„Wenn die Europäische Union ihre Klimaziele erreichen will, muss sie eine Brücke zu Saudi-Arabien schlagen“, sagte Marco Arcelli, Vorstand des saudi-arabischen Kraftwerksentwicklers ACWA Power, in einem Exklusivinterview mit pv magazine.
„Ich war skeptisch gegenüber ‚grünen‘ Molekülen, als ich in Europa arbeitete, aber als ich nach Saudi-Arabien ging, sah ich, dass man dort alle Zutaten in großem Maßstab und zu niedrigeren Kosten hat“, sagt der italienische CEO und nennt die „dreifache Sonne“, also das enorme Einstrahlungspotenzial, die soliden Wind- und Wasserbedingungen und die hohe Kreditwürdigkeit des Landes.
Arcelli plädiert dafür, dass Europa sich nicht einfach auf eine Umstellung von einem Gas auf das andere konzentrieren, sondern auf die erschwinglichsten Energieversorgungsquellen zugreifen sollte, um so seine industrielle Produktion zu sichern und aufrechtzuerhalten – einschließlich grünem Wasserstoff, dessen Preis nicht den gleichen Schwingungsmustern folgen werde wie die geopolitisch sensible fossile Gasförderung. Grüne Wasserstoff werde vielmehr relativ preisstabil bleiben. Nach Arcellis Prognosen wird Europa in Zukunft eine Kombination aus lokal produziertem und importiertem Wasserstoff nutzen.
Und er betont, das Neom-Siedlungsprojekt im Nordwesten Saudi-Arabiens werde über eine Elektrolysekapazität von zwei Gigawatt verfügen, die Wasserstoffproduktion solle Ende 2026 anlaufen. „Es ist 100-mal größer als die größte in Europa in Betrieb befindliche Anlage“, sagt er und unterstreicht die Ambitionen Saudi-Arabiens: „Wir werden im Königreich bald rund 30 Gigawatt an erneuerbaren Energien im Bau haben, und der größte Teil davon ist Solar.“
Europas Mangel an Flächen zur Entwicklung erneuerbarer Energien und die Notwendigkeit einer sicheren Stromversorgung sind Arcelli zufolge weitere Gründe dafür, dass sich Europa für eine Zusammenarbeit mit saudischen Entwicklern öffnen sollte. Mit einer Fläche von rund 300 Quadratkilometern sei ein Projekt wie Neom in Europa nur schwer zu realisieren.
Der ACWA-CEO erklärt, die Strategie des Unternehmens auf dem afrikanischen Kontinent hänge unter anderem auch von der Zusammenarbeit mit Italien ab. Die Verbindung von in Nordafrika und der Golfregion produziertem, preiswertem Wasserstoff mit Europa stelle eine lukrative Gelegenheit für alle Beteiligten dar. ACWA Power ist an mehreren laufenden Verträgen mit verschiedenen Abnehmern im Rahmen des „South H2 Corridor“ beteiligt. Nach der Fertigstellung im Jahr 2030 soll die 3.300 Kilometer lange Verbindung es ermöglichen, von Nordafrika aus Wasserstoff in Städte und Gemeinden in Italien, Österreich und Deutschland zu exportieren. ACWA Power habe laufende Vereinbarungen in Nordafrika, um das Potenzial für Exporte aus seiner nordafrikanischen Wasserstoffproduktionskapazität zu erkunden.
Da Neom jedoch kurz vor der Fertigstellung stehe, konzentriert sich das Unternehmen laut Arcelli nun auf die Verknüpfung seiner in Saudi-Arabien angesiedelten Wasserstoffkapazitäten mit den europäischen Märkten. In den Wochen vor dem Gespräch mit pv magazine hat ACWA Power hierfür zwei bedeutsame Vereinbarungen unterzeichnet. Die erste, eine Memorandum of Understanding (MoU, gemeinsame Absichtserklärung) mit dem Erdgas-Fernleitungsnetzbetreiber Snam, befasst sich mit der Einrichtung einer Lieferkette für grünen Wasserstoff von Saudi-Arabien nach Europa über den South H2Corridor. Das in Italien ansässige Unternehmen ist einer der wichtigsten an der Entwicklung des Korridors beteiligten Netzbetreiber. Bereits im September 2023 hatte ACWA Power auf dem saudi-italienischen Investitionsforum in Mailand strategische Vereinbarungen mit sechs italienischen Partnern unterzeichnet, um die Zusammenarbeit insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung zu stärken.
Ein weiteres MoU unterzeichnete ACWA Power kurz nach der Snam-Kooperation mit dem deutschen Unternehmen SEFE (Securing Energy for Europe), das grünen Wasserstoff produzieren und nach Europa liefern will. Die Vereinbarung sieht vor, dass die beiden Parteien eine Wasserstoffbrücke zwischen Saudi-Arabien und Deutschland errichten mit dem Ziel, bis 2030 jährlich 200.000 Tonnen grünen Wasserstoff zu transportieren. ACWA Power soll hierbei als Hauptentwickler, Investor und Betreiber von Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff und grünes Ammoniak fungieren. SEFE soll Hauptabnehmer und gleichzeitig Co-Investor sein.
„Die letzten Details werden noch zwischen den Parteien geklärt“, sagt Arcelli. „Es gibt einen kleinen Unterschied zwischen den beiden Vereinbarungen. Das deutsche Abkommen war gezielt auf die Energieversorgung Deutschlands ausgerichtet; das mit Italien beinhaltet auch einige zusätzliche Aspekte für Afrika, von denen ich denke, dass die beiden Länder zusammen agieren und sich gegenseitig dabei unterstützen können, die lokale Bevölkerung kostengünstig und sicher mit Wasser und Energie zu versorgen.“
ACWAs geografische Diversifizierung
Zu den wichtigsten Solarkraftwerken von ACWA Power gehören das Red Sea Global-Projekt, das 340-Megawatt Photovoltaik mit 1.200 Megawattstunden Batteriespeicherkapazität kombiniert, sowie das 300-Megawatt-Projekt Sakaka und das 1.500-Megawatt-Projekt Sudair. Alle drei befinden sich in Saudi-Arabien.
Arcelli geht indes davon aus, dass sein Unternehmen auch weiterhin in andere Märkte expandieren wird. Anfang 2025 ist ACWA Power mit einem Volumen von 1 Gigawatt in China eingestiegen und hat ein neues Forschungszentrum in Shanghai eröffnet, um mit lokalen Lieferanten Equipment zu testen. Außerdem hat das Unternehmen „eine große Pipeline in Zentralasien, insbesondere in Usbekistan“, so Arcelli. „Wir haben Projekte in Aserbaidschan und in der gesamten Region im Bau. Ich denke, dass Zentralasien eine Region sein wird, in der wir in den kommenden Jahren insgesamt etwa 15 Milliarden Dollar investieren könnten.“

Foto: ACWA power
Insgesamt ist ACWA Power in 14 Ländern aktiv. Das Portfolio umfasst 99 Projekte in Betrieb, in fortgeschrittener Entwicklung oder im Bau mit einem Investitionsvolumen von umgerechnet rund 103 Milliarden Dollar und einer Gesamtleistung von 73,8 Gigawatt sowie einer Kapazität zur Erzeugung von täglich 9,5 Millionen Kubikmetern entsalztem Wasser.
ACWA Power setzt einen weiteren Fokus auf Indonesien sowie einige afrikanische Märkte, insbesondere auf „die vier Hauptländer Ägypten, Marokko, Senegal und Südafrika“. Nach Arcellis Einschätzung ist das Unternehmen mit „mehr als sieben Milliarden Dollar, die bereits investiert wurden“ der größte Investor in diesen Ländern ist.
Meerwasserentsalzung
Arcelli zufolge hat ACWA Power einen technologischen Vorsprung bei der Meerwasserentsalzung. „Diese Industrie ist in der Golfregion bereits ziemlich etabliert.“ Dort würden seiner Einschätzung nach bereits etwa 25 bis 30 Prozent der Bevölkerung in Saudi-Arabien, den Emiraten, Oman und Bahrain – zentralen Märkten für die Meerwasserentsalzung – versorgt. Sein Unternehmen schließe derzeit Verträge für neue Anlagen in Aserbaidschan, China und im Senegal ab.
Mitte Februar gab ACWA Power außerdem bekannt, dass es mit der regionalen Tochtergesellschaft des französischen Energieversorgers Engie eine Vereinbarung über den Erwerb von Anlagen in Kuwait und Bahrain im Gesamtwert von 693 Millionen Dollar unterzeichnet hat. Dies umfasst 4,61 Gigawatt an gasgestützter Stromerzeugung und Entsalzungsanlagen mit 1,11 Millionen Kubikmetern Tageskapazität sowie Anteile an den zugehörigen Betriebs- und Wartungsunternehmen in beiden Ländern. Der Abschluss der Transaktion steht unter Vorbehalt der üblichen behördlichen Genehmigungen sowie der Zustimmung weiterer Beteiligter. „Wir festigen unsere Präsenz in Bahrain, wo wir bereits ein zuverlässiger Strom- und Wasserlieferant sind, und wir treten in den kuwaitischen Markt ein, wo wir vor kurzem ein Angebot für eine große Strom- und Entsalzungsanlage abgegeben haben“, erläutert Arcelli die Transaktion.
Gleichzeitig erwartet er angesichts des Klimawandels neue Entsalzungsmärkte, auch im Mittelmeerraum. „Ich denke, dass die durch die aktuelle Umwälzung verursachten Kosten unglaublich hoch sind. Ein Beispiel: Ich habe ein Haus in Sizilien, und letzten Sommer war ich ohne Wasser. Also habe ich 1.000 Liter gekauft – einen Kubikmeter. Ich habe dafür 60 Euro gezahlt. Wenn man das Wasser mit Entsalzungsanlagen herstellt, kostet es im günstigsten Fall 60 Cent. Das sind also die von uns übersehenen Kosten der Disruption. Und weil wir denken, Wasser sei kostenlos, weil es vom Himmel oder aus einer Quelle kommt, verschieben wir die Entscheidung so lange, bis wir in Schwierigkeiten geraten. Das ist immer zu spät. Darum sehen wir nun in vielen Ländern, dass proaktive Entscheidungen zur Entwicklung der Entsalzung getroffen werden. Wir sind deshalb vor Ort, um die Vorteile zu erläutern, das Fachwissen zu vermitteln und zu erklären, was für die Entwicklung notwendig ist. Und hoffentlich werden bald einige Projekte gebaut.“
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Yep. Bin dafür. Eigentlich habe ich mir gewünscht, dass grüner Wasserstoff zu weisser Wasserstoff umgenannt wird . Die globale Wirtschaft setzt ja auf Elektrolyse-Wasserstoff , um unter anderem das Klima und das Weiss der Arktis und Antarktis zu erhalten. Nun ist aber blauer Wasserstoff aus Erdgas , grauer Wasserstoff aus anderen fossilen CH – Energieträgern und weisser Wasserstoff aus der Erde .Grüner Wasserstoff könnte auch E-H2 genannt werden. (Elektrolyse-Wasserstoff).
Es ist sehr sinnvoll grünen Wasserstoff in grossen Mengen nach Europa zu senden. Wenn E-H2 sehr günstig in Europa zu kaufen ist , dann wird es vielleicht doch noch eine Zukunft für E-Fuels und E-Gas geben.