Studie: Langfristig sollten Netzentgelte für Großverbraucher die verursachten Kosten widerspiegeln

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Ende August hat die Bundesnetzagentur die Festlegung zur Verteilung der Mehrkosten durch die Integration erneuerbarer Energien veröffentlicht. Sie gibt einen Rahmen vor, mit dem Netzbetreiber mit besonders hohen Kosten durch den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung identifiziert werden, um alle Stromverbraucher fairer an diesen Mehrkosten zu beteiligen. In einer Studie im Auftrag des Übertragungsnetzbetreibers Tennet hat das Beratungsunternehmen Neon Neue Energieökonomie untersucht, wie große Stromabnehmer aus der Industrie über den Hebel der Netzentgelte zu einem flexiblerem Energieverbrauch animiert werden können.

Hintergrund ist, dass Großverbraucher von Strom in Deutschland Anspruch auf ein individuelles Netzentgelt haben, wenn ihr Strombezug gleichmäßig ist – möglich sind Rabatte von bis zu 90 Prozent. Insgesamt dürften laut Neon jährlich etwa 100 Terawattstunden industrieller Stromverbrauch von individuellen Netzentgelten profitieren. Im Jahr 2024 habe diese sogenannte 7000-Stunden-Regelung die stromintensive Industrie um rund 1,5 Milliarden Euro entlastet. „Der Mechanismus steht seit langem in der Kritik, weil er eine Reaktion der Unternehmen auf Strompreissignale und Dienstleistungen für Netzbetreiber praktisch unmöglich macht“, so Studienleiter Lion Hirth. „Die Flexibilisierung des industriellen Stromverbrauchs und damit die Nutzung von günstigem grünen Überschussstrom ist jedoch ein wesentlicher Baustein für die Bezahlbarkeit der Energiewende und die industrielle Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Deswegen ist eine Reform richtig, wichtig und überfällig.“

Die Studie legt zwei mögliche Modelle vor. Das erste Modell fokussiert auf Kostenreflektivität, was bedeutet, dass geringere Netzentgelte zahlt, wer im Stromnetz weniger Kosten verursacht, also die Netze entlastet oder zumindest keine Netzengpässe verursacht. Weil die Netzsituation dynamisch von Tageszeit und Wetter abhängt, müsste das Netzentgelt sich jedoch über die Zeit ändern, zwischen Regionen unterscheiden und kurzfristig festgelegt werden – ein sehr komplexer Ansatz. Als zweites mögliches Modell diskutiert die Studie eine andere Rabatt-Logik, also eine Abschaffung des 7000-Stunden-Kriteriums. Bedingung für den Erhalt des Rabattes könnte dann beispielsweise ein flexibler Stromverbrauch sein, alternativ könnte ein reiner Mengenrabatt gewährt werden. Denkbar sei dabei eine Regionalisierung zur Abbildung der längerfristigen Engpässe im Übertragungsnetz.

Als langfristige Lösung empfiehlt Neon Neue Energieökonomie, die Netzentgelte an den verursachten Netzkosten zu orientieren. Kurzfristig sei eine Umstellung auf einen reinen Mengenrabatt vertretbar, um dem politischen Wunsch nach einer flächendeckenden Entlastung der Industrie Rechnung zu tragen. Dabei sei jedoch eine Umstellung auf einen Mengenrabatt mit regionaler Differenzierung ratsam, um eine netzdienliche Komponente zu enthalten. Um Kippschaltereffekte zu vermeiden, sollte der Rabatt nur auf den Stromverbrauch jenseits eines Schwellwerts Anwendung finden. Außerdem sollte der Leistungspreis der Netzentgelte stärker reduziert werden als der Arbeitspreis, um auch diese Flexibilitätsbarriere weiter abzubauen.

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