„Ohne Speicher sind Erneuerbare keine ernstzunehmenden Kraftwerke“

Bühne Menschen Sungrow event Experten Paneldiskussion

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Strahlend blauer Himmel, frühlingshafte Temperaturen – perfektes Wetter für Solarstrom. Da darf nur eins nicht fehlen: die Möglichkeit, den erzeugten Strom sinnvoll zu nutzen – auch wenn das Netz ihn nicht aufnehmen kann. Genau dafür hat der Speicher- und Wechselrichterhersteller Sungrow mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus über 20 europäischen Ländern am Donnerstag nach München zum „ESS Exerience Day“ eingeladen. Thema der Partnerveranstaltung: die nächste Etappe der europäischen Energiewende.

Ohne Speicher geht die Energiewende ab hier nicht weiter. In etwa so lässt sich die Paneldiskussion auf dem Event zusammenfassen. Europa sei weit gekommen, betonten die Expertinnen und Experten auf dem Podium. Im vergangenen Jahr erreichte Europa eine kumulierte Photovoltaikleistung von 338 Gigawatt laut Solarpower Europe. „Aber ohne Speicher kann der Strom nicht sinnvoll verwendet werden“, warnte Starry Ge, Analystin beim Marktforschungsunternehmen Rho Motion. In Großbritannien etwa werde bereits heute die Hälfte des erneuerbaren Stroms durch Netzengpässe verschwendet. Diese Ineffizienz treibe letztlich die Strompreise in die Höhe. Europa habe viel geleistet beim Ausbau der Erneuerbaren, jetzt müssten Netze und Speicher nachziehen.

Lange Wartezeiten bremsen Projekte aus

Ein zentrales Thema der Diskussionsrunde waren die langen Netzanschlusszeiten in vielen europäischen Ländern. Florian Diehm, Director Product & Supply Chain beim Speicherentwickler Kyon Energy, sprach von fünf bis sechs Jahren, die ein Projekt in Deutschland im Schnitt von der ersten Konzeption bis zur Betriebsbereitschaft brauche. „Das Stromnetz wächst nicht im selben Tempo wie die erneuerbaren Energien“, kritisierte Diehm. Das habe zur Folge, dass Investitionen zurückgehen – nicht, weil der Markt fehlt, sondern weil die Infrastruktur fehlt.

Der Netzausbau sei ein politisches Thema, so Diehm, und verpackte gleich noch einen Appell an die anstehenden Koalitionsverhandlungen: „Wir können uns nicht mehr damit herausreden, dass Deutschland ein bürokratisches Land ist“, sagt Diehm. „Wir brauchen einen klaren, erkennbaren politischen Willen und Programme für einen schnelleren und digitalen Netzausbau.“

Auch in Polen tut sich einiges im Hinblick auf den Speicherausbau. Adam Zalewski, Vice President Strategy & Development bei der polnischen Griffin Group Energy, berichtete, dass das Land Speicher in das Kapazitätsmarktprogramm aufgenommen habe. Acht Förderprogramme und Märkte für Speicher-Auktionen seien bereits aufgesetzt. „Wir haben drei Gigawatt an Projekten in der Planung und im Bau.“ Er sagt, dass alte Kohlekraftwerke in Polen ihr Betriebsende erreicht hätten. Somit habe es die technische Notwendigkeit gegeben, die Leistung zu ersetzen – erst mit Erneuerbaren und jetzt notgedrungen mit Speichern. Die Netzbetreiber nehmen die Herausforderung an. Wo früher Synchronmaschinen inhärent das Netz stabil hielten, müssen die Netzbetreiber jetzt aktiv werden und Programme und Märkte aufsetzen, um diese Aufgaben von Speichern übernehmen zu lassen. Zalewski sieht aber durchaus Bewegung in diesem Feld. Wenngleich es aber, ähnlich wie in Deutschland, auch noch Jahre dauern wird, bis die Speicher am Netz sind. Aktuell geht er davon aus, dass die drei Gigawatt erst 2029 vollständig im Betrieb sein werden.

Starry Ge sagt, sie verfolge derzeit rund 3000 Projekte weltweit. Europäische Entwicklungs- und Genehmigungszeiten seien die mit Abstand längsten. Der Markt müsse drignend aufwachen. In Australien dauere es heute oft nur sechs Monate, um ein Speicherprojekt zu genehmigen und zu bauen. Der Gesetzgeber räumt den Netzbetreibern ein, Speicherprojekte in einem beschleunigten Verfahren zu bearbeiten, da sie für die Versorgungssicherheit hohe Priorität tragen. In Europa hingegen verharre man in langen Genehmigungszyklen und fehlender politischer Entschlossenheit.

Marktchancen langfristig erkennen

Für Lars Löhle, CCO des Flexibilitätsdienstleisters Entrix, ist klar: Speicher sind keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit. „Wir brauchen ein hohes Maß an Flexibilität im Energiesystem. Speicher können diese liefern – effizient, steuerbar und mit einem tragfähigen Business Case.“ Wer in den Markt einsteigt, müsse jedoch verstehen, dass die Erlösmodelle komplex seien. „Man bewegt sich zwischen Day-Ahead-, Intraday- und Regelenergiemärkten und muss eine Strategie finden, wie viel Risiko man tragen will.“

Mit Blick in die Zukunft hielt Stefan Zhao, Forschungsleiter bei Sungrow Europe fest: Wer heute in Speicher investieren möchte, müsse Technologien wählen, die auch in 20 Jahren noch sinnvoll am Markt betrieben werden können – oder sich zumindest nachrüsten lassen. Auf eine flexible Technologie-Plattform komme es an, um auch an allen zukünftigen Märkten teilnehmen zu können. Starry Ge ergänzte, dass in Zukunft Technologien wie Natrium-Ionen-Batterien an Bedeutung gewinnen könnten. Noch seien sie teurer, aber mittelfristig versprächen sie Vorteile in Bezug auf Materialverfügbarkeit und Nachhaltigkeit.

In einem Punkt herrschte auf dem Podium Einigkeit: Ohne Speicher lassen sich weder Versorgungssicherheit noch stabile Preise oder Netzintegration gewährleisten. „Erneuerbare Energien können nur dann als ernstzunehmende Kraftwerke behandelt werden, wenn sie mit Speichern kombiniert werden“, sagte Zalewski. Europa müsse sich dieser Realität stellen – besser früher als später.

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