Die Ampel und CCS – ein Blick hinter die Kulissen

CO2, Pixabay

Teilen

  • Carbon Capture & Storage (CCS) nimmt geopolitische Dimensionen an.
  • Dem müssen sich Deutschland und Europa klimaaußenpolitisch pragmatisch anpassen.
  • Andernfalls droht technologischer und industrieller Anschlussverlust.
  • Nach USA und Kanada wird die Technologie mittlerweile auch im Großraum Asien und Australien vorangetrieben und wirkt als Innovationsmotor.
  •  Im Großraum Asien liegt das „globale Gravitationszentrum für CCS“.
  •  CCS ist mögliche Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts.
  •  Sie könnte zu einer neuen „Machtwährung“ werden.

Diese Inhalte stammen nicht von der „Zero Emissions Platform“ oder einem anderen Propaganda-Institut der CCS-Lobby. Man findet sie unter dem Titel „Die aufkommende Geopolitik von Carbon Capture & Storage (CCS) in Asien – Transregionale Verbindungen und Implikationen für Deutschland und Europa“ im SWP-Aktuell Nr. 41 vom August 2024.

SWP steht für „Stiftung Wissenschaft und Politik – Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit“.  Finanziert wird es aus dem Haushalt des Bundeskanzleramtes. 2023 betrug die Zuwendung 17,7 Millionen Euro. Wir haben es also mit einer eng mit der Bundesregierung verflochtenen Einrichtung zu tun, deren Äußerungen doch wohl Rückschlüsse auf in Regierungskreisen kursierende Gedanken erlauben.

Weltumspannendes CCS-System und Rückabwicklung der Energiewende

Diese Gedanken sind hochgradig bemerkenswert. Kürzlich kritisierte Hans-Josef Fell Vorhaben der Ampelregierung, die Einspeisevergütung für erneuerbaren Strom probeweise in weiterem Umfang als bisher durch Ausschreibungsmodelle zu ersetzen. Dadurch werde der Ausbau der Erneuerbaren massiv dezimiert. Angesichts des SWP-Artikels wäre dies nur ein erster Schritt, denn im Artikel geht es um ein angeblich entstehendes gigantisches, weltumspannendes CCS-System, durch welches die erneuerbaren Energien in die Bedeutungslosigkeit verdrängt würden.

Bisher betonte die Bundesregierung im Kontext von CCS stets, dass der Umstieg auf die erneuerbaren Energien die eigentliche und vordringliche Aufgabe ist und CCS eher so etwas wie ein unvermeidbares Übel. Das war zwar nie mehr als ein Lippenbekenntnis, dem die Taten in keiner Weise entsprachen, aber als Formalität wurde es beibehalten, der Schein wurde gewahrt.

Damit macht die Stiftung nun Schluss. Als allererstes verlangt sie, die weitere Behandlung der Grundsatzfrage, ob CCS überhaupt als Klimaschutzmaßnahme betrachtet werden kann, zu stoppen, da diese die CCS-Einführung behindert. Nachdem CCS Eingang in staatliche Strategien gefunden habe, sei nun „Klimaaußenpolitik“ angesagt. „Eine Verlängerung der Grundsatzdebatte ist daher nicht hilfreich“, zumal die hiesige Debatte „eher dogmatisch als antizipatorisch“ sei.  Untersuchung von Sachverhalten ist demnach dogmatisch und eine Technik einzuführen, ohne die Frage nach ihrer Sinnhaftigkeit zuzulassen, hilfreich. George Orwell lässt grüßen!

Die erneuerbaren Energien werden nicht nur nicht in den Vordergrund gestellt, sondern mit Seitenhieben bedacht – auch wenn diese angesichts der Tatsachenlage völlig abwegig sind. So würden sich durch Technologie und Geologie, Öl und Gas „Konturen einer möglichen Geopolitik des CCS“ abzeichnen – „im Gegensatz zu den erneuerbaren Energien und ihren kritischen Rohstoffen“.

An anderer Stelle werden den erneuerbaren Energien „ökonomische und politische Risiken“ zugeschrieben. In Ländern des globalen Südens würde die totale Ersetzung fossiler Energien durch Erneuerbare als „egoistisch und paternalistisch wahrgenommen“.

Keine „vollständige Eliminierung fossiler Brennstoffe“

Damit sind wir an der zentralen Aussage des Textes angelangt, welche herauslässt, was bislang hinter den Kulissen gehalten wurde: „Pragmatisch“ sei eine „Emissionssenkung“ (per CCS), nicht jedoch „die vollständige Eliminierung fossiler Brennstoffe“. Sogar die 28. Weltklimakonferenz in Dubai sei zu weit gegangen. Die dort beschlossene Abkehr von fossilen Brennstoffen müsse „nuanciert verstanden“ werden.

Das ist starker Tobak. Der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen wird als Fehler hingestellt. Das bedeutet grundsätzliche Verabschiedung vom Klimaschutz. Mehrmals wird die intensivierte Ölförderung durch CO2-Verpressung (Enhanced Oil Recovery, EOR), von der das CCS herkommt und die den CO2-Ausstoß durch das zusätzlich geförderte Öl verdoppelt bis verdreifacht, als „tertiäre Ölförderung“ wohlwollend erwähnt.

Auch wird der Begriff „Vermeidung“ von Emissionen unzulässigerweise für CCS usurpiert. „Vermeidung“ bedeutet, dass Abgase nicht entstehen. Durch CCS werden Abgase nicht vermieden und auch nicht vermindert. Sie werden erzeugt und danach behandelt – ob in einer sinnvollen Weise oder nicht, soll, wie gesagt, nicht erörtert werden.

Angesichts des SWP-internen Qualitätssicherungsverfahrens, wodurch unter anderem „der analytische Zugriff auf ein Thema … die vertiefte Kenntnis des Stands der fachlichen und politischen Diskussion … die Präzision und Tiefe in der Darstellung von Sachverhalten“ gewährleistet werden sollen, wundert man sich nur umso mehr über das geistige Kleingärtnerniveau, auf welchem sich der vorliegende Text bewegt. Vermutlich geschieht es aus einer Panik heraus, weil auch heute – wie schon vor 14 Jahren – immer mehr Menschen erkennen, dass CCS nichts mit Klimaschutz zu tun hat, sondern der fossilen Energiewirtschaft das Dasein verlängern soll und nichts weiter. Wie man durch lautes Schreien Angst vertreiben kann, versucht die SWP durch ein verbales Großmannsgehabe sich selbst und ihre Leser zu beeindrucken, indem sie CCS zur „möglichen Schlüsselindustrie des 21. Jahrhunderts“ erklärt.

Nur auf ihren eigenen Füßen steht die Energiewende sicher

Es ist aber gut, dass dieser Text geschrieben wurde, denn mit den darin kommunizierten Vorstellungen lässt sich beispielsweise verstehen, warum derzeit LNG-Strukturen weit über den Bedarf hinaus errichtet werden: Man geht davon aus, dass die Energiewende zurückgefahren wird und dadurch künftig mehr Bedarf an Erdgas entsteht.

Gleichzeitig macht der Text deutlicher denn je, dass die Energiewende von „der Politik“ im heutigen Sinn künftig nichts, aber auch gar nichts zu erwarten hat. Dass das EEG 2000 durch den Bundestag kam, war ein Husarenstück und eine einmalige Sternstunde des Parlamentarismus. Danach merkten die maßgeblichen Kräfte aus Wirtschaft und Politik, dass ihnen ein Lapsus unterlaufen war, und arbeiteten an der Destruktion. Es kommt einem Wunder gleich, dass die erneuerbaren Energien trotz unglaublicher Widrigkeiten wuchsen und wuchsen.

Auf diesem eigenen inneren Potenzial der Erneuerbaren und der Menschen, die sie handhaben – vom Balkonkraftwerker bis zum großen mittelständischen Betrieb – liegt die Hoffnung. Neue gesellschaftliche Strukturen werden sich entwickeln. Ebenso wenig wie Fürsten und Feudalherren mit der Industrialisierung zurechtkamen, können Konzernlenker ins Solarzeitalter hinüberführen. Hierzu braucht es einen anderen Menschentyp. Dieser ist im Kommen. Ob ihm die Sache gelingt, ist noch nicht entschieden.

Aktuell ist die Lage günstig, insbesondere für die Photovoltaik. Das muss genutzt werden, um immer mehr Fakten zu schaffen in Form autonomer dezentraler Versorgungsstrukturen. Je mehr diese werden, umso schlechter werden die Aussichten für CCS und die fossile Energiebereitstellung.

An die folgende Feststellung von Hermann Scheer kann nicht oft genug erinnert werden:

„Die autonome Aneignung erneuerbarer Energien durch eine Vielzahl von Akteuren ist die einzige erfolgversprechende Methode, den Energiewechsel rechtzeitig und unumkehrbar gegen die Funktionslogik des überkommenen Energiesystems durchzusetzen. Dieser Weg zum Durchbruch erneuerbarer Energien führt zu einer durchgängig neuen Struktur der Energienutzung, die nur neben der gegenwärtigen entstehen kann – und diese Zug um Zug ersetzt und schließlich überflüssig macht.“

— Der Autor Christfried Lenz, politisiert durch die 68er Studentenbewegung, Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Bis September 2022 stellvertretender Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ und Mitglied des Aufsichtsrates im Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Seit 2013 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak und Kleinwindrad. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.

Popular content

Dachanlagen, Freiflächenanlagen, KI generiert
Photovoltaik-Dachanlagen oder die deutsche Lust an der Selbstverzwergung
10 Dezember 2024 Deutschland blickt auf Rekordjahre mit mehr als 15 Gigawatt neu installierter Photovoltaik-Leistung und einer installierten PV-Gesamtleistung von inzw...