Ein Ende des EEG wäre zum Schaden von Marktwirtschaft, Industrieführerschaft und Klima

Hans-Josef Fell

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Dieser Förderwechsel ist FDP-Politik pur: Schon 2012 forderten der damalige FDP-Generalsekretär Christian Lindner zusammen mit seinem FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), obwohl das EEG die entscheidende politische Grundlage war, die den Ausbau einer starken Erneuerbaren-Energien-Wirtschaft in Deutschland erst ermöglichte. In ihrem jüngsten Parteitagsbeschluss hat die FDP erneut gefordert, die Förderung erneuerbarer Energien schnellstmöglich zu beenden.

Um 2012 wurde tatsächlich mit ähnlichen ideologischen Begründungen einer „marktwirtschaftlichen“ Förderung die führende Rolle Deutschlands in der Solarwirtschaft durch EEG-Reformen unter Minister Philipp Rösler weitgehend zerstört und der damals weltführenden deutschen Solarindustrie die wirtschaftliche Grundlage entzogen. Heute wird in Europa beklagt, dass China über 90 Prozent aller Solarmodule in die Welt – und damit auch nach Deutschland – liefert.

Offensichtlich hat die FDP damals gelernt, wie man die Geschäftsmodelle der konventionellen Energiekonzerne aus der klimaschädlichen fossilen und atomaren Konzernwirtschaft aktiv vor der Konkurrenz durch das Anwachsen dezentraler, bürgerlicher erneuerbarer Energien „schützt“.

Das BMWK möchte eine andere Förderung ausprobieren

Der grüne Staatssekretär Sven Giegold erläuterte nun, wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die von der FDP aufgezwungenen Reformen ausführen will – und ahnt offenbar nicht, was damit alles zerstört werden wird. Im Tagesspiegel Background wird er dazu zitiert: „Wir wollen Experimentierräume im Rahmen des Reallabore-Gesetzes schaffen. Darin wollen wir das neue Förderregime zunächst erproben.“ Giegold verwies auf Beispiele im Ausland: „Andere Länder haben bereits Modelle ohne eine laufende Förderung.“

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass außer China alle anderen Länder Ausbaugeschwindigkeiten der erneuerbaren Energien haben, die weit unter den notwendigen Werten für einen wirksamen Klimaschutz liegen.

Auf der letzten Weltklimakonferenz in Dubai wurde das Ziel der globalen Verdreifachung des Ausbaus der erneuerbaren Energien (Tripling-Ziel) bis 2030 beschlossen. Auch wenn dieses Ziel einen Durchbruch darstellt, ist es angesichts der Herausforderungen des Klimawandels viel zu schwach. Dabei erreicht laut IRENA die aktuelle globale jährliche Ausbaurate mit circa zehn Prozent nicht einmal dieses Tripling-Ziel, wofür 16 Prozent nötig wären.

Eine Orientierung Deutschlands an völlig unzureichenden Ausbauraten der erneuerbaren Energien anderer Länder kommt einer Kapitulation vor der rasant fortschreitenden Erdaufheizung gleich. Daher ist der Hinweis von Staatssekretär Giegold auf andere Länder kein Beleg für eine gute Politik. Länder, in denen bereits gemacht wurde, was er nun für Deutschland plant, haben eben kein ausreichendes Erneuerbaren-Wachstum mehr. Im Gegenteil: Meist sind die Ergebnisse sehr enttäuschend, oft deutlich unter zehn Prozent jährlichem Wachstum.

Die Aufheizung der Erde erfordert Förderregime wie die einst erfolgreiche feste Einspeisevergütung, die bewiesen hat, dass sie einen schnellen Ausbau mit jährlichen Wachstumsraten von über 50 Prozent ermöglichen kann. China weist derzeit mit großem Abstand die höchste Ausbaugeschwindigkeit auf, mit einem jährlichen Wachstum von weit über 50 Prozent, und hält in wichtigen Bereichen weiterhin an der gesetzlich garantierten Einspeisevergütung fest.

Die Erfolge der Grünen in der Ampel-Regierung beim Ausbau der erneuerbaren Energien sind bemerkenswert: So wurde der Photovoltaik-Zubau 2023 auf das Rekordniveau von 14,6 Gigawatt gesteigert; mit 500.000 Balkonsolaranlagen können nun auch Mieter teilnehmen; und 2023 wurden die Genehmigungen für acht Gigawatt Windkraft erteilt, aber noch nicht realisiert. Doch selbst auf der BMWK-Website steht völlig richtig: „Aber auch das reicht noch nicht.“

Warum also ein Systemwechsel?

In den Nullerjahren haben über 50 Nationen die Grundprinzipien des erfolgreichen deutschen EEG 2000 mit seiner Einspeisevergütung übernommen und damit jährliche Wachstumsraten von über 50 Prozent erreicht. Doch seit etwa 2014 folgen immer mehr Länder, mit Ausnahme Chinas, dem damaligen schlechten Vorbild Deutschlands, schaffen das Prinzip der gesetzlich festgelegten Einspeisevergütung ab und stellen auf staatliche Ausschreibungen und andere weniger geeignete Instrumente um.

Dies hat verheerende Folgen für den Klimaschutz, da es ein viel zu langsames Wachstum der erneuerbaren Energien zur Folge hat. Wäre das exponentielle Wachstum, das es in Deutschland bis 2012 unter dem alten EEG gab, weitergegangen, hätten wir heute eine zu 100 Prozent erneuerbare Stromversorgung. Warum also neue Instrumente ausprobieren, wenn man bereits weiß, mit welchen Grundprinzipien ein EEG hohe Wirksamkeit erzielt? Wir haben uns im Bundestag 2000 bewusst gegen eine jetzt geplante Investitionsförderung entschieden und feste Einspeisevergütungen beschlossen.

„Marktwirtschaftliches“ Prinzip schützt die fossile und atomare Wirtschaft

Die zunächst auch probeweise Umstellung auf das „marktwirtschaftliche“ Instrument der Ausschreibungen, einst forciert unter SPD-Minister Sigmar Gabriel mit seinem grünen Staatssekretär Rainer Baake, hatte verheerende Auswirkungen. Der damals von starken bürgerlichen Akteuren, insbesondere Energiegemeinschaften, getragene Ausbau der erneuerbaren Energien wurde massiv dezimiert, insbesondere bei Photovoltaik, Windkraft und Biogas.

Die staatlichen Ausschreibungen sind eben keine Marktwirtschaft, wie oft behauptet wird, sondern das Paradebeispiel einer staatlichen Planwirtschaft: Der Staat legt willkürlich die Zubaumenge fest und lässt so kein exponentielles Wachstum zu, wie es in freien Märkten häufig vorkommt. Beim Biogas haben sogar fast 100 Betreiber angekündigt, ihre Anlagen mitsamt den oft daran hängenden Nahwärmenetzen stillzulegen, weil sie erneut keinen Zuschlag in dem restriktiv niedrigen Ausschreibungsvolumen erhielten.

Mit der Umstellung auf vermeintliche „marktwirtschaftliche“ Ausschreibungen statt des erfolgreichen Instruments der gesetzlich garantierten Einspeisevergütung wurden auch die bürgerlichen Investitionen, insbesondere von Energiegemeinschaften, weitgehend zum Erliegen gebracht. Der Effekt ist, dass viele Anlagen nur von großen, finanzkräftigen Unternehmen erstellt werden können, die die hohe Bürokratie und die Risiken wie Nichtzuschlag oder Pönalen tragen können. Genau das hat zu Akzeptanzproblemen in ländlichen Räumen geführt, wo zwar Flächen für Wind- und Solarkraft vorhanden sind, jedoch meist nicht die finanzkräftigen Investoren.

Die Umstellung auf Investitionszuschüsse – wie sie nun von der FDP durchgedrückt wurde – wird die Großfinanzstrukturen weiter zu Lasten der bürgerlichen und mittelständischen Akteure stärken. Nicht zuletzt wird die Umstellung zu höheren Stromkosten und höheren volkswirtschaftlichen Kosten führen – aber kaum zu einer besseren Integration der Erneuerbaren. Wie Staatssekretär Giegold als Mitbegründer von Attac nur auf solche großen Finanzstrukturen setzen kann, statt auf die dezentralen bürgerlichen Akteure, ist mir schleierhaft.

Die Grundprinzipien des EEG 2000 sind der Markwirtschaft nah

Das EEG war gemäß dem EuGH-Urteil von 2001 auch deshalb keine Beihilfe, weil es einen gewissen Ausgleich für die externen Schadenskosten schuf, die von fossilen und atomaren Energien nie vollständig getragen wurden (Atommüllentsorgung, Gesundheitsschäden durch Luftverschmutzung, Extremwetterschäden durch den Klimawandel und vieles mehr). Die „Marktwirtschaft“ à la FDP hat nie dazu geführt, dass die externen Schadenskosten von den Verursachern gezahlt wurden.

Zudem waren und sind die konventionellen Energien weltweit immer noch wesentlich höher subventioniert als die erneuerbaren Energien. Die für 20 Jahre garantierte Einspeisevergütung hat dennoch dazu geführt, dass Banken keine Risikoaufschläge verlangten, was die Investitionen erheblich günstiger machte. Zudem motivierten die garantierten Einspeisevergütungen die Anlagenbetreiber, ihre Anlagen 20 Jahre lang in gutem Betrieb zu halten – was mit Investitionszuschüssen nicht möglich sein wird.

Die Umstellung auf Investitionszuschüsse schadet dem Klimaschutz

Es gibt noch viele weitere Aspekte, die in der öffentlichen Debatte untergehen, jedoch die große Bedeutung eines EEG mit Einspeisevergütung für Industrieentwicklung, Marktwirtschaft, demokratische Teilhabe und Klimaschutz herausstellen. Auch die hohen Volatilitäten von Solar- und Windenergie, die immer öfter zu negativen Strompreisen und Abschaltungen führen, lassen sich innerhalb eines EEG mit gesetzlich garantierten Einspeisevergütungen lösen. Schon seit Jahren liegen Vorschläge vor, die eine Einspeisevergütung für systemdienliche, also am Bedarf der Netzbetreiber orientierte, Einspeisung gewähren und somit vor Ort systemdienliche Investitionen aus einem Mix von erneuerbaren Energien und Speichern ermöglichen würden.

Die Fehler der Vergangenheit, meist initiiert von der FDP, aber auch von Union und SPD in Regierungsverantwortung, sowie viel zu oft mitgetragen von Teilen der Grünen, sind gravierend: Der Klimaschutz kommt unter die Räder. Die Industrieführerschaft für Solar, Batterien und Elektroautos ist längst nach China abgewandert, und es droht, dass sie nun auch bei Windkraft und Bioenergien verloren geht.

Wer wie die Ampel diese jahrelangen und international erfolgreichen Vorteile des EEG mit Einspeisevergütung abschaffen will zugunsten unerprobter, aber bereits absehbar falscher Investitionszuschuss-Modelle, wird der heute bereits unter Druck stehenden deutschen Industrie der erneuerbaren Energien endgültig den Garaus machen. Der Ausbau wird teurer und weit unter das klimapolitische Niveau gedrückt.

— Der Autor Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group (EWG). Er war 1998 bis 2013 für Bündnis/Die Grünen Mitglied im Bundestag und ist Mit-Autor des Entwurfs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2000.  http://hans-josef-fell.de —

 

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