50 Hertz-Chef fordert dringend Verabschiedung des „Solarspitzen“-Gesetzes

Stefan Kapferer, Vorstandchef 50Hertz

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Angesichts des großen Photovoltaik-Zubaus in den vergangenen Jahren – allein 2023 und 2024 sind in Deutschland neue Anlagen mit mehr als 30 Gigawatt hinzugekommen – hat der Vorstandchef des Übertragungsnetzbetreibers 50 Hertz vor Auswirkungen auf die Netzstabilität gewarnt. „Zusätzlich zu unserem Überangebot im Frühjahr drückt dann auch Solarstrom aus Polen, den Niederlanden und anderen Ländern in unser Netz. Das macht es schwierig, Solarüberschüsse zu exportieren. Der Binnenmarkt stößt da an seine Grenzen. Diese Überschüsse sorgen für Stress im Netz“, sagte er in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ (Link zum Artikel hinter der Paywall).

Der überschüssige Strom könne dabei die Frequenz im Netz aus dem Takt bringen, worauf Netzbetreiber allerdings auch mit einem Bündel an Maßnahmen reagieren. „Im äußersten Notfall“ könne auch eine zeitlich begrenzte, regionale Netzabschaltung erfolgen. „Diese Gefahr hat zugenommen, weil wir in kurzer Zeit sehr viele Photovoltaik-Anlagen bekommen haben, die sich nicht alle ausreichend steuern und abregeln lassen. Anders als andere Kraftwerke produzieren Teile der Anlagen immer weiter, ganz egal, wie tief der Preis für Kilowattstunden am Großhandelsmarkt fällt“, sagt Kapferer im Interview weiter.

Der 50 Hertz-Chef wirbt offensiv für schnelle politische Maßnahmen und fordert den Bundestag zur schnellen Verabschiedung des sogenannte „Solarspitzen“-Gesetzes auf, dass die verbliebenen Regierungsfraktionen von SPD und Grünen noch kurz vor Weihnachten in den Bundestag eingebracht haben. „Denn ganz egal, wer im Frühjahr 2025 dieses Land regiert: Er hat das Problem auf dem Tisch“, sagt Kapferer mit Blick auf die vielen nicht regelbaren Photovoltaik-Anlagen. Nach Aussage von Kapferer funktioniert die heutige Regelung für Photovoltaik-Anlagen ab 100 Kilowatt, die in der verpflichtenden Direktvermarktung sind und damit ferngesteuert regelbar sein müssen, scheinbar technisch nicht überall. „Das geplante Solarspitzen-Gesetz sieht hier eine Art Anlagen-TÜV für Bestands- und Neu-Anlagen vor. Zudem würden wir in die Lage versetzt, Testläufe zu machen, also Solaranlagen probeweise über die Verteilnetzbetreiber abzuschalten. Das wäre schon mal ganz wichtig“, sagt Kapferer. Nach Ansicht der Experten bei 50 Hertz wäre es wichtig zu wissen, dass die Steuerbarkeit wenigstens bei den großen Anlagen funktioniere. „Dann wären wir auf der sicheren Seite und kommen noch 2025 und 2026 klar mit dem System“, so der Vorstandschef des Übertragungsnetzbetreibers.

Für die kleineren Photovoltaik-Anlagen ist Kapferer zufolge im Rahmen der im Bundestag hängenden EEG-Novellierung zusätzlich eine Verordnungsermächtigung für den systemdienlichen Anlagenbetrieb vorgesehen. Dies würde Netzbetreibern erlauben als Notfallmaßnahme Dritte zu beauftragen, um im Sinne der Netzstabilität auch kleinere Photovoltaik-Anlagen abzuregeln, etwa für ferngesteuerte Wechselrichter. Damit könnten nochmals eine hohe einstellige Gigawatt-Leistung aus dem System genommen werden, wenn zuviel Solarstrom produziert werde. Ihm sei dabei auch klar, dass diese Maßnahme auf wenig Gegenliebe der Photovoltaik-Anlagenbetreiber stoßen wird.

Nach Ansicht von Kapferer ist es dennoch „unglaublich wichtig“, dass diese Verordnungsermächtigung komme. „Die Umsetzung des Solarspitzen-Gesetzes als Teil des EEG, wie es den Fraktionen derzeit vorliegt, hilft uns mittelfristig, Brownouts zu vermeiden. Kurzfristige Abhilfe schaffen die Verbesserung der Steuerbarkeit der Bestandsanlagen und die Ansprache der Direktvermarkter“, sagt Kapferer. Vor dem Hintergrund der aktuellen Netzsituation hält er zudem eine weitere Beschleunigung des Photovoltaik-Ausbaus „für kontraproduktiv“, wie er im „Welt“-Interview sagt. Dies bezieht sich auf die Jahre 2025 und 2026. In fünf Jahren, wenn dann 20 Gigawatt an großen Batteriespeichern „an den richtigen Stellen im System“ vorhanden sei und bidirektionales Laden massentauglich sei, dann sei ein dynamischerer Photovoltaik-Ausbau „auch wieder okay“. Immerhin liegen allein den vier Übertragungsnetzbetreibern Netzanschlussanfragen für 226 Gigawatt an großen Batteriespeichern vor. Dazu kommen weitere Anfragen auf Verteilnetzebene. Wie viele der Projekte kurzfristig umgesetzt werden, ist allerdings nicht verlässlich prognostizierbar, wobei sich der Zubau dennoch gegenüber den zurückliegenden Jahren deutlich beschleunigen dürfte.

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