Kommentar zur EnWG-Novelle: Warum intelligentes Energiemanagement jetzt noch wichtiger wird

Kiwigrid, Smart Meter

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Mit dem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien und dem steigenden Stromverbrauch durch die Elektrifizierung von Mobilität und Wärme steht Deutschland vor einer zentralen Herausforderung: Wir brauchen ein flexibles, vernetztes Energiesystem, das auf Schwankungen in Erzeugung und Nachfrage reagieren kann. Der vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts (Wachstumsinitiative) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz setzt genau hier an und schlägt Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und Messstellenbetriebsgesetz vor. Während die Novelle einerseits das Potenzial für flexible Steuerung stärker ausschöpft, stellt sie andererseits unnötige Hürden für den dringend benötigten Smart-Meter-Rollout auf – und gefährdet damit einen zentralen Baustein der Energiewende.

Intelligentes Energiemanagement als Schlüssel zur Netzstabilisierung

Durch den Einsatz eines Energiemanagementsystems lassen sich lokal erzeugter, schwankender Photovoltaik-Strom und andere erneuerbare Energiequellen effizient nutzen. Ein Energiemanagementsystem ermöglicht es, Stromproduktion und -verbrauch optimal aufeinander abzustimmen, den Eigenverbrauch zu maximieren und so den zusätzlichen Strombedarf zu reduzieren. Das entlastet das Netz, senkt Netzentgelte und reduziert Stromkosten für Endkunden. Damit Energiemanagementsysteme tatsächlich zur Netzstabilisierung beitragen können, ist jedoch eine flächendeckende Implementierung notwendig – und dafür ist regulatorische Unterstützung entscheidend. Die EnWG-Novelle hat einige wichtige Weichen bereits richtig gestellt.

Positive Aspekte der EnWG-Novelle: Vom Mess- zum Steuerrollout

Wir begrüßen die Bemühungen vom Mess- zum Steuerrollout. So werden neben den bekannten §14a EnWG-Anlagen (wie Wärmepumpen, Speicher und Ladestationen) zusätzlich Photovoltaik-Anlagen ab zwei Kilowatt Leistung zur Steuerbarkeit verpflichtet, indem sie ihre Einspeiseleistung ferngesteuert reduzieren. Durch die Absenkung der Grenze von ehemals 25 Kilowatt werden nahezu alle Photovoltaik-Neuanlagen von dieser Regelung betroffen sein. Damit ist der erste Schritt für eine echte Integration der Photovoltaik-Anlagen in das Energiesystem gegangen. Darauf folgend sollte die marktliche und netzdienliche Incentivierung beispielsweise zur Vermeidung von Netzeinspeisung bei deutlich negativen Preisen vorangetrieben werden.

Ebenso bewerten wir die Anpassung der Rollout-Quoten positiv. So ist für die Erfüllung der Quoten nicht mehr die Anzahl der Einbaufälle, sondern die Leistung der betroffenen Anlagen die relevante Messgröße. Dies fördert unserer Einschätzung nach die Effektivität, da dadurch tendenziell große Anlagen und damit höheres Flexibilitätspotenzial zuerst mit Smart-Meter-Gateways und Steuerboxen versehen werden.

Kritische Aspekte der EnWG-Novelle: Zusätzliche Hürden für den Smart-Meter-Rollout

Als Unterstützer der „Smart Meter Initiative“ sehen wir die flächendeckende Einführung intelligenter Messsysteme als unverzichtbar für eine erfolgreiche Energiewende. Einige Aspekte der Novelle schaffen jedoch unnötige Hürden, die den Smart-Meter-Rollout verlangsamen könnten. Ein Beispiel ist die Erhöhung der Verbrauchsgrenze für den verpflichtenden Einbau eines intelligenten Messsystems von 6.000  auf 10.000 Kilowattstunden. Das könnte dazu führen, dass viele Haushalte und kleinere Betriebe von der Smart-Meter-Pflicht ausgenommen bleiben und seltener von den Vorteilen intelligenter Energiemanagementsysteme und dynamischer Tarife profitieren.

Sobald ein Letztverbraucher durch den grundzuständigen Messstellenbetreiber ein intelligentes Messsystem eingebaut bekommen hat, hat dieser erst zwei Jahre später die Möglichkeit, einen wettbewerblichen Alternativanbieter zu beauftragen. Auch wenn die Intention zur Vermeidung von Elektroschrott durchaus verständlich ist, verhindert eine solche Regelung innovative Produkte und Dienstleistungen, die ein grundzuständiger Messstellenbetreiber gar nicht anbieten kann. Insbesondere vor dem Hintergrund der Stärkung des Wettbewerbs im Messwesen erscheint dies kontraproduktiv.

Zusammenfassend begrüßen wir den Geist des Gesetzentwurfs und unterstützen den aufgezeigten Weg zum Steuerrollout. Die flächendeckende Einführung von Smart-Meter-Gateways und Steuerboxen ist ein zentraler Baustein zum Meistern der zukünftigen Herausforderungen im Bereich der dezentralen Erzeugung und Verbrauch. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass wir auf dem Weg bis hierhin schon viele Richtungsanpassungen vorgenommen haben, die zu Verunsicherungen und Planungsunsicherheiten geführt haben. Wir plädieren deshalb dafür, endlich flächendeckend und konsequent den Smart-Meter-Gateway-Rollout voranzutreiben und dezentrale Anlagen besser in Netz und Markt zu integrieren.

— Der Autor Jan Lehmann ist Vice President Product Management bei Kiwigrid. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der TU Bergakademie in Freiberg war er in verschiedenen Positionen bei MVV Energie und MVV Trading unter anderem für Bilanzkreismanagement, Direktvermarktung und Regelenergievermarktung zuständig und baute dabei ein Virtuelles Kraftwerk auf. Seit 2020 ist er bei Kiwigrid aktiv, bei der er verschiedene Führungstätigkeiten in den Bereichen Strategie und Produktmanagement verantwortet. —

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