Aurora Energy Research sieht in negativen Strompreisen und Netzengpässen Hindernisse für Erneuerbaren-Ausbau

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Das britische Analystenhaus Aurora Energy Research erwartet, dass sich die installierte Photovoltaik- und Windenergie-Leistung in Europa bis 2050 mehr als verdreifachen wird. Allerdings sehen die Experten dabei Risiken: Negative Strompreise, Kannibalisierungseffekte beim Strompreis und Netzengpässe könnten den Ausbau verlangsamen. Doch selbst wenn die Verdreifachung erreicht wird, genügt dies nicht, um die Klimaziele der EU zu erreichen. Zu diesen Ergebnissen kommen die Experten von Aurora in ihrem „European Renewables Market Overview Report“, den das Analystenhaus jetzt erstmals vorgelegt hat.

Für den Zeitraum bis 2030 sehen die Analysten die Erneuerbaren dagegen trotz aller Risiken grundsätzlich auf Kurs. Die EU hat 2023 das Ziel gesetzt, den Erneuerbaren-Anteil am Energieverbrauch bis 2030 auf 42,5 Prozent zu steigern. Die Mitgliedsstaaten wollen dafür bis 2030 insgesamt 600 Gigawatt an Erneuerbare-Leistung zubauen. In den letzten zehn Jahren sind 528 Gigawatt dazu kommen, so Aurora. Treiber seien die steigende Stromnachfrage, unterstützende politische Maßnahmen, höhere Rohstoffpreise, die Stilllegung von Kohle- und Gaskraftwerken sowie Verbesserungen in der Lieferkette gewesen. Schreibt man die Dynamik der letzten Jahre fort, könne das Ziel für 2030 erreicht werden.

„Erhebliche Risiken für die Erneuerbaren“

Allerdings sehen sich Investoren und Entwickler einem zunehmenden Risiko durch negative Preise ausgesetzt, so die Analysten. Mitteleuropa weise die niedrigsten negativen Preise auf, die nordischen Länder führten bei der Zahl der Stunden mit negativen Preisen. In den meisten europäischen Ländern gebe es in solchen Marktsituationen heute keinen oder nur einen rudimentären Schutzmechanismus für die Erneuerbaren.

Eine weitere Herausforderung sehen die Experten darin, dass in Zeiten starker Erneuerbare-Einspeisung die Strompreise abstürzen. Damit leidet die Wirtschaftlichkeit der Investitionen. Um diese Kannibalisierung zu vermeiden, müssten vermehrt Speicher und Flexibilitäten eingesetzt werden. In Griechenland, Rumänien und Großbritannien sei das Problem dieser Marktsättigung am größten.

Zudem sieht Aurora auch in Netzengpässen eine hohe Hürde für den Erneuerbaren-Ausbau. Europaweit hätten 2023 insgesamt gut 57 Terawattstunden Strom nicht eingespeist werden können, rund 14,5 Prozent mehr als im Vorjahr. In Deutschland, Polen und Großbritannien sei dieses Problem am größten gewesen.

„Negative Preise und Netzbeschränkungen sind heute erhebliche Risiken für erneuerbare Energien auf dem Markt. Mit dem zunehmenden Ausbau der erneuerbaren Energien werden sie sich weiter verschärfen“, sagt Rebecca McManus, Renewables Lead, Pan-European Research bei Aurora Energy Research. „Für Projektentwickler ist es wichtig, nach Möglichkeiten zu suchen, das Risiko von Projekten zu verringern, etwa durch Portfoliodiversifizierung. Das kann die Auswirkungen mildern.

BEE plädiert für Flexibilität als neuer Leitwährung

Der Bundesverband Erneuerbar Energien (BEE) unterstützt die Empfehlung von Aurora, Speicher und Flexibilität aufzubauen, um negative Preise zu vermeiden. „Es ist das kleine Einmaleins der modernen Energiewirtschaft, dass Flexibilitäten eher geeignet sind, den Ausbau der Erneuerbaren zu begleiten als diese zu pönalisieren und damit den benötigten Zubau zu riskieren“, so BEE-Präsidentin Simone Peter. „Wir stimmen mit Aurora überein, dass sich dies negativ auf die Business Cases der Investoren auswirkt und vermieden werden sollte.“

Mit diesem Statement nimmt der BEE auch Bezug auf die Anhörungen zu Änderungen im Energiewirtschaftsrecht (EnWG) und zum Biogaspaket sowie zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) im Ausschuss für Klimaschutz und Energie des Deutschen Bundestages, die in dieser Woche stattfinden.

„Flexibilität muss zur neuen Leitwährung werden. Wenn wir das flexibel steuerbare Back-up aus Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie, grüner KWK und Speichern anreizen, stehen allein in Deutschland weitere 38 Gigawatt Leistung bis 2030 zur Verfügung“, sagt Peter.

Hinzu komme das große Potenzial der Flexibilität auf Verbraucherseite, das durch einen beherzten Smart-Meter-Rollout, dynamische Stromtarife und variable Netzentgelte nicht nur den Verbrauchern die Möglichkeit des systemdienlichen und damit günstigeren Strombezugs gewährleiste, sondern auch den Kauf von E-Autos und Wärmepumpen anreize. Forderungen der Parteien nach Absenkung des Strompreises, etwa durch Senkung der Stromsteuer, seien zu begrüßen. Auch die von der EU vorgesehenen Möglichkeiten des „Energy Sharing“ müssten voll ausgeschöpft werden.

„Es wäre betriebs- und volkswirtschaftlich verheerend, die vielen Möglichkeiten des Nutzens, Flexibilisierens und Speicherns der mittlerweile systemsetzenden Erneuerbaren nicht zu nutzen, und damit den Ausbau der fluktuierenden sowie der flexibel steuerbaren Quellen abzubremsen“, so Peter. Hier müssten im Rahmen der auf dem Tisch liegenden Gesetzespakete Perspektiven geschaffen werden.

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