Die verdeckten Kosten der Heizhammer-Kampagne: 24 Milliarden Euro Mehrumsatz für die Gaserzeuger

Warmepumpe, Luft-Wasser-Wärmepumpe

Teilen

Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und die damit verbundene mediale Kampagne gegen Wärmepumpen hat nicht nur den Ausbau erneuerbarer Heiztechnologien gebremst, sondern auch massive finanzielle Auswirkungen. Eine Abschätzung zeigt: Der verzögerte Umstieg auf Wärmepumpen könnte den Gaslieferanten einen Mehrumsatz von rund 24 Milliarden Euro bescheren – auf Kosten des Klimaschutzes und der Verbraucher. Ich habe dies gemeinsam mit Jens Clausen vom Borderstep Institut berechnet.

Die Zahlen hinter dem Heizhammer

Die sogenannte Heizhammer-Kampagne, orchestriert von einflussreichen Medien und Interessengruppen, hat zu einer signifikanten Verunsicherung bei Verbrauchern und Investoren geführt. Das Resultat: Bis 2035 werden voraussichtlich 1,47 Millionen Wärmepumpen weniger installiert als ursprünglich prognostiziert. Diese Lücke wird größtenteils durch fossile Gasheizungen gefüllt, die neu eingebaut werden oder zu lange weiterlaufen. Dies hat weitreichende Konsequenzen:

  • Zusätzlicher Gasverbrauch: 485 Terawattstunden über 20 Jahre
  • Mehrumsatz für Gaslieferanten: ca. 24 Milliarden Euro
  • Zusätzliche CO₂-Emissionen: mindestens 98 Millionen Tonnen

Die Mechanismen der Kampagne

Im Zentrum der Kampagne standen Medien des Springer-Konzerns wie „BILD“, „Welt“, „Politico“ und „Business Insider“. Während der hitzigen Debatte um das GEG erschienen dort bis zu 20 kritische Artikel pro Tag über Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und die geplante Heizungsreform. Diese konzertierte mediale Offensive hatte spürbare Auswirkungen auf die öffentliche Meinung, die gesellschaftliche Spaltung, die Wahlergebnisse und politische Entscheidungsprozesse.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Rolle des US-Investmentfonds KKR, der 2019 für 2,9 Milliarden Euro 45,1Prozent der Springer-Aktien erwarb. KKR gilt als einer der größten privaten Finanziers fossiler Unternehmen weltweit. Die Verbindung zwischen fossilen Interessen und der Anti-Wärmepumpen-Berichterstattung erscheint vor diesem Hintergrund zumindest diskussionswürdig. Ist es Zufall? Ich habe große Zweifel.

Langfristige Folgen für Klimaschutz und Arbeitsmarkt

Die Auswirkungen der Kampagne gehen weit über finanzielle Aspekte hinaus. Der verzögerte Umstieg auf klimafreundliche Heiztechnologien bedeutet nicht nur zusätzliche CO₂-Emissionen, sondern auch verpasste Chancen für die heimische Wirtschaft. Tausende Arbeitsplätze in der Wärmepumpen-Industrie wurden erst auf- und dann rasch wieder abgebaut, private Investitionen in Erneuerbare bleiben aus. Stattdessen fließen die Gelder in die Kassen ausländischer Gaslieferanten und schreiben die fossile Abhängigkeit ein paar Jahre weiter fest.

Sabotage der Zukunft

Die Analyse der Heizhammer-Kampagne offenbart die enormen versteckten Kosten, die durch gezielte Desinformation und interessengeleitete Berichterstattung entstehen. Die Erfahrungen aus der GEG-Debatte sollten als Lehre dienen: Transparenz, wissenschaftliche Fundierung und eine angemessene mediale Berichterstattung ohne False balance-Talkshowgäste und Brüllkultur sind entscheidend, um die komplexen Herausforderungen der Energiewende zu meistern und breite gesellschaftliche Akzeptanz zu schaffen.

Die hier präsentierten Berechnungen basieren naturgemäß auf einem hypothetischen Szenario. Ab Mitte 2026 soll in Teilen   die 65 Prozent-Regel für erneuerbare Energien bei Heizungen gelten. Die CDU plant, diese Regelung zu kippen und auf EU-Ebene arbeiten Konservative daran, den „Green Deal“ aufzuweichen. Parallel haben Wirtschaftsmathematikerinnen und -mathematiker bereits zweistellige Bruttoinlandsprodukt-Verluste durch den Klimawandel beziffert. Wir haben schon sehr viel geringere Risiken – wie beim Bankencrash 2008 – mit erheblich mehr Geld beworfen, um unsere Wirtschaft zu stabilisieren.

Follow the money

Diese Berechnung soll nur die Größenordnung der möglichen finanziellen Auswirkungen aufzeigen, Klimaschäden wurden nicht mitberechnet und die CO2-Emissionen von Erdgas wurden ohne Berücksichtigung von Methanschlupf oder dem aufwendigen Tankertransport von LNG abgeschätzt. Die Werte werden also noch wesentlich höher sein. Eine Verzögerung des Wandels auf Clean Heating um nur fünf Jahre könnte zu zweistelligen Milliardenbeträgen an zusätzlichem Umsatz für die Gaslieferanten führen. Das steigert deren Gewinn und mindert Einnahmen aus Strom in Deutschland in ähnlicher Größenordnung. Die volkswirtschaftlichen Klimaschäden und die an unserer Gesellschaft durch die spalterische Wirkung kommen noch hinzu.

Wem nützt es? Diese Analyse offenbart, wer von der Verzögerung der Energiewende profitiert. Die Bundesbürgerinnen und Bundesbürger sind es nicht.

Anja Floetenmeyer-Woltmann Die Autorin Anja Floetenmeyer-Woltmann ist strategische Beraterin und Expertin für die Kommunikation zur Wärme- und Mobilitätswende. Als ehemalige Geschäftsführerin der Klimaschutzagentur Region Hannover etablierte sie die „Mein Klimacoach-Kampagne“ zur Vermittlung klimafreundlicher Technologien.  Zuletzt beriet sie im Auftrag der Deutschen Energieagentur Dena die Organisatoren der bundesweiten Kampagne „Woche der Wärmepumpe“ für das Bundeswirtschaftsministerium mit über 550 Veranstaltungen. Anja Floetenmeyer-Woltmann ist Mitglied der EU Heat Pump Accelerator Platform, einem neu installierten Wärmepumpenbeirat der Europäischen Kommission, sowie Botschafterin für den Europäischen Klimapakt. Sie bietet Strategieberatung, Keynotes, Workshops und Moderationen zu Themen der Energiewende und des Klimaschutzes an. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.

Popular content

Verband der europäischen Photovoltaik-Hersteller fordert Borussia Dortmund zum Verzicht auf Module von JA Solar auf
03 April 2025 Borussia Dortmund will auf seinem Stadiondach 11.000 Photovoltaik-Module von JA Solar installieren. Der European Solar Manufacturing Council (ESMC) kr...