Photovoltaik „Made in Europe“ mit chinesischen Partnern – was ist der Stand bei Enpal?

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Warum denkt Enpal darüber nach, Produktion wieder nach Europa zu bringen, obwohl es genug Hersteller gibt?
Heute gibt es 800 bis 900 Gigawatt Produktionskapazitäten weltweit und eine Nachfrage von 450 Gigawatt. Das heißt, es gibt genug Hersteller. Für uns als deutsches und europäisches Unternehmen ist es aber wichtig, dass wir auch in der Indus­trialisierung von gewissen Wertschöpfungsschritten der Photovoltaik vertreten sind. Wir werden in der Welt vielleicht fünf oder sechs große Industrien haben, die die Zukunft prägen werden. Da sind erneuerbare Energien und Photovoltaik mit Sicherheit einer der Vorreiter. Wir sollten daher Produktions­kapazitäten, das Know-how und damit auch einen gewissen Markt in diesen Segmenten erarbeiten können. Da möchten wir Grundsteine legen und ganz vorne mit dabei sein.

Am Schluss muss Enpal Geld verdienen. Das dürften auch die Investoren erwarten. Ist es in dieser Hinsicht nicht nur ein idealistischer Ansatz, den Sie dargelegt haben?
Es ist ein idealistischer Ansatz. Aber natürlich geht das nur, wenn es auch ein wirtschaftliches Geschäftsmodell ist. Dafür muss es Kapital geben. Es braucht die Technologie – und diese muss einen gewissen Skaleneffekt erreichen. Und das Geschäftsmodell muss auf der Opex-Seite, also bei den Betriebskosten, so strukturiert sein, dass man im Weltmarkt gegen eine sehr gut vertikal integrierte Lieferstruktur in China antreten kann. Ich glaube nicht, dass das kurzfristig möglich ist. Aber mit den richtigen strategischen Weichen auf der Partnerseite, auf der Standortseite, und auch auf der Capex- und Opex-Seite, also bei den Investitions- und Betriebskosten, ist es möglich, in den nächsten vier oder fünf Jahren eine europäische Industrie zu bauen, die auch im Weltmarkt ein Gewicht haben könnte.

Wie kann Made in Europe doch noch real werden?

Session 2:
Modul- und Batteriepreise – wie geht es weiter und was bedeutet das für die Branche?

5. Dezember, 10:00 bis 10:50 Uhr (virtuell), auf Englisch

Hendrik Göthel, VP Technology bei Enpal, wird die im Interview dargestellte Strategie des Unternehmens auf den virtuellen pv magazine roundtables Europe am 5. Dezember mit uns disktuieren.

Weitere Teilnehmer der Session:

  • Edurne Zoco, Executive Director, Clean Energy Technology, S&P Global
  • Monika Leiner, Category Manager Solar Modules, Goldbeck Solar
  • Stefano Lorenzi, CEO, 3SUN, Tochterfirma von Enel

Mehr Infos und kostenfreie Anmeldung

Haben Sie keine Angst, dass geopolitische Konflikte Ihr Geschäftsmodell gefährden?
Wir wollen die Resilienz unserer Lieferketten erhöhen. Bei geopolitischen Konflikten, seien es Handelsstreitigkeiten oder ausfallende Schifffahrtsrouten, droht sonst eine akute Gefährdung der Arbeitsplätze und der Wertschöpfung in der europäischen Solarbranche und das Verfehlen der Klima- und Energieziele.

Sie haben ein größeres Team in China. Was macht das und welche Expertise hat es bei dem Einkauf von Modulen?
Wir haben ein Team in Shenzhen mit etwa 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dazu gehört ein Teil des Engineering-Teams. Dann haben wir Mitarbeiter für den strategischen und operativen Einkauf, wir haben Produktions-Expediting, also für Qualitätskontrollen beim technischen Einkauf, und Logistik.

Europäische Wissenschaftler und Maschinenbauer argumentieren oft, dass Europa immer noch mit Innovationen glänzen kann und es Maschinen gibt, mit denen sie zum Beispiel eine 1,2-Gigawatt-Produktionslinie aufbauen können. In China würden die Maschinenbauer nur 900-Megawatt-Produktionslinien aufbauen. Was ist Ihr Blick auf diesen Teil der europäischen Innovationslandschaft?
Wir haben immer noch tolle Maschinen und mit dem Fraunhofer ISE das führende Forschungsinstitut der Welt. Der Unterschied ist, dass wir es nicht schaffen, diese Technologien wirklich zu hebeln, um den Weltmarkt mit diesen Produkten auszustatten. Wenn wir sagen, wir können eine 1,2-Gigawatt-Linie bauen, ist das super, aber was kostet das am Ende? Sind wir kompetitiv gegenüber einem chinesischen Produzenten?

Sind es wirklich einfach die Kosten, oder ist es das Umfeld, das im Moment in Europa nicht stimmt?
Es ist vielschichtiger. Natürlich ist das Umfeld gerade in Europa schwierig. China hat viel Geld investiert, um die notwendige Infrastruktur zu schaffen. In Europa sind wir sehr gut darin, in Forschung und Entwicklung zu denken, und haben da auch noch Innovationskraft. In meinen Augen sind wir aber gerade nicht wirklich stark darin, diese Technologie in Ökosystemen und Geschäftsmodellen in großen Skalen auszurollen. Das hat sehr viel mit Kapital, mit Risikobereitschaft und auch mit dem Geschäftsumfeld zu tun. Da haben wir in den letzten Jahrzehnten sehr viel an Kompetitivität verloren.

Das heißt, Europa benötigt chinesische Unternehmen nicht nur für Technologie, sondern vor allem auch für das Geschäftsmodell, um Risiko mit zu übernehmen und um zu zeigen, dass man daran glaubt?
Ja, genau, plus ein Produktions-Mindset.

Diese Wahrheit muss man erst mal anerkennen.

Deswegen ist es Ihr Ziel, die Produktion in Europa als Joint Venture mit chinesischen Unternehmen aufzubauen?
Genau, wir verfolgen diese Idee. In den 1980er-Jahren ist die westliche Welt nach China gegangen, um die Märkte zu entwickeln. Die Chinesen haben dann viele Kerntechnologien in Joint Ventures letztendlich auch mit lokaler Produktion angesiedelt, diese Technologie oft kopiert, adaptiert und skaliert und damit uns in manchen Bereichen, wie jetzt zum Beispiel in der Modulproduktion, auch überholt. China ist mit Abstand der Platzhirsch, sowohl auf der Produktionskapazitäts- als auch auf der technologischen Seite, gerade wenn es um Produktionstechnologie geht. Diese Wahrheit muss man erst mal anerkennen.

Und was folgt daraus?
Ich würde genau das jetzt gerne rückwärts machen: Wir erkennen die Leistung von China an, die mit Sicherheit nur mit viel Unterstützung auch aus Deutschland so funktionieren konnte. Und dann bringen wir in Joint-Venture-Strukturen diese Technologievorsprünge, die China gerade hat, zurück nach Europa, siedeln hier die Produktion wieder an und innovieren auch eine eigene Produktpalette. Für mich ist das ein abgestuftes System, wo wir erst mal anfangen, in einem Joint-Venture-Konzept Module zu bauen, dann Zellen, dann Ingots und Wafer. Die Kostenstruktur kann in absehbarer Zukunft nicht unter der in China liegen, aber zumindest nahe dran sein. Und genau das ist der Plan: local for local zu produzieren mit einem sehr geringen CO2-Fußabdruck und sehr kompetitivem Kostenansatz.

Am Ende müssen alle Beteiligten Vorteile haben. Was könnte für die chinesischen Hersteller die Win-Win-Situation sein?
Die großen chinesischen Konglomerate wollen als globale Unternehmen wahrgenommen werden. Das bedeutet, dass sie auch lokale Produktionsinfrastrukturen bauen müssen. Außerdem machen sich auch chinesische Unternehmen Sorgen: Wie entwickelt sich die geopolitische Umgebung, in der wir alle leben und arbeiten? Und ist es nicht sinnvoll, sich in gewisser Weise auch in den Märkten zu diversifizieren? Damit würden sie ja auch eine Risikoabsicherung gegen Handelsbarrieren, Safeguard Measures der EU, Zölle oder Embargos schaffen.

Am 5. Dezember werden wir auf den virtuellen pv magazine Roundtables Europe in acht Sessions von 9:00 Uhr bis 18:00 Uhr über folgende Themen informieren (auf Englisch):

  • Session 1: From Baku to Europe: The future of Solar PV
  • Session 2: Supply chain in disarray: Where next for prices for modules and more?
  • Session 3: Leading edge: What next for solar cells?
  • Session 4: Quality connection: Attention to detail in electrical BOS-components
  • Session 5: Negative electricity prices and energy market design: Impact on large installations and PPAs in Europe
  • Session 6: BESS in Europe: From local manufacturing to new offtake opportunities
  • Session 7: Agrivoltaics: Between promises and performance
  • Session 8: Startup lightning pitch session

Die Themen aus diesem Interview werden in Session 2 diskutiert.

Mehr Infos und kostenfreie Anmeldung

Was sagt die chinesische Politik dazu?

Die lokalen Provinzen, wo diese Unternehmen angesiedelt sind, sind sehr daran interessiert, dass diese Unternehmen weiterhin Profite erwirtschaften, auch global, und auch Steuern zahlen und letztendlich ihre Marktposition verteidigen. Als Unterstützung aus Beijing gibt es dazu gerade zumindest in meiner Richtung sehr wenige Stimmen. Zwar gibt es eine gewisse Vorsicht, dass man die Technologie, die man entwickelt hat, nicht sofort wieder abgibt und verliert. Aber ich habe bis jetzt noch niemanden gehört, der sich wirklich dagegen ausgesprochen hätte. Im Gegenteil, die Gespräche, die wir geführt haben, waren immer sehr proaktiv und zielführend.

Ich sehe eine große Chance, dass das funktionieren kann, solange es Strom auf einem sehr günstigen Level gibt.

Eine Voraussetzung ist das politische Umfeld in Europa. Es geht darum, ob es in irgendeiner Form Capex- und Opex-Förderungen gibt. Wenn man mit Opex-Förderung anfangen würde, wäre diese dauerhaft notwendig?
Es wäre anmaßend, das jetzt wirklich gut beantworten zu wollen. Das Ziel muss sein, wie in jeder Industrie, dass man nach einiger Zeit subventionierungsfrei ist. Aber es gibt so viele Thematiken, sei es auf der geopolitischen, handelspolitischen, infrastrukturell-politischen Seite, die da reinspielen können, ob eine lokale Produktion schneller oder langsamer profitabel werden könnte. Da müssen wir einfach ehrlich zueinander sein. Ich sehe eine große Chance, dass das funktionieren kann, solange es Strom auf einem sehr günstigen Level gibt. Mit einem Wert irgendwo zwischen zwei und fünf Cent pro Kilowattstunde kann man es packen.

In Deutschland war als Opex-Förderung der Resilienzbonus gedacht. Der hatte keine politische Mehrheit und auch Enpal hat ihn abgelehnt. Ist eine Förderung über den Strompreis oder wie es die USA mit dem IRA über Steuererleichterungen machen, besser?

Der Resilienzbonus hätte letztendlich über den Endkunden subventioniert. Das haben wir für schwierig empfunden aufgrund der Komplexität für den Endkunden. Das Geld soll ja da ankommen, wo es gebraucht wird, und das heißt beim Produzenten. Daher ist eine direkte Subventionierung auf Capex und Opex für uns der richtige Weg. Opex lässt sich über Strom, Gas und Wasser, was wir letztendlich brauchen, um zu produzieren, fördern. Capex mit Unterstützung beim Land, bei der Infrastruktur und durch Steuerentlastungen über einen gewissen Zeitraum. Außerdem spielt es eine Rolle, welche Forschungs- und Entwicklungsbudgets es aus verschiedenen Töpfen der Länder gibt, um die Produkte weiterentwickeln zu können. Es ist ein Schwachpunkt im IRA, dass er sehr darauf aus ist, einfach Kapazitäten anzusiedeln. Aber in dem Moment, wo man in der Forschung und Entwicklung nicht mehr Marktführer und vorne mit dabei ist, werden diese Kapazitäten wieder obsolet werden. Das müssen wir in Europa besser machen. Wir müssen lokal-für-lokal nahe an das Level der Kosten Chinas kommen. Aber wir müssen auch eine Entwicklungsroadmap in Europa haben, die den Trend nicht verschläft, sondern den Trend mit anführt.

Wie weit sind Sie mit dem Plan, ein Joint Venture aufzubauen?
Es gibt viele Gespräche mit potenziellen chinesischen Partnern. Wir schauen uns potenzielle Standorte in Europa an. Und es gibt einen sehr klar strukturierten Business Case. Damit können wir beurteilen, wie sich die Kosten verhalten würden, wenn wir so oder so entscheiden würden, und was der Skaleneffekt bringen würde. Für uns ist das die Vorentwicklungsphase.

Sie verhandeln durchaus auch schon Verträge vor?
Endverträge nicht, aber sehr viele Letters of Intent. Damit können wir unser Geschäftsmodell durchrechnen.

Haben Sie bereits mit Investoren gesprochen?
Auch da sind wir in der Vorentwicklungsphase, wo wir das Geschäftsmodell diskutieren. Das Interesse ist da, aber natürlich nur, solange die europäische Politik daran interessiert ist, diese Industrie anzusiedeln. Das ist ja die große Frage. Es gibt gerade sehr verschiedene Wahrnehmungen in Europa, je nachdem, wem man zuhört.

Wir haben unsere China-plus-X-Strategie.

Enpal ist auch in Vietnam engagiert und macht sich damit durchaus unabhängiger von China. Wie sieht es damit aus?
Wir haben unsere China-plus-X-Strategie. Das heißt, ein Großteil wird weiterhin aus China kommen. Wir sind jetzt aber auf der Lieferkette in Vietnam 100 Prozent vertikal integriert und können komplett nicht-chinesische Topcon-Module beziehen. Die ersten Module werden im Herbst aufs Schiff geladen.

Sind Sie dort auch in Form eines Joint Ventures beteiligt, oder sind das Partner, bei denen Sie kaufen?

Das sind strategische Partner. Wir geben extrem viel Input zur Produktentwicklung, auch zur Produktion, aber wir sind nicht kapitalinvestiert.

Sind das chinesische Unternehmen, die Niederlassungen in Vietnam aufgebaut haben?

Nein, unser Partner ist ein japanisches Unternehmen mit Sitz in Vietnam. Natürlich ist auch chinesische Technologie in den Produktionsanlagen.

Warum reicht das nicht, um in Europa resilient zu werden?
Es wäre auch eine einseitige Abhängigkeit, die gesamte Lieferkette auf Vietnam auszurichten. Auch wenn Vietnam selbst nicht von Sanktionen betroffen wäre, könnten geopolitische Konflikte die Handelsrouten beeinträchtigen. Es geht um Risiko­diversifizierung. Zudem sollte Europa auch selbst an der gigantischen Wertschöpfung teilhaben.

Das Interview ist erstmals in einer gekürzten Version in der Novemberausgabe von pv magazine erschienen.

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