Die sechs beteiligten Fraunhofer-Institute haben die Ergebnisse ihres Forschungsprojekts „MaNiTU“ vorgestellt. Es startete Ende 2019 und die Abkürzung steht für „Materialien für nachhaltige Tandemsolarzellen mit höchster Umwandlungseffizienz“. Ziel war es, nachhaltige Wege für die Markteinführung solcher Hocheffizienzzellen aufzuzeigen. Im ersten Schritt ging es darum, zahlreiche neue Materialien mit Perowskit-Kristallstruktur herzustellen und diese auf Zellebene mit bekannten Materialien zu vergleichen. Dabei kam heraus, dass nur mit bleihaltigen Perowskiten hohe Effizienzen erzielt werden können. Nach Angaben des Fraunhofer-ISE realisierten die Forscher daraufhin hocheffiziente Demonstratoren, beispielsweise eine Perowskit-Silizium-Tandemsolarzelle über 100 Quadratzentimeter mit Siebdruckmetallisierung sowie Minimodule für einzelne und verschaltete Tandemsolarzellen.
Im Fokus standen dabei auch die Herstellungsprozesse für Perowskit-Materialien, die auf großflächigen Anwendungen industriell umsetzbar sind. So hätten die Forscher eine „hybride Route“ verfolgt. Diese beinhaltete eine Kombination aus Aufdampfen und nasschemischer Abscheidung, wobei sie Perowskit-Dünnschichten mit hoher Qualität auf industriell texturierten Siliziumsolarzellen realisierten. Die Forscher erreichten damit volltexturierte Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen mit 31,6 Prozent Effizienz auf einem Quadratzentimeter Zellfläche.
Während des Prozesses untersuchten sie auch nicht-giftige, bleifreie Alternativen für die Perowskitverbindungen sowie unterschiedliche Synthesewege. „Insbesondere die skalierbare, semi-kontinuierliche Perowskit-Synthese in Pulverform mittels Sprühtrocknung stellt eine geeignete Screening-Methode für eine Vielzahl von Verbindungen und deren potenzieller Synthese dar. Die Methode lässt sich auch auf industrierelevante Mengen anwenden“, erklärte Benedikt Schug, Leiter der Partikeltechnologie am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC. Allerdings sei es den Forschern nicht gelungen, mit den aus der Theorie vorhergesagten und experimentell synthetisierten bleifreien Materialien Tandemsolarzellen mit ausreichender Effizienz zu realisieren. Die intrinsischen Materialqualitäten seien dafür nicht ausreichend hoch gewesen. Daher lautete das Fazit der Fraunhofer-Forscher: „Aktuell keine geeigneten bleifreien Perowskite für Solarzellen in Sicht“.
Da sie in ihrem Leitprojekt jedoch den komplette Produktlebenszyklus der Tandemzellen berücksichtigen wollten, kümmerten sie sich auch um die Themen Recycling und Kreislaufwirtschaft. Dafür seien eine detaillierte Bewertung der Umweltauswirkungen der Produktion, der Nutzungsphase und des Produktlebensendes der Tandemsolarzellen durchgeführt und Recyclingkonzepte für Perowskit-Tandemmodule entwickelt worden. Mit fortschrittlichen Recyclingprozessen könne eine Kreislaufwirtschaft für Photovoltaik-Systeme mit bleihaltige Perowskiten geschaffen werden, kommentierte Peter Dold, Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS.
Vor dem Recycling steht aber die Produktion selbst und so kümmerte sich das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST im Leitprojekt „MaNiTU“ um die Entwicklung industrienaher Anlagenkomponenten und Beschichtungstechnologien, um leistungsstarke Kontaktmaterialien für Elektron- und Lochkontakte im industriellen Waferformat G12 zu etablieren. Eine große Herausforderung stellte die Temperaturempfindlichkeit der Perowskitzelle dar. Die Herstellung des Frontkontaktsystems sei nur bei Temperaturen von unter 100 Grad Celsius möglich. Darüber hinaus ist den Fraunhofer-Forschern zufolge die Abscheidung eines transparent leitfähigen Oxids auf der Zelle erforderlich. Hierzu bauten sie eine neue Prozesskette bestehend aus der Kombination von ALD- und Verdampfungsprozessen in einer SALD-Hybridanlage auf, die durch einen abschließenden Sputterprozess ergänzt wird. Diese soll nun mit Anlagenbauern und Endanwendern in die Praxis überführt werden, erklärte Volker Sittinger, Abteilungsleiter Diamantbasierte Systeme und Cleantech am Fraunhofer IST.
In dem Projekt sei auch die Charakterisierung von Tandemsolarzellen vorgenommen worden, um Methoden zur schädigungsfreien selektiven Analyse der Silizium- und Perowskit-Teilzellen zu entwickeln. Mittels Daten der Charakterisierung konnte ein opto-elektrisches Simulationsmodell der Tandemsolarzelle für eine umfassende Verlustanalyse verwendet und eine praktische Obergrenze des Wirkungsgrades von 39,5 Prozent bestimmt werden, wie es zum Ergebnis hieß. Am Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS seien schädigungsarme Focused Ion Beam-Techniken (FIB) für die Präparation von industriellen Tandemsolarzellen evaluiert worden, die dann im Transmissionselektronenmikroskop (TEM) hochauflösend analysiert werden können. Die Forscher konstruierten einen speziellen Probenhalter, der die direkte Abscheidung von Absorber- und Kontaktschichten auf TEM-Substraten bei den Projektpartnern vor Ort erlaubte. Zudem seien Methoden zur Untersuchung der Dicke, des Bedeckungsgrads und der chemischen Bindung von selbstorganisierenden molekularen Monoschichten entwickelt worden.
Teil des Forschungsprojekts waren auch Berechnungsmodelle, mit denen strukturelle und photovoltaische Eigenschaften von relevanten Absorber-Materialien sowie deren Grenzflächen zu optisch transparenten und elektrisch leitenden Kontakt-Materialien akkurat und effizient beschrieben werden können. Das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM habe hierfür einen Computational Simulation Workflow erstellt, der nicht nur für die Photovoltaik, sondern auch für industriell interessante Materialfragen in anderen Technologien etwa für Wasserstoff einsetzbar sei.
Die abschließende Analyse zum Lebenszyklus der Tandemzellen ergab, dass mit geeigneten Produktions- und Recyclingverfahren sowie Degradationsraten, die mit der heutigen Siliziumtechnologie vergleichbar sind, ein nachhaltiges Produkt zur Verfügung steht. „Die Fraunhofer-Gesellschaft hat sich in diesem Projekt im Verbund mit mehreren Instituten zurück in die Weltspitze der Photovoltaik gearbeitet und sollte dort bleiben“, so das Fazit der Fraunhofer-Projektbeiräte zum Abschluss von „MaNiTU“. „Eine enge Industriekooperation ist jetzt der nächste Schritt, um diese Zukunftstechnologie in Europa aufbauen zu können“, ergänzte Andreas Bett, Institutsleiter am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE und Koordinator des Fraunhofer-Leitprojekts.
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