Immer wieder wird in Gutachten und vor Gericht darüber gestritten, ob Solarmodule im jeweiligen Anwendungsfall „den allgemein anerkannten Regeln der Technik“ entsprechen, also so, wie sie eingebaut werden, richtig und vor allem rechtskonform eingebaut worden sind. Dies ist sowohl aus baurechtlicher/werkvertraglicher Sicht wichtig als auch aus öffentlich-rechtlichen Gründen und nicht zuletzt für die Frage der Versicherbarkeit und Bankability. Immer wieder gehen die Begriffe der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ), der Bauartzulassung und der Befreiung von Zulassungserfordernissen für bestimmte Anwendungsfälle wild durcheinander. Ein Grund für Anwälte, sich näher mit diesem Punkt zu befassen. Andreas Kleefisch (Baumeister Rechtsanwälte, Münster und Qualitätsverband Solar- und Dachtechnik, Hamburg) und Markus Reckin (Baumeister Rechtsanwälte, Münster) haben daher einen ausführlichen Aufsatz für die rechtswissenschaftliche Zeitschrift „Neue Juristische Onlinezeitschrift“ verfasst (NJOZ, Verlag VH Beck, Ausgabe August 2024, Seite 929 ff.). Der Beitrag hat pv magazine zu Nachfragen aus Sicht der Praxis bewegt, der sich die Autoren stellten.
pv magazine: Was bewegt die Praxis dazu, die Frage nach der Zulassungspflicht von Photovoltaik-Modulen zu hinterfragen?
Andreas Kleefisch: Wir lesen immer wieder in Gutachten oder Beweisbeschlüssen von Richtern Fragen dazu, ob die verarbeiteten Komponenten – also sowohl die Module als auch die anderen Komponenten wie Unterkonstruktionen, Dachhaken, Klammern, Klemmen, Kabel, Stecker, Wechselrichter, Ladeeinrichtungen – so, wie sie eingebaut werden, den Regeln der Technik entsprechen beziehungsweise jeweils einzeln oder in Kombination miteinander „zugelassen“ sind, über Bauartzulassungen verfügen oder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung haben. Richter klären das dann durch Sachverständige, obwohl es sich um Rechtsfragen handelt. Und die Antworten „aus der Praxis“ sind teils abenteuerlich.
Warum abenteuerlich?
Andreas Kleefisch: Weil Sachverständige manchmal behaupten, Module, Unterkonstruktionen und Befestigungsmittel seinen gar keine Baustoffe, die Komponenten fielen nur unter Normen zu elektrischen Betriebsmitteln oder die Statik ergebe sich aus der Produktbeschreibung in der Montageanleitung.
Solarmodule fallen offiziell aber auch nicht unter die EU-Bauproduktverordnung, was bedeutet das?
Markus Reckin: Das bedeutet zunächst, dass Hersteller die Module ohne eine Kennzeichnung oder Zulassung als Bauprodukt in den EU-Warenverkehr einführen können. Die notwendige CE-Kennzeichnung auf den Modulen ist lediglich eine Selbsterklärung des Herstellers, dass das Produkt den auf EU-Ebene harmonisierten Anforderungen an ein sicheres elektrisches Betriebsmittel genügt. Auch Hersteller aus Drittstaaten begegnen insoweit keinen Handelshemmnissen, die mit einer Kennzeichnung oder Zulassung als Bauprodukt verbunden wären.
Ist mit dieser CE-Kennzeichnung die Prüfung von bautechnischen Eigenschaften verbunden?
Andreas Kleefisch: Darin liegt gerade der Nachteil der ausschließlichen Kennzeichnung als sicheres elektrisches Betriebsmittel. Aussagen zur sicheren und zulässigen Verwendung in baulichen Anlagen – wie etwa einer Dach- oder Freiflächen-Photovoltaik-Anlage – werden mit der zuvor genannten CE-Kennzeichnung nicht getroffen, obwohl ein Solarmodul bestimmungsgemäß in baulichen Anlagen oder als bauliche Anlage verwendet werden.
Wenn ich in Deutschland ein CE-geprüftes Solarmodul mit mehr als zwei Quadratmetern auf meinem Dach installieren will, dann bin ich doch aber an die Anforderungen der Landesbauordnungen gebunden, oder? Damit wäre es dann doch ein Bauprodukt, oder nicht?
Markus Reckin: Ich bin sogar schon dann an die Landesbauordnungen gebunden, wenn ich ein Solarmodul mit einer Einzelmodulfläche von unter oder genau zwei Quadratmetern auf meinem Dach installieren möchte. Die Definitionen der Landesbauordnungen differenzieren für die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs nicht nach der Größe des Bauprodukts. Das Photovoltaik-Modul stellt in diesem Fall selbst ein Bauprodukt dar und wird zusammen mit der Unterkonstruktion und den anderen Komponenten zu einer baulichen Anlage oder aber dem Teil einer baulichen Anlage. Kernbereiche des Bauordnungsrechts sind – soweit vorliegend von Bedeutung – die mechanische Festigkeit, die Standsicherheit und das Brandverhalten. Diese bauaufsichtlichen Anforderungen bestehen auch bei kleineren Modulen, wenn diese im örtlichen und sachlichen Anwendungsbereich der jeweiligen Landesbauordnung Verwendung finden sollen. Das Problem liegt jedoch darin, dass es sich bei dem Solarmodul insoweit bis heute um ein nicht geregeltes Bauprodukt handelt. Die Produktnormen, welche für Photovoltaik-Module gelten und insbesondere für eine CE-Kennzeichnung nach der Niederspannungsrichtlinie erfüllt werden müssen, bieten bis heute keine Kennwerte zum Nachweis der Standsicherheit und des Brandverhaltens. Anhand von geltenden technischen Bestimmungen kann dennoch kein Nachweis erbracht werden, dass es als solches auch den bauaufsichtlichen Anforderungen genügt.
Wird dann nicht zwingend eine bauaufsichtliche Zulassung der Solarmodule nötig?
Andreas Kleefisch: Grundsätzlich ja, die bekannte Zwei-Quadratmeter-Regel als Privilegierung resultiert dabei aus einer weniger bekannten Vorschrift, nämlich der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) in der jeweiligen Fassung. Unter der Voraussetzung der Einzelmodulfläche von nicht mehr als zwei Quadratmetern sowie weiteren dort genannten Voraussetzungen der Errichtung wird die Verwendbarkeit für bestimmte Anwendungsfälle schlicht „unterstellt“ und es bedarf somit keines Verwendbarkeitsnachweise in Bezug auf das wesentliche Merkmal der mechanischen Festigkeit und Standsicherheit. Ein Verwendbarkeitsnachweis hinsichtlich des wesentlichen Merkmals Brandverhalten ist jedoch streng genommen immer noch erforderlich, wenn besondere Anforderungen aufgrund des Gebäudetyps oder der Nutzung bestehen – etwa bei Fassadenanlagen. Ich habe in der Praxis noch nie erlebt, dass darauf geachtet wurde, dass die Zwei-Quadratmeter-Privilegierung wirklich eng auf die mechanische Festigkeit und Standsicherheit angewandt wird. In der Praxis werden unterhalb der Zwei-Quadratmeter-Schwelle überhaupt keine Frage mehr gestellt.
Die Begrenzung der Module soll ja auf drei Quadratmeter angehoben werden, einige Bundesländer haben das auch schon vollzogen. Ändert sich damit etwas an den Vorgaben zur bauaufsichtlichen Zulassung?
Markus Reckin: Die Änderung besteht dabei allein darin, dass sich die genannte Voraussetzung der Einzelmodulfläche von zwei auf drei Quadratmeter erhöht. Soweit die weiteren Voraussetzungen, beispielsweise Anwendungsfall Dach mit Neigung bis 75 Grad und Freiflächenanlagen in unzugänglichen Bereichen, nicht vorliegen oder es die Einbausituation erfordert, bedarf es weiterhin der bauaufsichtlichen Zulassung durch entsprechende Verwendbarkeitsnachweise.
Sind diese ganzen Prüfungen der Solarmodule überhaupt notwendig und behindern sie letztendlich nicht nur den Ausbau von Photovoltaik-Anlagen in Deutschland?
Andreas Kleefisch: Es darf nicht vergessen werden, dass durch die Vorgaben der Bauordnungen die Sicherheit von Bauprodukten und baulichen Anlagen gewährleistet werden soll. Dass damit Einschränkungen und ein immenser Kostenaufwand insbesondere im Bauwesen verbunden ist, versteht sich von selbst. Die bestehenden Privilegierungen etwa hinsichtlich der Zwei-Quadratmeter-Regel basieren auf der Einschätzung des Deutschen Instituts für Bautechnik, dass die Verwendung dieser Module in der typischen Verwendungsform mit entsprechenden Unterkonstruktionen ein vergleichsweise geringes Gefährdungspotential aufweisen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Unterkonstruktionen selbst ebenfalls grundsätzlich eines Verwendbarkeitsnachweises bedürften. Eine Privilegierung gibt es für diese nicht. Sobald aber etwa ein Glasmodul beispielsweise selbst den Teil einer Fassade darstellen soll, bedarf es aufgrund dieser Einbausituation wiederum eines Nachweises hinsichtlich der Bruchsicherheit oder Resttragfähigkeit aus dem Regelungsbereich des Glasbaus.
Also Sicherheit vor Schnelligkeit?
Andreas Kleefisch: Dem Sicherheitsaspekt muss durch die Hersteller von Photovoltaik-Modulen entsprechende Bedeutung beigemessen werden. Aufgrund der Erweiterung der Verwendungsmöglichkeiten von Photovoltaik-Anlagen im Zuge der Energiewende etwa in Form von Agri-Photovoltaik-Anlagen liegt es nicht zuletzt im technischen Verantwortungsbereich der Hersteller, ihre Module nicht allein für den Warenverkehr massentauglich zu machen, sondern auch für die jeweilige Verwendung in baulichen Anlagen. Soweit durch die Weiterentwicklung von Produktnormen die notwendigen bautechnischen Nachweise in diesen verankert werden können und dem Schutzzweck der Bauprodukteverordnung Genüge getan werden kann, verringern sich auch der entsprechende Zulassungsaufwand und die damit verbundenen Kosten.
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Jetzt habe ich Kopfschmerzen und bin nicht schlauer 😉
Was ist zB mit den Brandtests in der IEC Prüfung? Zäheln die nicht als Nachweis?
Solarmodule sind ein globales Produkt. Die Hersteller produzieren enorme Stückzahlen für die ganze Welt und könnten nur dadurch die Kosten soweit senken, dass eine echte Energiewende greifbar wird. Wenn Deutschland da bürokratische Vorschriften erlässt, wird das ganz sicher nicht dazu führen, dass die Module geändert werden. Es wird nur dazu führen, dass das Material bei uns teurer wird und die deutsche Energiewende international zurückbleibt, während andere Länder vorbeiziehen. Die Devise sollte also lauten: So wenig Regeln wie irgendwie möglich.
Und wieder braucht Deutschland eine Regulierung, anstatt den Hausverstand anzuwenden
Ich bin erstaunt, dass da scheinbar plötzlich neue Risiken entdeckt wurden, welche über entsprechende Regelungen entschärft werden müssen? Welche das konkret sind, habe ich dem Text leider nicht entnehmen können.
Allerdings habe ich noch im Hinterkopf, dass nahezu alle aufgetretenen Probleme auf unsachgemäßen Einbau und mangelnde Planung zurück zu führen sind, welche neuen Regelungen sind da geplant?
Es sieht hier gar so aus als ob die Dach(unter)Konstruktion jetzt nicht mehr von Fachfirmen durchgeführt werden können darf, sondern nur noch mit standardisierten Industrieprodukten erfolgen soll? Wie kann zum Beispiel ein fachgerecht ausgeführtes Blechdach aus individuellen Scharen als Unterkonstruktion dienen, in Anbetracht von „Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Unterkonstruktionen selbst ebenfalls grundsätzlich eines Verwendbarkeitsnachweises bedürften.“?
Dann sind wir also bald an dem Punkt wo man für eine PV-Dachanlage alle 2 Jahre eine TÜV-Plakette nachweisen muss z.B. für die Brandversicherung. Und wieder greift man denen in die Tasche die was für die Umwelt getan haben, ganz einfach nur weil man da was holen kann. Und alles im Namen der Sicherheit, die sich dadurch mit Sicherheit nicht ändert.
Eine EINMALIGE Prüfung eines unabhängigen Gutachters VOR der Inbetriebnahme wäre noch akzeptabel und sinnvoll und könnte als Standard durchaus eingeführt werden und z.B. bei der Registrierung im MaSt oder der Zählersetzung mit abgefragt werden. Das wäre auch für jeden nachvollziehbar und könnte in die Investitionskosten mit eingerechnet werden. Aber typisch deutsch wird man hier wohl eher dazu neigen eine dauerhafte Einnahme zu generieren.
Es ist erstaunlich, dass diese Diskussion erst jetzt geführt wird. Allen dürfte klar sein, dass es schon einen Unterschied macht, ob das PV Element an einem Einfamilienhaus oder Hochhaus im 20. Stock aufgehängt wird.
Wenn ein Bauunternehmen die Fassade eines Hochhauses montiert, wird es auf die gesonderte Zulassung verzichten können, wenn es Materialien einbaut, die dafür zugelassen sind. Das sollte selbstverständlich auch für Photovoltaikanlagen gelten.
Inklusive der Elemente auf dem Dach. In den Angeboten, die ich erhalten hatte, wurde das Thema sehr beiläufig erwähnt: der Auftraggeber sei verantwortlich für die Statik. Welches Gewicht das Dach zu tragen hätte, wurde aber nicht benannt. Ebenso verhielt es sich mit Angaben zur Windlast. Das ist geradezu abenteuerlich. Die Risiken bestehen auch dann, wenn ich die Augen davor verschließe.
„den allgemein anerkannten Regeln der Technik“ Ich bin dafür, dass die „Regeln zur Montage von PV-Anlagen“ transparent, für JEDEN lesbar, kostenlos – im Web zu stehen haben. Nicht so wie – das steht in der VDE Norm xyz, die man NICHT hat, die man NICHT kostenlos lesen kann, man muss sie teuer kaufen. Die Normen werden zitiert, aber man kann es nicht kontrollieren. Ich musste mit meiner Anlage 3m von der Grundstücksgrenze entfernt bleiben. Die Montagehöhe steht in der Bauordnung ( welche man aber lesen kann, kostenlos ) nicht drin. d.h. auch 100m über Grund müsste man 3m einhalten. Der Brandschutzabstand !!! wird überarbeitet – sagte man mir – wann und ob da überhaupt jemand dran arbeitet – ??? usw, usw – aber Fakt ist – die mechanische Befestigung ist schon von immenser Bedeutung – auch die Leiterführung, keine Flächen aufspannen, Scheuerstellen vermeiden, die Erdung RICHTIG bedenken. Ich bin inzwischen GANZ sicher, das vile Leute, welche die Anlagen bauen, noch NIE – einen Lichtbogen gesehen haben, der durch die hohe Gleichspannung erzeugt wird. Man müsste es ihnen mal vorführen und dann sollen sie den Bogen löschen 🙂 viel Spaß
Die gesamten thematisierten Anforderungen als „Bauprodukt“ hängten an der Qualifikation der PV-Anlage als „Bauwerk“, die meines Erachtens keineswegs geklärt ist.
Die Interviewpartner stützen ihre Auffassung in dem verlinkten Fachartikel auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 2.6.2016 Az. VII ZR 348/13, die im Gewährleistungsrecht erging, nicht im Baurecht. Der 7. Senat des BGH beurteilte in diesem Urteil eine PV-Anlage auf einer Tennishalle als Bauwerk, da sie mit der Halle mittels baulicher Ertüchtigung und Durchdringung des Daches dauerhaft fest verbunden worden sei und dieser zwecklich/baulich „diene“, wobei es insofern auf die Frage der Einspeisung des Stroms nicht ankomme. Letzteres wirkt etwas fadenscheinig und auch die „dauerhafte“ Verbindung ist fraglich, insbesondere weil in allen gängigen Dachmietverträgen (und Flächenpachtverträgen) bewusst nur eine zeitweilige Aufstellung der PV-Anlage auf den jeweiligen Flächen vereinbart und eine dauerhafte, dem Gebäude dienende Funktion ausgeschlossen wird, weil man die entsprechende Verbindung mit dem Gebäude nicht will und funktional, anders als z.B. bei einer Heizung, nicht braucht. Nun könnte man sagen, der Bundesgerichtshof habe nun einmal so entschieden, aber der Senat nimmt in seinem eigenen Urteil auf ein anderes, genau umgekehrt ausgefallenes Urteil des Bundesgerichtshofes zu einer PV-Anlage auf einer Scheune Bezug, das er ausdrücklich nicht angreift. Dieses „Scheunenurteil“ steht also mit der umgekehrten Beurteilung einer anderen PV-Anlage unangefochten neben dem „Tennishallenurteil“, so dass man wohl gerade wegen der Ausführungen des 7. Senats im „Tennishallenurteil“ selbst sagen muss, dass es auf den jeweiligen Sachverhalt ankommt. Eine PV auf einem Dach *kann* ein Bauwerk sein, wenn die vom 7. Senat skizzierten Voraussetzungen vorliegen, in allen anderen Fällen (wie dem des „Scheunenurteils“) *kann* sie aber auch *kein* Bauwerk sein.