Stromnetze-Tagung: „Aufgaben sind noch sehr groß“

Tagung Zukünftige Stromnetze, Berlin, Januar 2025, Klaus Müller, Präsident Bundesnetzagentur

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„Ohne Strom geht gar nichts mehr.“ Mit diesen Worten beginnt Volker Oschmann seine Eröffnungsrede auf der zweitägigen Tagung „Zukünftige Stromnetze“ in Berlin. Oschmann arbeitet als Ministerialdirektor im Bereich Energie im Bundeswirtschaftsministerium. Sein Haus hat die Schirmherrschaft für die Veranstaltung übernommen, die bereits zum 13. Mal stattfindet und in diesem Jahr etwa 200 Teilnehmer in die Hauptstadt gezogen hat.

Oschmann zieht in seiner Rede eine kleine Bilanz der Arbeit seines Hauses der letzten gut drei Jahre. Diese standen klar im Zeichen und unter dem Druck der Energiekrise, die durch den Ukraine-Krieg ausgelöst wurde. „Wir haben alle geschuftet und geschwitzt“, sagt Oschmann. Die Energiepreise seien gestiegen, was unter anderem auf die Umstellung von billigem, russischem Gas auf LNG, aber auch die Inflation zurückzuführen sei. „Aber wir haben die Krise bewältigt“, so Oschmann weiter.

Dabei bringe die Umstellung der Energieversorgung von Kohle auf Wind und Sonne viele große Herausforderungen mit sich. Die Regulatorik sei entsprechend weiterentwickelt worden: „Wir haben viele Gesetze verabschiedet und die Importabhängigkeit verringert.“ Oschmann hofft, dass auch das sogenannte Solarspitzen-Gesetz noch vor den Wahlen im Februar durch den Bundestag geht. „Mich haben die Solarspitzen auch überrascht, deswegen ist es auch so wichtig, dass wir das Gesetz noch durch das Verfahren bringen. Die Anlagen müssen steuerbar sein und die Netzbetreiber müssen auch technisch in der Lage sein, die Anlagen zu steuern“, sagt Oschmann. Am heutigen Mittwoch befassen sich die Ausschüsse mit dem Entwurf. Am Freitagvormittag steht er nun auf der Tagesordnung. Die CDU/CSU hat im Vorfeld ihre Zustimmung signalisiert.

Gleichzeitig blickt Oschmann bereits auf die nächste Legislaturperiode. Er ist überzeugt, dass sich am energiepolitischen Zieldreieck aus sicherer, bezahlbarer und klimafreundlicher Versorgung nichts ändern werde. Dafür gelte es in der nächsten Legislaturperiode fünf Handlungsfelder anzugehen. Das erste betreffe die Kosten der Stromversorgung, die Kosteneffizienz müsse gesteigert werden. Es gelte die Kapazitäten auszubauen, um Versorgungssicherheit weiter zu gewährleisten, nennt Oschmann als zweites Themenfeld. Das dritte Feld sei der Netzausbau. Zudem gelte es die Systemsicherheit auch für die Übergangszeit zur Energiewende zu erhalten. Das fünfte Handlungsfeld sieht Oschmann in der weiteren Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren sowohl bei Erneuerbaren als auch bei Netzen. „Wir haben sehr viel erreicht, viel ist auf den Weg gebracht worden, aber die Aufgaben sind noch sehr groß, die vor uns liegen“, sagte Oschmann.

Müller: „Netzausbau ist kein Selbstzweck“

Nach Oschmann gehört Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, die Bühne. Er berichtet über den aktuellen Stand bei den Stromnetzen. Dabei betont er, dass sich bei den Verteilnetzbetreibern die Netzanschlussbegehren verdreifacht und die dahinter stehende Leistung verdoppelt habe. Nicht ohne Stolz verkündet er aber, dass eine deutliche Beschleunigung beim Ausbau des Übertragungsnetzes zu verzeichnen sei. Es gebe fast jede Woche Mitteilungen zum vorzeitigen Beginn von Maßnahmen. Die fertiggestellten Leitungen hätten sich zudem verdoppelt, die im Bau befindlichen vervierfacht und genehmigte neue Stromleitungen verdreizehnfacht. „Doch der Netzausbau ist kein Selbstzweck“, sagt Müller, er sei vielmehr gerade mit Blick auf den steigenden Erneuerbaren-Anteil wichtig für die Versorgungssicherheit.

Nicht ohne Stolz berichtet Müller vom neuen Mechanismus der Wälzung des Erneuerbaren-Anteils bei den Netzentgelten. Damit sei mehr Fairness geschaffen worden. Doch auch Müller ist klar, dass es sich um eine dynamische Lösung handelt. Sie solle dazu beitragen, dass der Erneuerbaren-Ausbau auch dort weitergehe, wo es bereits viel Windkraft oder Photovoltaik gebe.

Das heikle Thema Baukostenzuschuss sprach Müller ebenfalls an. Seine Behörde hat im November ein neues Positionspapier veröffentlicht, um die Berechnung der Baukostenzuschüsse diskriminierungsfrei auszugestalten. Dazu gibt es ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, gegen das die Bundesnetzagentur allerdings Berufung einlegte. Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) steht aus und wird gegebenenfalls noch in das Positionspapier der Bundesnetzagentur einfließen. Der Streit geht dabei vor allem um die Berechnung der Baukostenzuschüsse von großen Batteriespeichern. Der Ausbau der Speicher müsse netzdienlich sein, fordert Müller. „Netzkosten dürfen nicht sozialisiert werden, wenn Anlagen, egal wo, gebaut werden“, so Müller weiter. Mit dem Baukostenzuschuss bestehe die Möglichkeit, Lokalisierungssignale zu senden. Auch diese Lokalisierungsanreize seien mit Kosten verbunden. Nicht zuletzt deshalb sei er auch dafür, Baukostenzuschüsse für Erneuerbare-Energien-Anlagen zu erheben, sagt Müller.

Kurz geht der Präsident der Bundesnetzagentur auch noch auf die Dunkelflaute ein, die es in diesen Wochen und Monaten mehrfach in die Schlagzeilen schaffte. Müller zufolge hat die Dunkelflaute drei Dimensionen. Erstens schüre sie Ängste und Sorgen. Daher betone die Bundesnetzagentur immer wieder, dass ausreichend Reservekapazitäten in Deutschland vorhanden seien. Zweitens sei die Bundesnetzagentur aktuell dabei zu prüfen, ob es eine Marktmanipulation gab, ob also etwa bewusst Kapazitäten zurückgehalten und damit die Preise in die Höhe getrieben wurden. Zu den Ergebnissen der Überprüfung wollte Müller derzeit noch nichts sagen, sondern erst dann, wenn die Untersuchung abgeschlossen sei. Die dritte Dimension betreffe die Frage, was in einem europäischen Konzert ein fairer Strompreis sei. Damit spielte er vor allem auf Äußerungen aus Schweden während der Dunkelflaute im Dezember an. Hierbei gebe es einen regen Austausch zwischen den Behörden der Länder. Einen kleinen Seitenhieb konnte sich Müller dann nicht verkneifen. Er sagte, wenn die Preise hoch seien, dann müsse ja auch irgendjemand daran verdienen.

Netzanschlussanfragen für 226 Gigawatt Speicher

In der anschließenden Podiumsdiskussion ging es dann auch um das Thema Speicher. Marco Nix, Geschäftsführer Finanzen beim Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz, verhehlte nicht, dass er sich „ein bisschen mehr Maternität im BKZ-Positionspapier gewünscht“ hätte (also dem Positionspapier zu Baukostenzuschüssen). Er betonte dies gerade mit Blick auf die 226 Gigawatt an Netzanschlussbegehren, die den vier Übertragungsnetzbetreibern vorliegen. „Einige Verfahren werden wohl vor Gericht landen“, so Nix. Dabei ist den Übertragungsnetzbetreibern klar, dass bei weitem nicht alle diese Speicherprojekte direkt kommen werden. Bis 2030, so Nix‘ Prognose, werden wahrscheinlich 20 Gigawatt an Speichern installiert sein.

Doch auch bei den Verteilnetzbetreibern werden viele große Speicherprojekte für einen Netzanschluss angefragt. Eine Befragung von pv magazine unter den Übertragungsnetzbetreibern und ausgewählten Verteilnetzbetreibern ergab Netzanschlussfragen für etwa 340 Gigawatt. „Wir haben doppelt so viele Anfragen, wie wir Erneuerbaren-Anlagen am Netz haben“, sagte Sebastian Winter, Netzwirtschaftlicher Geschäftsführer beim Energieversorger Wemag, auf der Tagung. Wemag hatte sich zu Jahresbeginn nicht auf die Anfrage von pv magazine zurückgemeldet. Winter ging diesbezüglich auch auf den Baukostenzuschuss ein, bei dem er sich vor allem Verlässlichkeit wünscht. Andererseits ging er auf den neuen Wälzmechanismus bei den Netzentgelten ein. „Wir müssen all die Speicher anschließen, was sich wieder auf die Netzentgelte auswirken wird“, sagte er.

Die Keynote der Tagung blieb am Nachmittag des ersten Tages Karl-Heinz Remmers vorbehalten, Gründungsherausgeber von pv magazine und mittlerweile als Geschäftsführer von Remmers Solar im Projektgeschäft aktiv. Er griff dabei das Thema Speicher auf und zwar unter dem Titel „Zappelfrei, nachts, auf Knopfdruck“. Er wagte zunächst den Blick nach China, wo nicht nur Photovoltaik, sondern auch Speicher mittlerweile massiv ausgebaut werden. Vorläufige Zahlen gehen für letztere von einem Speicherzubau von etwa 42 Gigawatt und mehr als 100 Gigawattstunden im vergangenen Jahr aus.

Auch für Deutschland hält Remmers vor diesem Hintergrund und der massiven Preissenkung und Technologieentwicklung die 20 Gigawatt bis 2030 für sehr niedrig angesetzt. „Das kann viel schneller gehen“, so seine Botschaft. „Erstmal müssen wir es schaffen, Solar in die Nacht zu bekommen und Wind in die Flaute.“ Ein gutes Vorbild dafür sei der US-Bundesstaat Kalifornien, der diesbezüglich schon sehr weit sei. Das Modell könne man nun auch hierzulande umsetzen und dies zu viel günstigeren Kosten, so Remmers. Dabei geht es darum, Strom aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen 24 Stunden am Tag verfügbar zu machen. Wenn dies gelungen sei, dann könne man auch über die ganze Dunkelflaute nachdenken, also darüber, wie  über längere Phasen unter Abwesenheit von Sonne und Wind die Stromversorgung sichergestellt werden muss.

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