angesichts des jeweiligen Rückbaustadiums eine Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand möglich ist. Die Prüfung soll durch die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, die Reaktor-Sicherheitskommission und den TÜV erfolgen. Bis dahin soll der Rückbau der Anlagen umgehend gestoppt werden, möglichst durch eine freiwillige Vereinbarung mit den Betreiberunternehmen.

Darüber hinaus setzt die Union auf die Forschung zu AKWs der neuesten Generation, zu Small Modular Reactors und Fusionskraftwerken. Die SPD-Unterhändler tragen die Position der Union zur Atomenergie nicht mit.

Gebäudeenergiegesetz

Auch beim Gebäudeenergiegesetz (GEG) sind sich Union und SPD nicht einig. So will die Union das Gesetz explizit abschaffen. „Wir werden ein neues Recht schaffen, das einen Paradigmenwechsel weg von einer kurzfristigen Energieeffizienzbetrachtung beim Einzelgebäude hin zu einer langfristigen Betrachtung der Emissionseffizienz vollzieht“, formulieren die Vertreter der Union. Die Heizungsförderung soll fortgesetzt werden. Neubauten nach dem Effizienzhaus-55-Standard sollen künftig wieder gefördert werden.

Die SPD will das GEG dagegen ausdrücklich beibehalten. Die geltenden Regelungen sollen aber technologieoffener, flexibler und einfacher gestaltet werden. Auch die Sozialdemokraten wollen die Heizungsförderung fortsetzen, allerdings mit einer stärkeren sozialen Komponente. Finanzierungsinstrumente wie zinsvergünstigte Kredite, soziale Heiz-Mietmodelle sowie Abschreibungsmöglichkeiten im vermieteten Gebäudebestand sollen gestärkt werden.

„Ergebnisse weisen an vielen Stellen in die richtige Richtung“

Nach Einschätzung von Simone Peter, Präsidentin des Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), weist das Papier der AG Klima und Energie an vielen Stellen in die richtige Richtung. Die Absicherung der Erneuerbare-Investitionen müsse aber durchgängig über alle Sektoren und Leistungsklassen hinweg gewährleistet und die Defossilierung konsequent und entlang der weiter geltenden Klimaziele vorangetrieben werden. „So kann das bewährte Finanzierungsinstrument im EEG weiter im Sinne der Marktanpassung wirken und mit einem CfD-Mechanismus, wie von der EU erwartet, versehen werden“, sagt Peter. Für die weiter wachsenden Bedarfe für Strom, Wärme und Moleküle aus Erneuerbaren Energien dürfe auf keine grüne Kilowattstunde verzichtet werden. „Auch ist die breite Akteursvielfalt aus Akzeptanz-, Wettbewerbs- und Kosteneffizienzgründen zu sichern.“

„Der Zwischenstand lässt noch nicht erkennen, ob die neue Koalition ausreichende Maßnahmen zum Ausbau der Solarenergie ergreifen wird“, kommentiert Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW Solar). Handlungsbedarf und Handlungsdruck seien groß. „Der Photovoltaik-Ausbau auf Dächern muss beschleunigt werden, auf Freiflächen müssen Genehmigungen vereinfacht werden, Speicher von neuen Belastungen befreit bleiben, Netzanschlüsse brauchen einen Turbo, die Digitalisierung ebenfalls, vom Strommarkt ganz zu schweigen.“ Der BSW Solar warne vor neuen Belastungen und großflächigen Eingriffen durch subventionierte fossile Kraftwerke in den Markt.

Bastian Gierull, CEO von Octopus Energy Germany, sieht die Bundesregierung bei der Energiewende zwar auf Kurs – sie fahre aber mit angezogener Handbremse. „Wir begrüßen, dass die Koalition bei Smart Metern nachbessern will und dass die Strompreise gesenkt werden“, sagt Gierull. Für das große Ziel eines kosteneffizienten, zukunftsfähigen Energiesystems fehlten aber die konkreten Maßnahmen. „Leider werden mit konventionellen Kraftwerken wieder Lösungen aus der alten Energiewelt bemüht.“ Immerhin werde das Thema Flexibilisierung prominent platziert – „dazu müssen aber im Rahmen einer Flexibilitätsagenda schnell konkrete Maßnahmen erarbeitet werden“, fordert er.

„Die Verhandlungsergebnisse setzen einen klaren Schwerpunkt: Die klimapolitischen Ambitionen bleiben hoch, gleichzeitig soll aber die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden“, sagt Timm Kehler, Vorstand des Verbandes Die Gas- und Wasserstoffwirtschaft. „Dies wird insbesondere durch eine Ausweitung und Öffnung des Angebots an Klimaschutzlösungen erreicht.“ Dazu zählten etwa die Nutzung von CCS, die Freigabe aller Produktionswege für Wasserstoff, die Einbindung von Biomasse sowie der Fokus auf Importe. Dass die künftigen Koalitionäre langfristige Lieferverträge mit internationalen Gasanbietern ermöglichen und flankieren wollen, wird die Energiesicherheit Deutschlands stärken, ist Kehler überzeugt.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Text am 26.3.25 laufend um Stellungnahmen ergänzt.

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