Agora Energiewende: Deutschland hält 2024 das nationale Klimaziel ein, verfehlt aber die EU-Vorgaben

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2024 sind Deutschlands Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Vorjahr um 18 Millionen Tonnen beziehungsweise 3 Prozent auf insgesamt 656 Millionen Tonnen CO2 gesunken. Zu diesem Ergebnis kommt Agora Energiewende nach vorläufigen Berechnungen in der Studie „Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2024“. Demnach erreichen die Emissionen einen historischen Tiefstand und das Jahresziel nach dem neuen Klimaschutzgesetz wird um 36 Millionen Tonnen CO2 übererfüllt.

Dieses Ergebnis ist dem Thinktank zufolge vor allem der Energiewirtschaft zu verdanken, deren Emissionen 2024 bei gleichbleibendem Strombedarf auf 183 Millionen Tonnen CO2 sanken – 18 Millionen Tonnen weniger als 2023. Das sei neben milden Witterungsbedingungen und einer schwächeren Wirtschaftsleistung vor allem den erneuerbaren Energien zu verdanken, konkret einer erneuerbaren Rekorderzeugung in Höhe von 55 Prozent des Bruttostromverbrauchs und gestiegenen Importen, die zu 49 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammten. Dadurch sei trotz gleichbleibender Stromnachfrage zudem der Börsenstrompreis gegenüber 2023 um durchschnittlich 18 Prozent beziehungsweise 17 Euro je Megawattstunde auf 78 Euro je Megawattstunde gesunken.

Als weitere Folge der höheren Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien hat Agora Energiewende auch eine erhöhte Volatilität an der Strombörse beobachtet. „Zeiten mit viel Wind und Sonne führen zu viel erneuerbarem Strom, der zu niedrigen bis negativen Strompreisen führen kann. Unsere Berechnungen zeigen, dass solche Phasen im Jahresverlauf deutlich häufiger auftreten als Dunkelflauten. Insgesamt fällt aufs Jahr gerechnet der preissenkende Effekt solcher Grünstromphasen doppelt so stark ins Gewicht wie die Preisspitzen der Dunkelflauten“, so Simon Müller, Direktor von Agora Energiewende Deutschland.

In den Nachfragesektoren Industrie, Gebäude und Verkehr sieht der Thinktank keine strukturellen Fortschritte. In der Industrie sind demnach die Emissionen trotz der wirtschaftlichen Stagnation im vergangenen Jahr um drei Millionen Tonnen CO2 leicht gestiegen. Im Gebäudebereich sei der geringfügige Rückgang um zwei Millionen Tonnen CO2 vor allem auf den verringerten Heizenergiebedarf wegen der milden Witterung zurückzuführen. Und die im Verkehrssektor eingesparten zwei Millionen Tonnen CO2 sei Folge des geringeren Lkw-Verkehrs aufgrund der wirtschaftlichen Schwäche. Zusammen verursachen Gebäude und Verkehr rund zwölf Millionen Tonnen CO2 zuviel, um die europäisch vereinbarten Klimaziele im Rahmen der sogenannten Effort Sharing Regulation (ESR) zu erfüllen.

„Für eine erfolgreiche Klima- und Energiepolitik ist es in der nächsten Legislaturperiode entscheidend, die Finanzierung der Transformation in allen Sektoren strukturell auf eine solide Basis zu stellen“, so Agora Energiewende. Als mögliche Elemente nennt der Thinktank eine gezielte Unterstützung, um private Investitionen zu ermöglichen, Entlastungsmaßnahmen für Bürger und Unternehmen im Übergang, öffentliche Infrastrukturinvestitionen insbesondere auch auf kommunaler Ebene sowie internationale Klimafinanzierung, um den Klimaschutz weltweit in geopolitisch herausfordernden Zeiten verlässlich voranzubringen.

Das SMC hat Experten um eine Einordung der aktuellen Agora-Emissionsbilanz gebeten und gefragt, wie sie die Überschätzung der Emissionen in einigen Projektionen bewerten. „Der Rückgang der Treibhausgasemissionen wird insbesondere durch den starken Ausbau der erneuerbaren Energien bei gleichzeitig niedriger Stromnachfrage bestimmt“, sagt beispielsweise Andreas Löschel, Professor am Lehrstuhl für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit der Ruhr-Universität Bochum. Gründe für die niedrige Stromnachfrage seien neben der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung die mäßigen Erfolge bei der Skalierung von E-Autos, Wärmepumpen und Elektrolyseuren. 2025 könnten sich aus seiner Sicht die Entwicklungen in der Treibhausgasbilanz fortsetzen. „Allerdings dürften im Jahr 2025 auch energiepolitische Prioritäten hinterfragt werden. So passt die Ausbaudynamik der Erneuerbaren nicht zum langsameren Fortschreiten der Sektorkopplung und der niedrigen Stromnachfrage, was sich in den vielen Stunden mit negativen Strompreisen dokumentiert“, schreibt Löschel.

Wie er rechnet auch Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, kurzfristig beim Blick auf die Emissionen nicht mit einer Lenkungswirkung des steigenden CO2-Preises. Eine solche Lenkungswirkung sei vermutlich erst mit dem vorgesehenen Einstieg in die zweite Säule des europäischen Emissionshandels (EU-ETS 2) ab dem Jahr 2027 zu erwarten.

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