Importabhängigkeit von Wasserstoff – Deutschlands Industrie ist sehr abhängig

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Deutschland wird in größeren Mengen Wasserstoff importieren müssen. In diesem Ausmaß werden das nur wenige andere Länder machen. Auf die Industrie lauert ein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Zu diesem Ergebnis kamen Forscherinnen und Forscher des Hypat Projekts, bei dem ein Potenzialatlas für Wasserstoff und seine Derivate die Potenziale zur Herstellung und Verbrauch auf der Welt abschätzt.

Der weltweite Bedarf für Wasserstoff und seinen Syntheseprodukten im Jahr 2050 soll der Studie zufolge zwischen vier und elf Prozent des globalen Endenergiebedarfs ausmachen. In Deutschland gehen die Forschenden aber davon aus, dass der Endenergiebedarf zu 20 Prozent aus Wasserstoff und seinen Derivaten gedeckt werden wird. Der Grund für den höheren Wert im Vergleich zum globalen Durchschnitt liegt in der Stahl- und Chemieproduktion, die in Deutschland ansässig ist.

Mit Blick auf die Kosten für den Wasserstoffimport nach Europa gehen die Autoren von 3,5 bis 6,5 Euro pro Kilogramm Wasserstoff im Jahr 2030 und 2,5 bis 4,5 Euro pro Kilogramm im Jahr 2050 aus. Die Großhandelspreise für Deutschland dürften mit mehr als vier Euro pro Kilogramm im Jahr 2050 langfristig hoch sein. Innerhalb der EU und weltweit muss Deutschland mit den höchsten Wasserstoffpreisen rechnen.

Die hohen Preise für den Import von Wasserstoff haben Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Andere Stahl- und Grundstoffchemieproduzenten, wie China und Nordamerika, verfügen über riesige Potenziale, eigenen grünen Wasserstoff herzustellen. Das könnte der dortigen Industrie einen klaren Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Die knappe Versorgungssituation mit Wasserstoff und die Preise, die sich in Deutschland dafür etablieren werden, verlangen den Einsatz auf Sektoren zu reduzieren, bei denen kaum andere Optionen infrage kommen. Dazu gehören eben die Stahl- und Grundstoffchemieindustrie, sowie der internationale Flug- und Schiffsverkehr und einige Raffinerieprozesse, so die Autoren. Für einen Einsatz im Straßenverkehr oder in der Gebäudewärme müsste sich die Versorgungslage mit Wasserstoffprodukten deutlich verbessern und die Preise sinken.

Innerhalb der Europäischen Union ziehen die Forschenden des Projekts HYPAT ein positiveres Fazit. Die EU könne sich im Wesentlichen selbst wirtschaftlich mit Wasserstoff versorgen. Allerdings sei sie bei Syntheseprodukten, also Methan oder Ammoniak, sowohl bei den benötigten Mengen als auch wegen zu hoher Produktionskosten, auf Importe angewiesen ist.

Deutschland, die Niederlande, Belgien und Italien haben in der EU einen hohen Importbedarf an Wasserstoff. Spanien, Frankreich, Dänemark und Polen könnten aber in die Rolle des Wasserstoffexporteurs wachsen. Dafür müssten aber europaweit Anstrengungen für ein Wasserstoffpipelinenetzwerk betrieben werden.

Bei dem Aufbau von Wasserstoffinfrastruktur sehen die Forscher derzeit eher einen Fokus auf die Länder mit einem hohen Wasserstoffverbrauch und weniger auf die Transportinfrastruktur. Um eine globale Lieferkette aufzubauen, müssten Länder mit einem hohen Importbedarf Investitionen in die Hand nehmen, um diese Lieferketten aufzubauen, auch mit Infrastrukturprojekten in anderen Ländern. Global gesehen sehen sich noch Thailand, Südkorea und Japan einem sehr hohen Wasserstoffimportbedarf gegenübergestellt. Zusammen mit den wenigen europäischen Ländern ist es ein kleiner Club, der dasselbe Schicksal teilt.

Der globale Handel mit Wasserstoff zwischen 2030 und 2050 wird nur ein Drittel des Verbrauchs ausmachen. Bisher passiert noch wenig, wenn es um Investitionen und Planung von globalen Transportwegen geht. Gelder fließen vorrangig in Verbrauchsanlagen in Ländern mit hohem Wasserstoffbedarf. Die Autoren sehen darin aber auch eine Chance. Deutschland könne voranschreiten und seine Importlieferkette für Wasserstoff diversifizieren und sich so resilienter in der Zukunft aufstellen.

Professor Martin Wietschel, der am Fraunhofer ISI das Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme leitet und das HYPAT-Projekt koordinierte, zieht am Projektende folgendes Fazit: „Im Projekt HYPAT wurde klar, dass sich Deutschland als großer künftiger Nachfrager um eine stabile und nachhaltige Versorgung mit dem zukunftsträchtigen Energieträger Wasserstoff kümmern muss – gerade auch mit Blick auf seine künftige Wettbewerbsfähigkeit, da der Wasserstoffeinsatz zur Dekarbonisierung in wichtigen Industriebereichen alternativlos ist. Daher gilt es, sich um internationale Kooperationen sowohl mit anderen importierenden Ländern als auch mit Exportländern zu bemühen. Fehler aus der Vergangenheit wie einseitige Abhängigkeiten sollten vermieden werden und bei der Auswahl künftiger Partner neben ökonomischen auch soziale und politische Faktoren eine zentrale Rolle spielen.“

Im Projekt „HYPAT – H2 POTENZIALATLAS“ forschten unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) der Lehrstuhl für Umwelt-/ Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit der Ruhr-Universität Bochum (RUB), die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG), das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), German Institute of Development and Sustainability (IDOS), die Energy Systems Analysis Associates (ESA²) GmbH, das Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS), die Deutsche Energie-Agentur (dena) und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, das im Rahmen des Ideenwettbewerbs „Wasserstoffrepublik Deutschland“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF gefördert wurde.

Die Studie lässt sich hier nachlesen.

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