Ampel-Aus: Verbände warnen vor Hängepartien in der Energiepolitik

Verkehrsampel, Chaos

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Morgens gewinnt Donald Trump die US-Wahlen, abends steht Deutschland ohne handlungsfähige Regierung da. So einen Verlauf des gestrigen Mittwochs haben sich wohl die Wenigstens vorgestellt. Nach der Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem anschließenden Rückzug aller FDP-Minister aus dem Kabinett sind von der einstigen Ampel nur noch SPD und Grüne übrig. Sie verfügen allerdings nicht über die Mehrheit der Stimmen im Bundestag, zusammen stellen sie 324 der 733 Abgeordneten. Für die Verabschiedung neuer Gesetze müssen sie sich Mehrheiten beschaffen, sofern Scholz an seinem Plan festhält, erst Mitte Januar 2025 die Vertrauensfrage zu stellen und damit wohl den Weg für Neuwahlen frei zu machen.

Eigentlich war geplant, in diesem Jahr noch die „Wachstumsinitiative“ zu beschließen. Darin vorgesehen sind auch verschiedene Maßnahmen, die Photovoltaik und Speicher betreffen. Ob dies noch gelingt, bleibt abzuwarten.

Die Verbände warnen jedoch vor einem energiepolitischen Stillstand. „Eine erfolgreiche Energie- und Klimaschutzpolitik benötigt ausreichende Gestaltungsspielräume und handlungsfähige Mehrheiten im Bundestag“, erklärte Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW-Solar) mit Blick auf die Ereignisse. Die Photovoltaik sei für die Stromversorgung mittlerweile systemrelevant und die Solarbranche mit ihren etwa 150.000 Arbeitsplätzen und einem Umsatz von geschätzt 25 Milliarden Euro ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Deutschland. „Jede parteitaktische oder ideologische Verzögerung gefährdet die Versorgung von Industrie und Wirtschaft mit günstigem Strom aus erneuerbaren Energien“, so Körnig.

Der BSW-Solar versteht sich als Stimme der Solar- und Speicherbranche hierzulande. Er appellierte an die Bundestagsabgeordneten, „jetzt parteiübergreifend Entscheidungs- und Kompromissfähigkeit bei wichtigen energiepolitischen Fragestellungen zu beweisen, für Investitionssicherheit in der Energiewende zu sorgen und den Abbau von Marktbarrieren fortzuführen“. Zudem werde erwartet, dass „von allen seriösen Parteien schon im Wahlkampf ein klares Bekenntnis zur Fortführung des Ausbaus der Solarenergie“ abgegeben wird. Es gelte eine Verunsicherung der Wirtschaft und Verbraucher zu vermeiden, so Körnig.

Bereits kurz nach dem Bekanntwerden des Regierungsbruchs äußerte sich Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). „Das Ende der Ampel-Koalition während der aktuellen nationalen, europäischen und internationalen Herausforderungen ist ein politischer Offenbarungseid“, sagte sie. Dabei habe die Bundesregierung die richtigen Weichen bereits gestellt. „Es kommt jetzt darauf an, dass die bereits im Verfahren befindlichen Gesetze und Haushaltsmittel für die Kontinuität der Energiemaßnahmen noch bis Dezember verabschiedet werden. Stillstand und Hängepartien können wir uns auch in einer politischen Krise nicht leisten“, sagte Peter.

Urban Windelen vom Bundesverband Energiespeicher Systeme (BVES) erklärte: „Das drohende Ende der Ampel-Koalition hat die notwendige Industriewende bereits seit einiger Zeit gelähmt. Der jetzige Bruch darf jedoch nicht zu einem Stillstand oder gar Rückschritt in der Transformation unseres Energiesystems führen.“ Er warnte for Kompromissen oder Verschiebungen als Verhandlungsmittel. „Stattdessen sollten wir diese Zäsur als Chance betrachten – für mehr Pragmatismus und größere Freiräume für Unternehmen, die ihre Transformation aktiv vorantreiben möchten“, so seine Forderung.

Auch der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) fordert, dass die kurz vor dem Abschluss stehenden Gesetze zum Energierecht noch verabschiedet werden müssen. Zumal wenn „deren reine Sachinhalte parteiübergreifend zu großen Teilen zustimmungsfähig sein sollten“. Dazu zählt der Verband unter anderem die EnWG-Novelle oder die Novelle des Strom- und Energiesteuergesetzes. „Ein Abbruch würde große Nachteile für die Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger mit sich bringen“, sagte bne-Geschäftsführer Robert Busch. Mit Blick auf die EnWG-Novelle sagte Busch weiter: „Der allseits umstrittene Teil des Gesetzesvorhabens, das Messstellenbetriebsgesetz, kann dagegen abgetrennt und von der Folgeregierung geregelt werden.”

Die Handlungsfähigkeit für die Energiebranche sei elementar, hieß es von Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Die jetzige Situation darf nicht dazu führen, dass wichtige Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Daher gilt es, insbesondere jene Gesetzesinitiativen zeitnah noch in diesem Jahr zum Abschluss zu bringen, die fristenrelevant sind und nicht bis zum kommenden Jahr warten können“, sagte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Aus Sicht des BDEW betrifft dies die „Regelungen zur Spitzenproblematik“ aus der EnWG-Novelle. Sie müssten sowohl technisch als auch haushälterisch zwingend umgesetzt werden, forderte Andreae. „Wir prüfen derzeit alle aktuellen Gesetzesvorhaben, um Klarheit darüber zu schaffen, was keinen Zeitaufschub erhalten darf.“

Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Artikel im Laufe des Tages mit weiteren Statements ergänzt.

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