Photovoltaik-Dachanlagen oder die deutsche Lust an der Selbstverzwergung

Dachanlagen, Freiflächenanlagen, KI generiert

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Deutschland blickt auf Rekordjahre mit mehr als 15 Gigawatt neu installierter Photovoltaik-Leistung und einer installierten PV-Gesamtleistung von inzwischen 96 Gigawatt zurück.  Zwei Drittel dieses Zubaus entfielen dabei bislang auf kleine Aufdachanlagen.

Grund zum Jubel, oder? Wir sagen: Nein, so einfach ist die Rechnung nicht. Während andere Länder wie China oder Spanien die enormen Skaleneffekte der Photovoltaik-Technologie nutzen und reihenweise Freiflächenanlagen im Megawattbereich in Betrieb nehmen, mini-tüftelt Deutschland vor sich hin. Fraglos haben Photovoltaik-Aufdachanlagen einige Vorteile, etwa die Demokratisierung der Stromerzeugung und die direkte Beteiligung von Bürgern (na ja, Eigenheimbesitzern) an der Energiewende. Doch ihre Nachteile sind eklatant und wurden bisher in der deutschen Praxis, die Energiewende aus dem Wohnzimmer zu denken (und dabei keinen Smart Meter im Keller zu installieren, aber dazu später mehr) größtenteils übersehen.

Die Kostenfrage – warum Aufdachanlagen nicht kosteneffizient sind

Ein typisches Angebot in Deutschland für Aufdach-Solaranlagen liegt in einem optimistischen Szenario bei etwa 1.300 Euro pro Kilowattpeak. Zum Vergleich: Eine zehn Megawatt Photovoltaik-Großanlage kosten nur circa 500 Euro pro Kilowattpeak, also etwas mehr als ein Drittel. Rechnen wir hier aber pessimistisch und setzen 600 Euro pro Kilowattpeak an.

Wie auch immer wir rechnen: Genau dieser gewaltige Kostenvorteil von Großanlagen ist entscheidend. Würden statt zehn Gigawatt Dachanlagen zehn Gigawatt Freiflächenanlagen gebaut, könnte die deutsche Volkswirtschaft pro Jahr sieben Milliarden Euro einsparen. Size matters. Angesichts der hohen Energiekosten und aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen Deutschlands gefährdet der ineffiziente deutsche Ansatz, Photovoltaik-Anlagen vorrangig auf kleinen Dächern zu installieren, die Wettbewerbsfähigkeit der Energiewende und damit der gesamten Wirtschaft.

Warum werden teure Aufdachanlagen weiterhin installiert?

Photovoltaik-Dachanlagen bleiben trotz hoher Kosten für den Endkunden attraktiv, da sie stark subventioniert werden – direkt und indirekt. Intuitiv liegt die Vermutung nahe, dass Hausbesitzer vor allem durch die feste Einspeisevergütung von etwa 8 Cent pro Kilowattstunde profitieren. Aber diese reicht nicht aus, um rentabel zu sein. Der Schlüssel liegt im Eigenverbrauch und in der Steuerersparnis.

Hausbesitzer sparen rund 17 Cent pro Kilowattstunde an Netzentgelten, Stromsteuer und anderen Zuschlägen, indem sie weniger Strom aus dem Netz beziehen. Das führt zu fehlenden Einnahmen von knapp 5 Milliarden Euro pro Jahr, wenn wir davon ausgehen, dass die 57 Gigawatt Photovoltaik-Anlagen auf Dächern 57 Terawattstunden pro Jahr produzieren und 50 Prozent dieser Produktion selbst verbraucht werden.

Auch neuere Anlagen mit Speichersystemen erhöhen diese unbezahlten Kosten noch weiter, da der Eigenverbrauch weiter steigt. Zusätzlich profitieren Solaranlagen-Besitzer von Steuerbefreiungen, dem Wegfall der Mehrwertsteuer für Solaranlagen unter 30 Kilowattpeak, günstigen KfW-Krediten und Abschreibungsvorteilen. Insgesamt werden sie durch umfassende Subventionen finanziert, die letztlich von der Allgemeinheit, die keine Solaranlage auf dem Dach besitzt, getragen werden.

Deutschland hat Flächen für Solaranlagen

Auch wenn es sinnvoll erscheint, vorrangig bereits versiegelte Dachflächen für die Solarstromproduktion zu nutzen, ist die Flächenknappheit kein echtes Problem. Für die Photovoltaik-Ausbauziele Deutschlands bis 2030 wären nur 0,3 Prozent der Landfläche nötig – ein Bruchteil im Vergleich zu den 4 Prozent der Landesfläche, die aktuell für das weit weniger effektive Biogas genutzt werden. Und auch die Kosten spielen dabei keine bedeutende Rolle. In Deutschland könnte problemlos Land für Photovoltaik-Anlagen zu einem Preis von weniger als 3 Euro pro Quadratmeter gekauft werden.

Netzbelastung durch nicht steuerbare Einspeisung von Photovoltaik-Dachanlagen

Nur äußerst wenige der rund vier Millionen Haushalte mit Photovoltaik-Anlagen sind ohne Netzanschluss, wodurch die Netze von einem Großteil natürlich weiterhin genutzt werden. Da Netze kapitalintensiv sind, ändern sich die Kosten kaum, ob sie nun 24 oder 12 Stunden genutzt werden. Die geringere Nutzung durch Eigenverbrauch senkt die Fixkosten also nicht. Inwieweit und ob kleine Dachanlagen die Netzkosten mit Ausnahme von sicherlich geringeren Netzverlusten entlastet, ist äußerst fragwürdig.

Dazu gefährden nicht-steuerbare Solaranlagen zunehmend die Netzstabilität, denn sie entlasten nicht wie oftmals vermutet automatisch das Netz bei Spitzenlasten. Stattdessen stellen nicht-steuerbare Anlagen das Netz regelmäßig durch Überproduktion vor immer größere Herausforderungen. Erneuerbare Energien in der Direktvermarktung produzieren bis zu 0 Euro pro Megawattstunde – oder mit Subventionen sogar bei negativen Preisen (eben solange die EEG-Vergütung höher ist als der negative Preis).

In der Praxis befindet sich lediglich ein Drittel der installierten Photovoltaik-Gesamtleistung in der Direktvermarktung und hat somit einen Anreiz (und die technische Fähigkeit) auf negative Preise zu reagieren. Die immense, weitgehend nicht-steuerbare (oder zumindest de-facto nicht reagierende) Einspeisung aus Photovoltaik-Aufdachanlagen (etwa 34 Gigawatt) führt jedoch zu Überkapazitäten, negativen Strompreisen und Problemen mit der Netzstabilität. Bereits jetzt warnen Übertragungsnetzbetreiber und die Bundesnetzagentur vor der Herausforderung nicht-regelbarer Einspeisung an besonders sonnigen Tagen. Auch unsere Modellierungen zeigen Szenarien, in denen der Intraday-Markt mit -9.999 Euro pro Megawattstunde sein Limit erreicht. Was danach geschieht, bleibt ungewiss.

Ostern 2025 – ein Blick in die Zukunft

Wir haben mal in die Glaskugel geschaut: An Ostersonntag 2025 sinkt die Stromnachfrage während der Mittagsstunden auf etwa 40 Gigawatt, während Solaranlagen auf Dächern allein bis zu 34,2 Gigawatt produzieren. Zusammen mit 8 Gigawatt konventioneller Must-Run-Kapazität und weiteren 11,7 Gigawatt aus netzgekoppelten erneuerbaren Energien, die nicht abgeregelt werden, ergibt sich ein Gesamtangebot von 53,9 Gigawatt. Viel zu viel Strom ist im Netz. Selbst bei einem optimistischen Export von 8 Gigawatt bleibt ein Überangebot von 5,9 Gigawatt bestehen, was der Leistung von fünf Kernkraftwerken entspricht. Nach der Nutzung der letzten marktlichen Notmaßnahmen, wie 3 Gigawatt negativer Regelleistung, verbleiben noch 2,9 Gigawatt Überschuss, ohne klare Lösungen für die weitere Bewältigung. Dies könnte zu gravierenden Netzproblemen führen, darunter ein Anstieg der Netzfrequenz, Abschaltungen von Photovoltaik-Wechselrichtern, Schäden an Maschinen und potenzielle Brownouts, besonders in solarreichen Regionen wie Südbayern.

Ein solches Szenario ist keineswegs unrealistisch. Bereits in den letzten Jahren gab es extreme Preisverläufe und erste Warnzeichen. Mit dem fortschreitenden Ausbau von Photovoltaik-Dachanlagen ist es nur eine Frage der Zeit, bis solche Probleme in größerem Maßstab auftreten.

Lösungsansätze für eine effizientere Energiewende

Die elegante Lösung wäre, Solaranlagen zu installieren, die auf Marktpreise reagieren, netzdienliche Speicher zu integrieren und Millionen von Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen zur Netzstabilisierung einzusetzen. Doch all das ist noch Jahre entfernt. Aktuell fehlen 98 Prozent der Haushalte die notwendigen Smart Meter, Smart-Meter-Gateways und Fernsteuerungseinheiten für Solaranlagen. Anders gesagt: Es gibt keine einfache kurzfristige Lösung, die nicht weh tut.

Unser Lösungsvorschlag besteht darin, die Kilowattstunde einer flexiblen, steuerbaren und großen Photovoltaik-Anlage (und von Großspeichern) am Umspannwerk am Ortseingang finanziell identisch zu behandeln wie die Kilowattstunde aus der Dachanlage und dem Heimspeicher. Das bedeutet Netzentgelte, Umlagen, Umsatz-, und Einkommenssteuern so zu gestalten, dass der Eigenverbrauch keinen systematischen Vorteil mehr genießt. Dadurch setzt sich die günstigste Option durch. Nach unserer Rechnung wären das skalierte Großanlagen.

Um das zu erreichen, sollten schnellstmöglich die ineffizienten und indirekten Subventionen für den Eigenverbrauch abgebaut und faktische Steuerbarkeit verpflichtend werden. Hier ist nun die Politik gefordert, die Weichen für eine skalierte Energiewende zu stellen, die ungerechte und ineffiziente Verteilung von Netzentgelten und anderen Abgaben verursachergerecht zu ordnen und notwendige Investitionen in Infrastruktur und Technologie voranzutreiben.

Amani Joas, Flex Power— Der Autor Amani Joas ist Mitgründer und Geschäftsführer der CFP FlexPower GmbH. Er ist ein erfahrener Stromhändler und hat zuletzt als Lead Trader bei Priogen in Amsterdam den kurzfristigen Trading-Desk aufgebaut und leitete das Team des kurzfristigen Stroms und Gashandels bei Eon. Davor war er bereits vier Jahre als Trader und Energie-Manager bei Next Kraftwerke tätig. —

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