Eon und RWE geben Handlungsempfehlungen für einen Neustart der Energiewende

Stromnetz, Sonnenuntergang, Pixabay

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Der größte Betreiber von Stromverteilnetzen und der größte Stromerzeuger in Deutschland, Eon und RWE, haben ein gemeinsames Positionspapier vorgelegt. Unter dem Titel „Marktorientiert und pragmatisch: Die Energiewende braucht einen Neustart“ skizzieren beide Unternehmen auf neun Seiten, wie sie sich die „Energiewende 2.0“ vorstellen. Im Mittelpunkt steht der in einer Präambel formulierte Gedanke, die Energiewende der letzten Jahre sei durch „Planverliebtheit“ gekennzeichnet gewesen: „Zu viel Regulatorik ‚von oben‘ hat vielen Menschen den Eindruck vermittelt, dass allein Planerfüllung im Vordergrund steht, nicht aber das Wohl des Ganzen.“

Diese Aussage trifft auf mutmaßlich breite Zustimmung, ebenso die gleich als erstes formulierte Handlungsempfehlung, am Pariser Klimaabkommen und den langfristigen europäischen Klimazielen festzuhalten. Einige andere Vorschläge allerdings, die Eon und RWE unterbreiten, bergen reichlich Diskussionsstoff – was ja auch das Ziel solcher Veröffentlichungen ist.

Dies beginnt mit einer Infragestellung der aktuellen Ausbaupläne für Erzeugungskapazitäten und Netze. Die Annahmen für das Steigen der Stromnachfrage seien kritisch zu hinterfragen, es brauche ein „robustes Infrastrukturszenario“ und Anfang der 2030er Jahre dann eine Nachjustierung. Derzeit werde, so der Gedanke dahinter, auf eine Stromnachfrage hin geplant, die sich zumindest bislang nicht im angenommenen Tempo entwickelt. Einen von mehreren Negativeffekten beschreibt RWE-Chef Markus Krebber in einem Interview, das er gemeinsam mit seinem Eon-Kollegen Leo Birnbaum der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gegeben hat: „Wenn wir jetzt die Netzinfrastruktur sehr schnell, sehr stark ausbauen, obwohl der Strombedarf dafür gar nicht da ist, dann wird die einzelne Kilowattstunde unbezahlbar. Weil nämlich die Kosten für den Netzausbau auf eine viel geringere Strommenge als angenommen umgelegt werden.“

Netzampel, Anschluss-Überbauung, Einspeisesteckdose

Als einen Weg für eine bessere Allokation neuer Erzeugungskapazitäten, aber unter Umständen auch von großen Verbrauchern, schlägt das Positionspapier eine „Netzampel“ vor, mit der die Situation in einem Netzgebiet abgebildet wird: „Bei gelber und roter Ampel dauert der Netzanschluss länger“, zudem solle der Investor in ein solches Gebiet „einen höheren Anteil an den Netzausbaukosten tragen“. Erforderlich sei auch eine Überbauung von Netzverknüpfungspunkten, und als Ergänzung werden Instrumente wie die als Pilotprojekt von Eon betriebene „Einspeisesteckdose“ empfohlen, also proaktiv geschaffene Anschlusskapazitäten, die dann nach Netzdienlichkeitskriterien vergeben werden.

Auch Eon und RWE fordern, wie praktisch alle Fachleute, eine bessere Nutzung von Flexibilitäten, insbesondere durch Digitalisierung des Stromnetzes. Wichtige Grundlage hierfür sei – auch hier besteht allgemeiner Konsens – der schnelle Smart-Meter-Rollout. Dieser solle aber vereinfacht und „zielgerichtet“ erfolgen, also zuerst dort, „wo der Nutzen für den Verbraucher am größten ist.“ Deshalb solle er „allein in die Verantwortung der Verteilnetzbetreiber gelegt werden“. Für diese Idee dürften die beiden Unternehmen gerade nach den bisherigen Erfahrungen wohl kaum einhellige Zustimmung erwarten.

Das gilt sicher auch für die Idee, die gesamte Systematik der Netzentgelte und damit letztlich die Finanzierung des Netzausbaus umzustellen. Mit dem Vorschlag, Netzentgelte künftig nicht mehr auf die Kilowattstunde Strom umzulegen, sondern an der jeweils erforderlichen Spitzenlast zu bemessen, stehen Eon und RWE allerdings nicht allein da.

Vergütung ist letztlich nicht entscheidend

Ebenfalls keine Einzelmeinung ist die im Positionspapier geforderte Abschaffung des EEG, genauer: sein Ersatz „durch ein neues Marktregelwerk“. Wo nötig, sollten insbesondere größere Projekte durch Differenzkostenverträge (CfD, Contracts for Difference) abgesichert werden. Für kleine Photovoltaik-Anlagen, argumentiert Eon-Chef Birnbaum im Interview, seien Vergütungszahlungen überhaupt nicht notwendig: „Die rechnen sich allein schon dadurch für die Besitzer, dass sie weniger Strom aus dem Netz kaufen müssen. Ob der Hausbesitzer dann noch 150 Euro Einspeisevergütung kriegt für den Teil, den er selbst nicht verbraucht, ist letztlich nicht entscheidend.“

Die Vorschläge zur Überprüfung der Ausbauziele beziehen sich hingegen eher nicht auf Kleinanlagen. Dezidiert erwähnt wird vor allem die Windkraft auf See. Sie sei wegen ungünstiger Belegungspläne in den Ausbaugebieten, bei denen die Anlagen sich gegenseitig in den Windschatten stellen, sowie wegen der hohen Netzanschlusskosten neu zu justieren. Der Ausbau im „Entenschnabel“ vor der deutschen Nordseeküste, so eine der Handlungsempfehlungen, „ist zu hinterfragen“.

Zu hinterfragen sei ebenfalls die Definition von grünem Wasserstoff. Gefordert wird eine „pragmatische Definition“. Langfristig, so der Gedanke, werde sich aufgrund des Emissionshandels die kohlenstofffreie Produktion von Wasserstoff ohnehin durchsetzen. Mehr Pragmatismus fordern Eon und RWE auch beim Wasserstoffkernnetz, dessen Ausbau mehr am Bedarf als an einer vorab festgelegten Planung orientiert werden soll.

Das Positionspapier ist, ebenso wie das Interview mit Leo Birnbaum und Markus Krebber, zum Download verfügbar.

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