Besondere Anlagen – besondere Privilegien: Zur neuen Rechtslage für hofnahe Agri-Photovoltaik

Agri-Photovoltaik

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Im abgelaufenen Jahr 2023 sind im Rahmen des Bauplanungsrechts wesentliche Änderungen zur Förderung für den weiteren Ausbau von Solarenergie in Kraft getreten.

In Zusammenarbeit mit Ursula Mayr vom Ingenieurbüro Kumandra Energy, das eine enge Zusammenarbeit mit Agrarunternehmen pflegt, sollen im Folgenden vor dem Hintergrund der praktischen Relevanz die neuen Privilegien für die hofnahe Agri-Photovoltaik dargestellt und mögliche Fallbeispiele bewertet werden.

Die Motivation für die Erleichterungen resultierte zunächst aus der generellen Anstrengung des Gesetzgebers, die erneuerbaren Energien verstärkt zu fördern und die Abhängigkeit von (russischem) Gas zu verringern (siehe Drucksache 20/4704 des Deutschen Bundestages, Beschlussempfehlung und Bericht).

Eine noch weiter gehende Privilegierung erfolgte durch das „Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften“ des Bundestages vom 3. Juli 2023 für Agri-Photovoltaik-Anlagen und weitere besondere (Freiflächen-) Photovoltaik-Anlagen. Durch das Gesetz wurde in § 35 Abs. 1 BauGB die neue Nr. 9 eingefügt. Danach wird ein Vorhaben privilegiert, das der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des EEG (Anlagen bei gleichzeitiger landwirtschaftlicher Nutzung) dient und folgende Voraussetzungen erfüllt:

  • a) das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen (oder einem Gartenbau-) Betrieb,
  • b) die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
  • c) es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

Die Regelung beinhaltet damit insbesondere eine Privilegierung von Agrarunternehmen, die im Zusammenhang mit ihrer Hofstätte eine Agri-Photovoltaik-Anlage errichten wollen. Eine Agri-Photovoltaik-Anlage bezeichnet eine Kombination zur gleichzeitigen Nutzung landwirtschaftlicher Flächen (insbesondere für die Nahrungsmittelproduktion) und der Energiegewinnung durch Photovoltaik-Anlagen. Ziel ist dabei die Flächeneffizienz zu steigern und bei gleichzeitiger Erhaltung von landwirtschaftlichen Flächen den Ausbau erneuerbarer Energien voranzubringen. Die Agri-Photovoltaik ist dabei vielseitig und kann je nach Kulturpflanze unterschiedliche Technologien einsetzen.

Zwar bestand in Bezug auf die Energieversorgung schon vor der Einführung eine Privilegierung für Land- und Forstbetriebe nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, hierbei bedurfte es jedoch einer dienenden Funktion der Anlagen. Daraus ergab sich, dass die Anlage grundsätzlich den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unmittelbar mit Energie versorgen musste. Die neue Regelung des § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB sieht eine solche zwingende Versorgung des eigenen Betriebs nicht mehr vor, sondern eröffnet die Möglichkeit der Einspeisung des produzierten Stroms auch ins öffentliche Netz oder zur Versorgung direkt an einen anderen Verbraucher (Stromabnahmevereinbarungen/Power Purchase Agreements; PPA).

Offen bleibt bei der Regelung jedoch, wie genau die Voraussetzung des räumlich-funktionalen Zusammenhangs auszulegen ist und ob die Regelung voraussetzt, dass die Anlage zwingend von dem Betreiber des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes betrieben werden muss beziehungsweise welche Beteiligungsformen im Rahmen der Privilegierung möglich sind.

Näheres zu diesen Fragen ergibt sich jedenfalls nicht direkt aus der Gesetzesbegründung.

1. Der räumlich-funktionale Zusammenhang

Der Begriff des räumlich-funktionalen Zusammenhangs wurde bereits unter § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB für Biomasse-Anlagen verwendet. Nach der Art der Anlage ist die Begriffsbestimmung und Rechtsprechung hierzu jedoch nicht direkt übertragbar.

In Bezug auf Biomasse-Anlagen ergibt sich für den räumlich-funktionalen Zusammenhang zunächst, dass diese eine örtliche Nähe zum landwirtschaftlichen Betrieb haben müssen und dass – in funktionaler Hinsicht – beispielsweise eine Verwendung von in der Anlage anfallenden Reststoffen als Dünger auf den Betriebsflächen oder die Verwendung des produzierten Stroms oder der Wärme im eigenen Betrieb erfolgen müssen (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr/Mitschang/Reidt, 15. Aufl. 2022, BauGB § 35 Rn. 51).

Für die räumliche Nähe ist dabei in der Regel die Hofstelle des landwirtschaftlichen Betriebs maßgeblicher Bezugspunkt. Hintergrund ist dabei, dass es sich bei einer Biomasse-Anlage um eine (einzelne) große Anlage mit großer Planungs- und Raumbedeutung handelt, die sich in das Bild der Hofstelle eingliedern soll und damit in die bauliche Vorbelastung.

Diese Herleitung kann nur bedingt bei Agri-Photovoltaik-Anlagen übernommen werden. Zwar ist auch hier vom Grundsatz auszugehen, dass der unbeplante Außenbereich, soweit möglich, von der Bebauung freigehalten werden soll. Jedoch macht gerade der räumliche Zusammenhang zwischen Photovoltaik-Anlagen zur Hofstelle weniger Sinn als bei einer Biomasse-Anlage. Denn gerade bei Agri-Photovoltaik-Anlagen gliedert sich die Photovoltaik-Anlage in die landwirtschaftliche Nutzung mit ein. Es handelt sich nicht um ein einzelnes großes Bauwerk (mit enormem Störfaktor), sondern um eine Flächen-Anlage, die sich in die bisherige Nutzung und deren optischen Eindruck besser einfügt. Die Rechtsprechung zur Entfernung der Anlage zur Hofstelle kann daher jedenfalls nicht eins zu eins übernommen werden.

Dies gilt umso mehr, wenn man neben dem räumlichen Kriterium das funktionale Kriterium betrachtet. Denn während bei einer Biomasse-Anlage eine Funktionalität nur in der Verwertung von landwirtschaftlichen Produkten besteht, kann sich bei Agri-Photovoltaik-Anlagen eine Funktionalität für den landwirtschaftlichen Betrieb aus der Anlage selbst ergeben. Dies zum Beispiel dadurch, dass landwirtschaftliche Erzeugnisse gewählt werden, die vom Schatten der Module profitieren, oder indem Weidetiere die Module als Unterstellplätze nutzen können.

Es ergibt sich daher hinsichtlich des räumlich-funktionalen Zusammenhangs in Bezug auf Agri-Photovoltaik-Anlagen, dass die Auslegung des Begriffs und damit die konkrete Entfernung zur Hofstelle regelmäßig deutlich weiter ausfallen können als bei Biomasse-Anlagen (so auch zustimmend Baars in NVwZ 2023, 1857 (1860); a.A. Enzensperger, NVwZ 1394 (1396)). Dies insbesondere dann, wenn eine konkrete Funktionalität der Anlage für die landwirtschaftliche Nutzung geltend gemacht werden kann.

2. Mögliche Beteiligungs- und Betriebsformen

Des Weiteren ist fraglich, ob die Vorschrift vorsieht, dass die entsprechende Anlage von dem Inhaber des entsprechenden Betriebes betrieben werden muss oder welche Beteiligungskonstellationen alternativ möglich sind.

a. Kein Erfordernis von Identität zwischen Hofbetreiber und Anlagen-Betreiber

Zunächst dürfte nach dem Wortlaut der Norm abzulehnen sein, dass der Hofbetreiber (Betreiber der Hofstelle) auch Inhaber/Eigentümer der Photovoltaik-Anlage sein muss. Denn vergleicht man wiederum den Wortlaut des § 35 Abs. 1 Nr. 9 a) BauGB mit § 35 Abs. 1 Nr. 6 a) BauGB, so fällt auf, dass es in Nr. 6 a) heißt: „das Vorhaben steht in einem räumlich- funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb“. Hingegen heißt es in der neu eingefügten Nr. 9 a): „Das Vorhaben steht in einem räumlich- funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2“. Es ergibt sich, dass anders als in Nr. 6, bei dem die Rechtsprechung bereits entschieden hat, dass es einer rechtlich-wirtschaftlichen Zuordnung der Biomasse-Anlage zu dem Hofbetreiber bedarf (Nieders. OVG, Urteil vom 14. März 2013 – 12 LC 153/11), dies durch den abweichenden Wortlaut für Agri-Photovoltaik-Anlagen nicht gilt (so auch Otto/Wegner, Hofnahe Agri-PV-Anlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 9 in ZUR 2024, 154). Die Zulässigkeit der Anlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB hängt mithin nicht davon ab, dass der Hofbetreiber auch der Eigentümer der Anlage ist.

b. Kein zwingendes Erfordernis von Eigentum des Hofbetreibers an der bewirtschafteten Fläche

Neben der Frage, ob der Hofbetreiber Eigentümer der Photovoltaik-Anlage sein muss (was zu verneinen ist), ist ebenfalls fraglich, ob er Eigentümer derjenigen landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen sein muss, auf denen die (Agri-) Photovoltaik-Anlage gebaut werden soll, oder ein lediglich zivilrechtliches Nutzungsverhältnis (Miete oder Pacht) ausreichen kann.

Grundsätzlich bestehen hierbei keine Probleme mit dem räumlich-funktionalen Zusammenhang im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB, denn die bewirtschaftete Hofstelle steht hier im Zusammenhang mit der Photovoltaik-Anlage.

Fraglich ist vielmehr, ob auch wenn bewirtschaftete Flächen lediglich gepachtet oder gemietet werden, ein landwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vorliegt, auf den Nr. 9 verweist.

Dabei gilt grundsätzlich, dass die für die Bodennutzung erforderlichen Flächen dem landwirtschaftlichen Betrieb zugeordnet sein müssen. Dies ist Grundvoraussetzung für einen landwirtschaftlichen Betrieb. Zu unterscheiden sind die im landwirtschaftlichen Betrieb als Eigentum eingebrachten Flächen (Eigentumsland) und die vom Betrieb gepachteten Flächen (Pachtland). Betriebsflächen müssen nicht oder nicht vollständig im Eigentum des Betriebs stehen. Entscheidend ist jedoch eine gewisse Dauerhaftigkeit auch in Bezug auf die zivilrechtlichen Nutzungsmöglichkeiten der land- oder forstwirtschaftlichen Flächen.

Grundsätzlich ist demnach auch im Rahmen der Privilegierung von Agri-Photovoltaik die Durchführung von Vorhaben auf angepachteten Flächen möglich. Die Pacht muss dabei langfristig gesichert sein. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 30.12.2002-7 A 2400/02) führt hierzu sehr umfassend aus und stellt fest, dass eine Pacht jedenfalls dann ausreichend ist, wenn sie mindestens 18 Jahre vertraglich fest vereinbart ist.

Sofern mithin langfristige Pachtverträge für landwirtschaftlich genutzte Flächen bestehen, kann eine nach § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB privilegierte Anlage auf diesen errichtet werden.

c. Verpachtung von Flächen ohne eigene Bewirtschaftung durch den Hofstellen-Betreiber

Fraglich ist letztlich, ob nach der Vorschrift eine Konstellation möglich ist, in der ein Hofbetreiber eine hofnahe Fläche zur landwirtschaftlichen Benutzung verpachtet und gleichzeitig den Betrieb einer Agri-Photovoltaik-Anlage an einen weiteren Betreiber vergibt (Dreiecksverhältnis), mithin also lediglich die hofnahen Flächen zur Verfügung stellt.

Problematisch könnte dies insbesondere wiederum im Rahmen des räumlich-funktionalen Zusammenhangs sein. Denn soweit der an sich privilegierte Hofbetreiber weder die landwirtschaftliche Fläche bewirtschaftet noch Eigentümer/Betreiber der Photovoltaik-Anlage ist, dürfte es im Rahmen des räumlich-funktionalen Zusammenhangs zumindest an der Funktionalität fehlen. Grundsätzlich kann die funktionale Komponente bei Agri-Photovoltaik-Anlagen bereits darin gesehen werden, dass die Anlage zum Beispiel die Pflanzen vor Dürre oder Frost schützt. Jedoch würde es in diesem Fall hieran mangeln, denn die Anlage schützt nicht den Betrieb der Hofstelle, sondern den Betrieb des landwirtschaftlichen Bewirtschafters, dessen Hofstelle keine räumliche Nähe zur Anlage aufweist. Damit die Privilegierung trotzdem Anwendung findet, müsste daher ein anderer funktionaler Zusammenhang zusätzlich zur räumlichen Nähe hergestellt werden. Ein solcher funktionaler Zusammenhang könnte derweil wiederum hergestellt werden, wenn der Betreiber der Hofstelle die erzeugte Energie (zu Teilen) in seinem Betrieb nutzt.

Eine andere (praktische) Möglichkeit könnte zudem die Beteiligung des Hofbetreibers an der Betreibergesellschaft der Photovoltaik-Anlage sein. Eine Möglichkeit könnte dabei insbesondere eine gesellschaftliche Strukturierung als GmbH & Co KG der Betreibergesellschaft darstellen, in deren Rahmen der Hofbetreiber als Kommanditist beteiligt wird.

Es bestehen also auch in dieser Konstellation Möglichkeiten die Privilegierung zu nutzen.

d. Anzahl von betriebenen Anlagen

Letztlich kommt die Frage auf, ob der jeweilige Betrieb, soweit er mehrere Hofstellen und Betriebsstandorte hat, auch mehrere Anlagen betreiben darf. Wortlaut der Norm und Ausgangspunkt ist hierbei zunächst: „Es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.“

Es dürfte sich aus der Formulierung nicht ergeben, dass nur pro Betrieb eine Anlage betrieben werden kann, sondern entsprechend des Wortlauts eine Anlage pro Betriebsstätte oder Hofstelle. Dies ist auch mit dem Sinn und Zweck der bauplanungsrechtlichen Grundsätze vereinbar. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob bei sehr großen Betrieben mit mehreren, teilweise weit voneinander entfernten Hofstellen oder Betriebsstätten bei jeder eine Agri-Photovoltaik-Anlage errichtet wird, oder ob es sich um Hofstellen oder Betriebsstätten vieler kleiner Betriebe handeln würde. Denn der Störfaktor im Außenbereich, der vom Bauplanungsrecht verhindert werden soll, bleibt dabei der gleiche (siehe zustimmend auch Enzensperger, NVwZ 2023, 1394 (1396)).

Fazit

Die neuen Privilegierungen können für Agri-Photovoltaik-Anlagen in der Praxis sehr willkommene Erleichterungen im Planungsprozess schaffen und sind daher zu begrüßen. Die inhaltlichen Regelungssystematiken sind dabei zwar an schon bestehenden Vorschriften orientiert, jedoch bestehen durch die Eigenart von Photovoltaik-Anlagen offene Fragen, die es früher oder später abschließend zu klären gilt. Insbesondere vor dem Hintergrund des überragenden öffentlichen Interesses an erneuerbarer Energie (§ 2 EEG) sollte hierbei stets auf eine weite Auslegung der Normen gepocht werden.

Sollten Sie mehr zu dem Thema Agri-PV und deren rechtlicher Rahmenbedingungen erfahren wollen, sind Sie herzlich eingeladen in den Podcast „Watt ne Law“ von Gunnercooke-Partner Dirk Voges und Solar4trade-CEO Michael Nöding reinzuhören, in dem das Thema Agri-Photovoltaik noch einmal zusammen mit Ursula Mayr von Kumandra besprochen wurde.

Jonas Lowack, Rechtsanwalt, Gunnercooke— Der Autor Jonas Lowack ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkten im Öffentlichen Recht sowie Energierecht und Associate der Kanzlei Gunnercooke. Er berät mittelständische und börsennotierte Unternehmen vornehmlich im Bereich Energie und Umwelt.—

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