Der größte Betreiber von Stromverteilnetzen und der größte Stromerzeuger in Deutschland, Eon und RWE, haben ein gemeinsames Positionspapier vorgelegt. Unter dem Titel „Marktorientiert und pragmatisch: Die Energiewende braucht einen Neustart“ skizzieren beide Unternehmen auf neun Seiten, wie sie sich die „Energiewende 2.0“ vorstellen. Im Mittelpunkt steht der in einer Präambel formulierte Gedanke, die Energiewende der letzten Jahre sei durch „Planverliebtheit“ gekennzeichnet gewesen: „Zu viel Regulatorik ‚von oben‘ hat vielen Menschen den Eindruck vermittelt, dass allein Planerfüllung im Vordergrund steht, nicht aber das Wohl des Ganzen.“
Diese Aussage trifft auf mutmaßlich breite Zustimmung, ebenso die gleich als erstes formulierte Handlungsempfehlung, am Pariser Klimaabkommen und den langfristigen europäischen Klimazielen festzuhalten. Einige andere Vorschläge allerdings, die Eon und RWE unterbreiten, bergen reichlich Diskussionsstoff – was ja auch das Ziel solcher Veröffentlichungen ist.
Dies beginnt mit einer Infragestellung der aktuellen Ausbaupläne für Erzeugungskapazitäten und Netze. Die Annahmen für das Steigen der Stromnachfrage seien kritisch zu hinterfragen, es brauche ein „robustes Infrastrukturszenario“ und Anfang der 2030er Jahre dann eine Nachjustierung. Derzeit werde, so der Gedanke dahinter, auf eine Stromnachfrage hin geplant, die sich zumindest bislang nicht im angenommenen Tempo entwickelt. Einen von mehreren Negativeffekten beschreibt RWE-Chef Markus Krebber in einem Interview, das er gemeinsam mit seinem Eon-Kollegen Leo Birnbaum der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gegeben hat: „Wenn wir jetzt die Netzinfrastruktur sehr schnell, sehr stark ausbauen, obwohl der Strombedarf dafür gar nicht da ist, dann wird die einzelne Kilowattstunde unbezahlbar. Weil nämlich die Kosten für den Netzausbau auf eine viel geringere Strommenge als angenommen umgelegt werden.“
Netzampel, Anschluss-Überbauung, Einspeisesteckdose
Als einen Weg für eine bessere Allokation neuer Erzeugungskapazitäten, aber unter Umständen auch von großen Verbrauchern, schlägt das Positionspapier eine „Netzampel“ vor, mit der die Situation in einem Netzgebiet abgebildet wird: „Bei gelber und roter Ampel dauert der Netzanschluss länger“, zudem solle der Investor in ein solches Gebiet „einen höheren Anteil an den Netzausbaukosten tragen“. Erforderlich sei auch eine Überbauung von Netzverknüpfungspunkten, und als Ergänzung werden Instrumente wie die als Pilotprojekt von Eon betriebene „Einspeisesteckdose“ empfohlen, also proaktiv geschaffene Anschlusskapazitäten, die dann nach Netzdienlichkeitskriterien vergeben werden.
Auch Eon und RWE fordern, wie praktisch alle Fachleute, eine bessere Nutzung von Flexibilitäten, insbesondere durch Digitalisierung des Stromnetzes. Wichtige Grundlage hierfür sei – auch hier besteht allgemeiner Konsens – der schnelle Smart-Meter-Rollout. Dieser solle aber vereinfacht und „zielgerichtet“ erfolgen, also zuerst dort, „wo der Nutzen für den Verbraucher am größten ist.“ Deshalb solle er „allein in die Verantwortung der Verteilnetzbetreiber gelegt werden“. Für diese Idee dürften die beiden Unternehmen gerade nach den bisherigen Erfahrungen wohl kaum einhellige Zustimmung erwarten.
Das gilt sicher auch für die Idee, die gesamte Systematik der Netzentgelte und damit letztlich die Finanzierung des Netzausbaus umzustellen. Mit dem Vorschlag, Netzentgelte künftig nicht mehr auf die Kilowattstunde Strom umzulegen, sondern an der jeweils erforderlichen Spitzenlast zu bemessen, stehen Eon und RWE allerdings nicht allein da.
Vergütung ist letztlich nicht entscheidend
Ebenfalls keine Einzelmeinung ist die im Positionspapier geforderte Abschaffung des EEG, genauer: sein Ersatz „durch ein neues Marktregelwerk“. Wo nötig, sollten insbesondere größere Projekte durch Differenzkostenverträge (CfD, Contracts for Difference) abgesichert werden. Für kleine Photovoltaik-Anlagen, argumentiert Eon-Chef Birnbaum im Interview, seien Vergütungszahlungen überhaupt nicht notwendig: „Die rechnen sich allein schon dadurch für die Besitzer, dass sie weniger Strom aus dem Netz kaufen müssen. Ob der Hausbesitzer dann noch 150 Euro Einspeisevergütung kriegt für den Teil, den er selbst nicht verbraucht, ist letztlich nicht entscheidend.“
Die Vorschläge zur Überprüfung der Ausbauziele beziehen sich hingegen eher nicht auf Kleinanlagen. Dezidiert erwähnt wird vor allem die Windkraft auf See. Sie sei wegen ungünstiger Belegungspläne in den Ausbaugebieten, bei denen die Anlagen sich gegenseitig in den Windschatten stellen, sowie wegen der hohen Netzanschlusskosten neu zu justieren. Der Ausbau im „Entenschnabel“ vor der deutschen Nordseeküste, so eine der Handlungsempfehlungen, „ist zu hinterfragen“.
Zu hinterfragen sei ebenfalls die Definition von grünem Wasserstoff. Gefordert wird eine „pragmatische Definition“. Langfristig, so der Gedanke, werde sich aufgrund des Emissionshandels die kohlenstofffreie Produktion von Wasserstoff ohnehin durchsetzen. Mehr Pragmatismus fordern Eon und RWE auch beim Wasserstoffkernnetz, dessen Ausbau mehr am Bedarf als an einer vorab festgelegten Planung orientiert werden soll.
Das Positionspapier ist, ebenso wie das Interview mit Leo Birnbaum und Markus Krebber, zum Download verfügbar.
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Ich bin mir sicher, dass Eon-Chef Birnbaum auch dafür ist, dass die Energielieferungen seiner Firma ohne finanziellen Ausgleich erfolgen?
Es scheint mir langsam zum Normal deklariert werden zu sollen, dass Bürger kostenlose Leistungen erbringen und im Firmen Geld dafür erhalten.
Ich persönlich wäre aber auch nicht abgeneigt, wenn Eon kostenlose Leistungen erbringt und ich dafür bezahlt werde.
Absolut nachvollziehbar ist, dass „Kleinst-Einspeiser“ relativ leer ausgehen sollten – bei denen die Markt-Teilnahme bereits von vornherein mehr aus einer Eigensicherung und/oder Hobby -als aus Gewinn-Streben entstand. Wobei ersichtlich ist, dass der Aufwand für Messung und Vergütung der in wechselnden Richtungen fliessenden Ströme im Verhältnis zur Einspeise-Leistung in einem unsinnigen Missverhältnis steht. —
Anders sieht es bei den Vorschlägen aus, wo es wohl bei „den Hintergedanken der beiden Grossen“ um Erhaltung und/oder Steigerung ihrer Marktmacht ihrer Betiebsgewinne geht. – Hier steht eine Neu-Regulierung an, welche die Interressen aller Markt-Teilnehmer ( also Grosse, Staat sowie auch mittlere und kleine Erzeuger und Verbraucher.) angemessen berücksichtigt.
Was schwierigst werden wird,
denn da-zu gehört sowohl eine Riesen-Portion Sachkenntnis
als auch ein Super-Fingerspitzen-Gefühl bei Messmethoden und Gewichtung und Verteilung von Lasten und Erträgen.
Mann hofft.
Mal wieder Lobbyismus pur. Man könnte auch sagen die beiden wollen maximal kassieren und nichts investieren.
„150 Euro Einspeisevergütung“ – Wo kommt die Zahl her? Bei vielen Anlagen liegt der EEG Anteil deutlich über 50% in der Amortisationszeit.
Wie gut die Verantwortung der VNB / MSB beim Smartmeter Rollout funktioniert haben wir schon gesehen. Überhaupt nicht.
Ausbaukosten werden durch Nutzer getragen Gewinne von den Konzernen abgeschöpft.
Den Netzausbau will man weiter verschlafen, damit erneuerbare möglichst viel abgeregelt werden. Damit können die Konzerne den Strom besser verkaufen.
Also Bremsen. Wenig überraschend. Das wird wohl dann demnächst 1:1 die Meinung von Merz sein
Wie immer, der Bürger muss raus aus der Energiewende, „die nerven schon zu lange“. Gebt uns kostenlos euren Strom, am besten zu negativen Stunden damit wir noch für die Abnahme bezahlt werden und dann verkaufen wir ihn euch für das Doppelte.
Die restlichen Kappazitäten müssen in die Hand der Großen, sonst sind sie überflüssig. Aber die Energiewende ist nicht zu stoppen, die Bürger werden ihre Marktmacht weiter ausbauen und die Großen werden immer unbedeutender.
Und ich bin kein Linker.
„Digitalisierung des Stromnetzes“: Da haben doch e.ON und alle weiteren Netzbetreiber die Karten selbst in der Hand !
Wo bleibt die Transparenz am OrtsNetzTrafo ? *1
Dann kann jeder Bürger sehen, ob es eng werden könnte und die Aufregung gerechtfertigt ist !?! Oder ist Transparenz dann „Teufelszeug“, wenn es einen selbst betrifft ?
Seit 30 Jahren bekämpft e.ON, RWE die PV Dachanlagen, vor 10 Jahren waren sie super erfolgreich (Gabriel & Altmaier Delle), kommt jetzt die Rache für das Solarpaket 1 und 2.
*1: Analog zum BAB Autobahnkreuz, da kann jeder die Auslastung und Staugefahr im Internet erkennen.
das ist in Planung, allerdings ist das noch nicht so gewollt
https://www.bee-ev.de/themen/fachthemen/netzverknuepfungspunkte
Es ist doch schon sehr unverschämt. Kleine Anlagen sollen den Strom kostenlos ins Netz liefern. EOff und RWE verkaufen ihn dann teuer weiter an ihre Kunden. Die Blöden liefern und die Schlauen verdienen.
Das machen wir jetzt genau so, die bezogene Energie wird einfach nicht mehr bezahlt. Da man Strom nicht sehen kann haben die „Versorger“ ja auch nichts geliefert.
Wir machen ab jetzt Pipi Langstrumpf Wirtschaft. Jedem wie es ihm gefällt.
Sehr geehrter Uwe Kraus,
mit relativ wenig Aufwendungen (man braucht keinen Akku zum Speichern) kann man es schon so einrichten, dass der Ertrag einer Balkonsolar zu nahe 90% selbst genutzt wird:
1. Alle Kühlmöbel per Zeitschaltuhr (unter 10 € / Stck) ab etwa 16 Uhr bis etwa 10 Uhr abschalten,
was mindest 1 kWh mehr täglichen Eigenverbrauch bringt
2. Waschmaschine + Geschirrspüler -soweit irgend möglich- gegen Mittag starten
was nochmals nahe 1 kWh mehr täglichen Eigenverbrauch bringt
3. Ewas mehr (unter 500.– im Neubau, nahe 1.000.– im Altbau) wirds kosten, wenn man auch den
Warmwasserboiler zum Teil per PV-Strom bedient
Bereits die fast kostenlosen Massnahmen 1. und 2. bringen jährlich zwischen 500 und 2500 kWh mehr Eigenverbrauch. Je nach Haushaltsgrösse – und Leistung der Solaranlage.
Gutes Gelingen !
Wieso Neustart?