pv magazine: Angesichts des großen Photovoltaik-Zubaus gibt es an sonnigen Tagen oft ein Überangebot an Solarstrom. Um Netzengpässe zu vermeiden, regeln viele Netzbetreiber Photovoltaik-Anlagen vorsorglich ab. Was ist dabei das Problem?
Hans Urban: Die Abregelung von Solarstrom zur Vermeidung von Netzengpässen ist leider in manchen Fällen notwendig und unvermeidbar. In Zukunft ist auch vermehrt damit zu rechnen. Ziel muss aber eine dynamische Begrenzung der Einspeiseleistung und nicht eine harte Abregelung der Wechselrichterleistung sein.
Warum?
Für die Netzengpässe ist lediglich die zum jeweiligen Zeitpunkt eingespeiste Solarstromleistung maßgeblich und nicht die vor Ort erzeugte. Aktuell wird aber in fast allen Fällen nicht die eingespeiste Leistung am Netzanschlusspunkt abgeregelt, sondern die an den Wechselrichtern der Photovoltaik-Anlage erzeugte Leistung. Dadurch werden die zum jeweiligen Zeitpunkt gerade aus der Photovoltaik-Anlage versorgten Verbraucher des Betriebes ebenfalls nicht mehr versorgt, sondern müssen wegen der Abregelung oft über Stunden mit teurem Netzstrom betrieben werden.
Dies bedeutet, dass die Betreiber der abgeregelten Anlagen den Solarstrom nicht einmal für die eigene Versorgung nutzen können und stattdessen Netzstrom beziehen müssen?
Genau so ist es. Der Bezug von Netzstrom ist für diese Betriebe in praktisch allen Fällen wesentlich teurer als die Eigenversorgung aus der Photovoltaik-Anlage. Neben den höheren Erzeugungskosten müssen beim Strombezug ja auch noch Netzentgelte bezahlt werden. Das Hauptproblem dabei ist, dass diese Ausgaben ja zusätzlich anfallen und die Refinanzierung der Photovoltaik-Anlagen ja trotzdem geleistet werden muss. Es liegt also dann für die Betriebe immer öfter eine Doppelbelastung vor.
Dabei sind doch gerade viele gewerbliche Photovoltaik-Anlagen gerade mit Blick auf den Eigenverbrauch gebaut worden.
Ja, gerade in den letzten Jahren wurden viele Solarstromanlagen primär zur Deckung des eigenen Strombedarfes von Betrieben gebaut und optimiert. Oft ergänzen auch Solarstromspeicher diese Eigenversorgungskonzepte. Ihre prognostizierte Wirtschaftlichkeit erreichen diese Anlagen nicht durch Einspeisung, sondern durch die Vermeidung von Strombezug. In vielen Fällen wurden auch große Anstrengungen unternommen, den gesamten Energiebedarf von Betrieben durch Speicherung und/oder Sektorkopplung auf dieses Solarstromangebot hin zu optimieren. In Großbäckereien wurden beispielsweise Backöfen von Gas auf Strom umgestellt und Fahrzeuge laden oft tagsüber Strom.
Kann das die Wirtschaftlichkeit von Betrieben ernsthaft beeinträchtigen?
Der wirtschaftliche Schaden von immer häufiger stattfindenden Abregelungen wäre für solche Betriebe vielleicht durchaus verkraftbar, wenn eine Abregelung der Einspeiseleistung am Netzanschlusspunkt erfolgen würde. Eine häufige Komplettabregelung der Photovoltaik-Anlage über Stunden kann aber echte wirtschaftliche Probleme hervorrufen. Hier werden gerade innovative Unternehmen bestraft, die sich in den letzten Jahren um eine Dekarbonisierung Ihrer Produktionsprozesse besonders bemüht haben.
Betrifft dies nur große gewerbliche oder auch kleinere private Photovoltaik-Anlagen?
Betroffen sind große Anlagen, die über den jeweiligen Vermarkter abgeregelt werden, aber auch kleine Anlagen, die beispielsweise über Funk-Rundsteuertechnik ebenfalls vom Netzbetreiber abgeregelt werden können. So wird vielleicht mancher Elektroauto-Fahrer bestraft, der eigentlich das sonnige Wochenende für die Ladung seines Autos nutzen wollte und auf einmal feststellen muss, dass er ja teuren Netzstrom bezogen hat. Installiert sind solche Begrenzungen in allen Anlagen ab 25 Kilowatt, teilweise sogar in noch kleineren Photovoltaik-Anlagen.
Für die Abregelung ihrer Anlagen erhalten die Betreiber ja Entschädigung. Kompensiert dies den Bezug von Netzstrom?
Eine Entschädigung für den sogenannte Redispatch ist normalerweise vorgesehen. Da sie sich aber nur auf den Wert der Einspeisung bezieht, deckt sie den wirtschaftlichen Schaden durch solche vermehrte Strombezugsstunden auch nicht annähernd ab. In vielen Fällen ist die Höhe der Entschädigungszahlung auch für betroffene Betreiber vollkommen intransparent und nicht nachvollziehbar. So schrieb ein Netzbetreiber an seinen Kunden wortwörtlich: eine Vergütung der abgeregelten Leistung kann leider nicht erfolgen. Da es sich bei den Arbeiten um notwendige Wartungsarbeiten in der vorgelagerten Netzebene gehandelt hat, werden diese nach EnWG nicht vergütet.
Wie könnten diese Abregelungen vermieden werden? Muss der Rechtsrahmen geändert werden?
Viele Netzbetreiber verweisen derzeit darauf, dass die gesetzlich geregelte Abregelung die Leistung der Wechselrichter betreffen müsste und nicht die Netzeinspeiseleistung. Grundsätzlich ist deswegen zunächst der Rechtsrahmen eindeutig zu formulieren: Statt der Abregelung der Wechselrichter-Leistung muss bei Eigenverbrauchsanlagen eine Abregelung der Einspeiseleistung als Alternative zugelassen werden. Dies gilt sowohl für Anlagen im EEG mit Leistungsregelung per Rundsteuerempfänger oder ähnlichem als auch für Eigenverbrauchsanlagen in der Direktvermarktung.
Gibt es technische Lösungen, um dem Problem zu begegnen?
Technisch ist derzeit nicht jede Anlage in der Lage, die Einspeiseleistung statt der Wechselrichter-Leistung zu begrenzen. In manchen Fällen müssten die Anlagen dazu mit einem zusätzlichen Zähler samt Wandlermessschrank und einem Einspeisemanagement nachgerüstet werden. Viele Anlagen haben aber sogar – oft wegen begrenzter Anschlussleistungen – schon ein solches Einspeisemanagement. Das könnte man dazu jederzeit nutzen. Manche Anlagen mit hohem Eigenverbrauch wurden sogar oft in Absprache mit dem jeweiligen Netzbetreiber als „Nulleinspeise-Anlagen“ errichtet. Grundsätzlich werden die Anlagenbetreiber aber gerne bereit sein, Ihre Anlagen entsprechend nachzurüsten, wenn dadurch der Vorteil der Eigenversorgung auch während der Abregelungszeiten erhalten bleibt.
Kann diese Problematik auch für Großanlagen oder Freilandanlagen relevant werden?
Primär sind Freilandanlagen zumeist noch als reine Einspeiseanlagen konzipiert. Das wird sich aber schon bald ändern, wenn solche Anlagen in Zukunft zum Beispiel mit Speichern oder auch Elektrolyseanlagen erweitert werden oder vielleicht parallel Ladeparks direkt versorgen. Hier muss die gleiche Systematik wie bei den gewerblichen Anlagen gelten, die aber derzeit ebenfalls noch nicht gesetzlich verankert ist. Zunächst muss es möglich sein, die Netzanschlussleistung vor Ort auch voll auszunutzen, man spricht auch von „Überbauung der Netzanschlussleistung“. Eine Photovoltaik-Anlage nutzt die Leistung eines Netzanschlusses derzeit im Mittel nur zu 10 Prozent aus, das ist eine sehr schlechte ökonomische Optimierung. Ein parallel am selben Netzanschluss errichteter Speicher könnte etwa über ein Energiemanagement die freie Leistung sozusagen nutzen. Und auch hier ist es dann im zweiten Schritt wichtig und sinnvoll, dass im Zeitraum eines Redispatch nicht die Photovoltaik-Anlage (hart) abgeregelt wird, sondern nur (dynamisch) die Leistung am Netzanschlusspunkt. Nur dann kann die Photovoltaik-Energie sinnvoll innerhalb der Anlage weiterhin genutzt werden, etwa in dem sie zwischengespeichert und zeitversetzt ins Netz eingespeist wird.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
reasonable point
Sorry aber das ist einfach falsch. Im EEG ist geregelt dass die Einspeiseleistung nicht die Erzeugungsleistung reduziert werden muss §9EEG 2023 Abs. 1 Punk 2. Wenn der Kunde bzw. dessen Elektriker somit falsch die Anlage aufbauen oder Komponenten verwenden die dies nicht umsetzen können -> selber schuld. Kostal kann dies z.B. problemlos.
@Tadeus, vielen Dank für die Klarstellung. Prüft man so ein Interview nicht auf inhaltliche Korrektheit?
Vor kurzem gab es eine Doku in aus Bayern eines Handwerkbetriebes, da wird die PV ausgeschaltet und der Handwerksbetrieb muss zukaufen. Ich schaue mal, ob ich diese kleine Doku noch finde.. 😮
Youtube Suchwort: Ärger um Photovoltaikanlage: Zu viel Solarenergie für’s Netz | quer vom BR
@Simon: https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/quer/240704-quer-solaranlagen-100.html
das ist der Beitrag, der das gut beschreibt, was Hans Urban im Text sagt.
FENECON und KACO können das auch!
Der Redispatch 2.0 wird nicht im EEG geregelt. Beim Redispatch 2.0 geht es nach § 13a Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) um die Wirkleistungserzeugung direkt am Wechselrichter. Diese ist die Grundlage für die Ermittlung des (negativen) Redispatch-Vermögens – also die Leistung, die im Engpassfall abgeregelt werden kann/darf. Es ist nicht die Einspeiseleistung am NAP.
Aber im Artikel wird überhaupt nicht angesprochen, dass der Eigenverbrauch oder wie es in der BNetzA-Festlegung heißt die „Selbstversorgung mit EE-Strom“ durch die Europäische Strombinnenmarkt-Richtlinie geschützt ist. Art 13, 6 c)
Das Verfahren ist leider nicht besonders praktikabel. Der Einsatzverantwortliche (EIV) muss den Verbrauch prognostizieren und als Nichtbeanspruchbarkeit melden. Dann darf der Netzbetreiber nach den BNetzA-Festlegungen nur die Differenz zwischen prognostizierter Erzeugungsleistung und der prognostizierten Verbrauch als Redispatch-Vermögen ansetzen.
In der Praxis wird das nicht immer vom Netzbetreiber berücksichtigt, aber dagegen kann man klagen.
In der Praxis wird aber auch der Verbrauch nicht immer gemeldet. Das wäre schon mal der erste Punkt, den man jetzt adhoc angehen sollte.
Der Lösungsansatz mit Bezug auf den NAP ist im Grundsatz sinnvoll.
Das scheint mir ein kluger Kommentar zu sein. Stimmen dem inhaltlich alle zu? Ich kann keinen Artikel 13, 6c in der EU Binnenmarktrichtlinie Strom finden!
@Ralf Schnitzler:
Es ist die EU-StrombinnenmarktVERORDNUNG, nicht die Richtlinie. Weil es eine Verordnung ist, gilt es unmittelbar und verbindlich, ohne dass es noch in nationales Recht umgesetzt werden muss. Die Fundstelle ist:
Artikel 13 Absatz (6) c) der EU-Elektrizitätsbinnenmarktverordnung (VERORDNUNG (EU) 2019/943 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 5. Juni 2019 über den Elektrizitätsbinnenmarkt https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019R0943)
Artikel 13
(6) Bei nicht marktbasiertem abwärts gerichtetem Redispatch gelten folgende Grundsätze:
c) Nicht in das Übertragungs- oder Verteilernetz eingespeiste, selbst erzeugte Elektrizität aus Erzeugungseinrichtungen, in denen erneuerbare Energiequellen oder hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung genutzt werden, darf nicht Gegenstand von abwärts gerichtetem Redispatch sein, es sei denn, es gäbe keine andere Möglichkeit zur Lösung von Netzsicherheitsproblemen.
Ich habe es von Anfang an, seit 2015 so geregelt, dass ich nicht einspeise.
Dann wird auch nicht abgeregelt und ich habe meinen Eigenverbrauch was für mich auch das Ziel ist.
Ziel muss sein, so viel des erzeugten Strom selbst zu verbrauchen, Haus, Mobilität, Heizung, Wärme.
Die wenigen noch übrigen kWh , di dann noch übrig sind, sind zu vernachlässigen.
Danke für die Diskussion und die Kommentare.
Aber bitte nicht mit „einfach falsch“ urteilen, wenn selbst Experten, mit denen ich die Angelegenheit natürlich längst diskutiert habe, die Sache ganz ähnlich sehen. Ich will hier jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, denn sonst wirds etwas kompliziert. Nur kurz: Das Unternehmen müsste vorab ständig mit einem Formblatt seine nicht verfügbare Redispatch-Leistung melden. Viel Spaß kann man da nur sagen, denn die wollen ja eigentlich auch noch was arbeiten.
Desweiteren hat sich der Netzbetreiber in diesem Beispiel geweigert ganz einfach geweigert, eine technische entsprechende Lösung zu akzeptieren, das Beispiel hats auch letzte Woche sogar ins Fernsehen geschafft:
https://www.ardmediathek.de/video/quer-mit-christoph-suess/aerger-um-photovoltaikanlage-zu-viel-strom-fuer-s-netz/br-fernsehen/Y3JpZDovL2JyLmRlL2Jyb2FkY2FzdFNjaGVkdWxlU2xvdC80MDQ2MzI0NjQ4MTNfRjIwMjNXTzAxNzQ4OEEwL3NlY3Rpb24vMTVmNWI4Y2ItMTA5Yi00MmZlLWI1YzctZDBlMzMzMzZhMWY5
Aber wenn Sie hier eine positivere Auskunft geben können, freue ich mich auf Ihre Kontaktinfos, die ich gerne weitergeben werde!
VG
Hans Urban
Hans, das ist alles kein Problem.
KI wird das schon richten 😉
Aber man wüsste doch lieber, was jetzt richtig ist: Wäre der Netzbetreiber verpflichtet nur eine Reduzierung der Einspeiseleistung zu akzeptieren? Eine der gorßen Errungenschaften des EEG war doch, dass die Netzbetreiber nicht mehr mauern dürfen, sondern ganz feste Pflichten haben, was sie akzeptieren müssen.
Hans, Nichteinspeisung ist die Lösung!
Ist für die Energiewende nicht unbedingt das Beste , aber in diesem Fall funktioniert es.
Wir sind jetzt an einem Punkt, wo es sinnvoll wäre verstärkt lokale Speicher einzusetzen und den gewonnenen Strom dann einzuspeisen, wenn er gebraucht wird. Das würde die Sonnen- und Windstrom Spitzen reduzieren und zur Netzstabilität beitragen.
Mit dem Geld das für nicht eingespeisten Strom bezahlt wird, könnte man eine ganze Menge davon bauen. Warum wird das nicht gefördert?
Weil solche Speicher derzeit auch ohne Förderung entstehen.
Investoren gibts genug, es geht nur um Flächen und Netzanschlüsse…
E3DC bietet Stromspeicher (auch fürs Haus) die sofort einspringen, wenn Stromausfall herrscht. Diese sollten doch auch sofort einspringen, wenn vom Dach nix mehr kommt, oder?
Moinsen,
„Dynamische Begrenzung der Einspeiseleistung statt harter Abregelung“
ist seit Jahren Stand der Technik, weder Hexenwerk noch verboten. Ein Zwangsbezug durch „Abregelung am WR“ ist weder durch Redispatch noch sonstige Netzengpässes verplichtend.
Grundsätzlich gilt: „…EEG Strom ist vorrangig abzunehmen“. Dann kommt lange nix.
Dann gilt: Kann das nicht abgenommen werden, muss entschädigt werden. Mit einer verschwindend kurzen Liste an Ausnahmen.
Dass es nicht wird, oder über ein Jahr dauert und der Prozess weder kontrolliert noch bescheunigt werden kann, oder ein Wust an kruden Ausreden, warum dies nicht und das nicht, ist alles ein anderes Paar Schuhe.
Aber nochmal. Niemand kann einem Betreiber seiner PV verbieten, sich leistungsmässig +/- Null selbst zu versorgen.
Ja, es gibt „Knebel“ Passagen mit den einschlägigen Direktvermarktern, seine „Nichtverfügbarkeiten in der Erzeugung“ im Vorwege anzumelden, aber wenn man dann hört, dass der DV am Monatsende doch nur die Exceltabelle des VNB der RLM hernimmt, anstatt die mühsam übertragenden 10 Sekunden Live- Werte, ist der Sinn der Meldung gleich 0. Die Wolke muss sich ja auch nicht „für die Prognose“ anmelden.
Also, fröhliches Datenlogger umbauen / umprogrammieren (aus der Ferne natürlich). Lasst das Bayernwerk doch kommen. Die dürfen sich gern ihre Zählanlage anschauen, die korrektheit der MStDReg. Meldung prüfen und dann auf Wiedersehen. Sie können ja auch gern noch Steuerbefehle senden aus der Leitwarte und schauen, ob die 0% Befehle ankommen, umgesetzt und korrekt zurückgemeldet werden. Dann aber fix auf Wiedersehen, legt euch wieder hin. Da wo der Maurer das Loch gelassen hat, oder wahlweise wo die Fluttüren im grünen Piktogramm sind, da gehts raus.
PS: Eine anständig geplante und realisierte PV- Anlage, völlig unabhängig ihrer Grösse, verfügt selbstverständlich über Livedaten aus dem Verbrauchszweig. Wenn ich da was von Nachrüstung lese, muss ich schmunzeln.
Gruß, A. Witt
Auf Nulleinspeisung umstellen fertig.
Leichter gesagt als getan. Die Abtastraten der Mess und Steuergeräte sind doch viel zu langsam um nichtohmsche Verbraucher einzubeziehen
Richtig, mache ich schon seit 2015!
Bayernwerk Netz hatte dazu in einer der vorigen Versionen der TAB Mittelspannung (die vom 01.05.2022) noch eine gute Regelung (Kap. 10.2.4.1):
„Anschlussnehmer mit Leistungsbezug, die Erzeugungsanlagen oder Speicher mit Überschusseinspeisung betreiben, wird empfohlen, einen geeigneten Regelungsmechanismus aufzubauen, der den Leistungsfluss am Netzanschlusspunkt überwacht und einen erhöhten Leistungsbezug am Netzanschlusspunkt vermeidet. Bezieht ein Anschlussnehmer Leistung aus dem Netz des Netzbetreibers, müssen mögliche Vorgaben des Netzbetreibers zur Wirkleistungsreduktion seiner EZA ggf. nicht zwingend umgesetzt werden, da hierdurch eine Lastspitze entstehen kann. Speist ein Anschlussnehmer am Netzanschlusspunkt Leistung in das Netz des Netzbetreibers ein, so sind mögliche Vorgaben des Netzbetreibers zur Wirkleistungsreduktion seiner EZA nur soweit umzusetzen, dass am Netzanschlusspunkt eine Wirkleistung von P=0 fließt.“
Das war eine sehr praktische Regelung, denn da hat man die Lösung wenigstens selbst in der Hand.
In den aktuellen TAB (Version vom 01.06.2024) wird diese Regel leider aufgehoben und der Betreiber dazu aufgefordert, stattdessen Nichtbeanspruchbarkeiten an den Redispatch 2.0 Dienstleister zu melden:
„Anlagenbetreiber von EEG und KWKG Anlagen, die selbst erzeugte Elektrizität selbst nutzen bzw. durch Weitergabe an Dritte ohne Nutzung des öffentlichen Netzes selbst verbrauchen, sind bei Selbstversorgung im Rahmen des Redispatch entsprechende Daten an den Netzbetreiber melden. Bei Selbstversorgung mit EE- und KWK-Strom ab einer installierten Leistung von 100 kW (bezogen auf die Anlage) sind entsprechende Datenpunkte in der Anlage des Beschlusses BK6-20-061 (Informationsbereitstellung von Redispatch- maßnahmen) unter den Ziffern „2. Planungsdaten“ und „3. Nichtbeanspruchbarkeiten“ auszufüllen. Der Netzbetreiber wird diese Daten bei der Meldung durch einen Einsatzverantwortlichen im Rahmen des Redispatch berücksichtigen. Liefert der Anlagenbetreiber bzw. sein Einsatzverantwortliche keine oder fehlerhafte Daten und entstehen dem Anlagenbetreiber dadurch Nachteile, wie z. B. eine Lastspitze beim Redispatch, kann der Netzbetreiber dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden.
Hat ein Anlagenbetreiber die Empfehlungen aus der TAB-MS vor dem 01.12.2023 umgesetzt (z. B. selbstständige Blockierung von Sollwerten bei Leistungsbezug), dann ist dieses Konstrukt aufzulösen, wenn auf Basis der TAB-MS ab 01.12.2023 neue Erzeugungsanlagen oder Speicher hinzu gebaut oder Altanlagen ersetzt werden.“
Wäre spannend zu wissen, warum die alte Regelung nicht mehr gemacht werden darf. Die wäre perfekt, um das im Artikel beschriebene Problem zu lösen. So braucht man nicht auf Nulleinspeisung umstellen, und kann trotzdem sicher sein nicht abgeregelt zu werden.
Am einfachsten wäre es, wenn der Strompreis gesetzlich geregelt für alle Kunden mit iMSys auf 0 EUR / kWh in innerhalb und unterhalb des Netzes gehen würde in dem es zu einer Abregelung von EE Anlagen kommt.
Vereinfacht gesprochen: Der Staat / Bürger / Industrie kommt für die Stromkosten auf, also sollte der Staat wenigstens einen kleinen Teil des Stromes auch an Bürger und Industrie weiterreichen und das eingezahlte Kapital nicht dem Börsenhandel überlassen.
Wir brauchen jetzt die Energiewende in den Speichersektoren und auf der Verbraucherseite, sonst kommt der gesammte EE-Anlagen Markt mit Insolvenzen und Enlassungen ins Stocken bevor wir überhaupt auf die notwendige kWp / Jahr kommen, um die Klimaneutralität zeitnah zu erreichen.
Wenn ich nur daran denke, wieviele geflitzt sind, als es Ladestrom bei den Discounter noch umsonst gab. Da wird die Waschmaschine am Mittag für Nicht-PV-Betreiber ganz schnell zur Normalität.
Oder anders herum: Es läge im vitalen Interesse der Energieversorger, diesen Zustand zu vermeiden.
EE-Anlagen in der unmittelbaren Nachbarschaft würden für Industrie und Bürger eine neue Bedeutung bekommen und sich als Standortvorteil erweisen.
Lokale Politik würde diesen Standortvorteil ausbauen, damit Industrie nicht abwandert.
Und schon wieder ist das „Faule Ei“ von 2010 an einer Stelle angekommen, und bereitet der Energiewende unnötig Schwierigkeiten. Weil die Erneuerbaren seit 2010 nicht mehr in den Bilanzkreisen der Versorger verkauft werden, sondern separat an der Börse verramscht werden müssen, sind die ja auch nicht mehr in den Lastprofilen der Versorger enthalten. Dass das beim Redispatch irgendwann mal zutage treten würde, war nur eine Frage der Zeit. Natürlich geht es nun wieder zulasten der Einspeiser. Stellt euch mal vor die EE wären Day Ahead dem Vortageshandel verkauft. Die Netzbetreiber hätten sie auf dem Schirm ihrer Lastprofile und die Engpässe – wenn überhaupt – wären viel einfacher zu verhindern. Aber dann wären ja am Vortage weniger Kohlestrom verkauft worden, und das wäre ja nicht die Energiewende der Altgedienten.
Der Grund warum sich die Netzbetreiber hier so sträuben liegt auf der Hand, bei Eigenstromnutzung gehen ihnen die Netzentgelte flöten. Je mehr Strom aus dem Netz bezogen wird, desto mehr nehmen Sie über die Netzentgelte ein.
Wir durften bei einem Projekt mit einer großen Industriehalle keine Direktstromlieferung an den Mieter umsetzen, da der Netzbetreiber sonst seinen zugesagten Trafo zurückgezogen hätte und sich dadurch das Projekt um mehrere Monate verzögert hätte, was keine Option war.
Es muss ein rechtlich eindeutiger Rahmen geschaffen werden, der solche Tricks der Netzbetreiber unterbindet.
Inzwischen sind LiFePo4 – Akkus bezahlbar ( 200 Euro pro kwh ), damit kann man wirtschaftlich puffern.
Wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden, ließe sich ein großteil des Problems lösen.
Leider hat die Ampel keine Fachleute in die Gremien gesandt.
Hallo zusammen,
ich bin aus den ganzen Meinungen/Infos oben nicht so recht schlau geworden, deswegen einfach mal unser konkreter Fall:
749,5 kWp mit Eigenverbrauch. I.d.R. können wir diesen komplett verbrauchen, außer in Pausen oder am Wochenende.
Zudem haben wir einen 180 kW Speicher, mit dem wir einen Teil dieser Zeiten auch noch abpuffern können.
Auch wir werden regelmäßig abgeregelt.
Welche konkrete Möglichkeit haben wir um dies zu umgehen?
Vielen Dank für eure/Ihre Rückmeldungen.
@ Björn Holthus
Ich gehe mal davon aus Sie Speisen nicht direkt ins Hausnetz, sondern ins öffentliche Netz.
Da wird Ihr wertvoller Ökostrom seit 2010 der bekannten Ermächtigungsverordnung natürlich zur Ramschware, wie ich mit meinen Kommentare hier versuche deutlich zu machen.
Wenn Sie meine Kommentare noch nicht gelesen haben.
Siehe hier. https://de.wikipedia.org/wiki/Ausgleichsmechanismusverordnung
Zitat:…Die Verordnung zum EEG-Ausgleichsmechanismus (Ausgleichsmechanismenverordnung – AusglMechV) ist eine zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2010) erlassene Rechtsverordnung. Sie ändert die Vermarktung des ab 1. Januar 2010 aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms. Dieser muss seit Inkrafttreten der Verordnung durch die bundesweiten Übertragungsnetzbetreiber verkauft werden, anstatt dass er wie zuvor von den Versorgungsunternehmen der Endverbraucher abgenommen wird. Zitat Ende.
Jetzt sind wir wieder bei dem Vergleich mit den Erdbeeren aus dem eigenen Garten, die man nicht selbst essen darf, sondern erst der Großmarkthalle ( Netzbetreibern ) zur Verfügung stellen muss. Die entscheiden dann wie viel davon, und wie teuer man sie verbrauchen darf. War hier im Forum mit den verschiedenen Prosumer Modellen lange ein Thema.
Siehe hier z.B.
https://www.pv-magazine.de/2020/05/18/zukunft-der-photovoltaik-anlagen-chancen-des-prosumer-modells-der-bundesnetzagentur-fuer-den-kohleausstieg-nutzen/
@ Björn Holthus
Ich sehe Ihr Problem im Folgenden…
Vor dem Auslaufen der Vergütungen für Altanlagen 2020, wurden verschiedene Prosumer Varianten, so nennt man die Eigenverbraucher und Überschussverkäufer, zu denen Sie als Eigenverbraucher auch gehören, von der Bundes Netzagentur vorgeschlagen, und diskutiert.
Siehe z. B. hier.
https://www.pv-magazine.de/2020/04/16/das-ende-der-buerger-energiewende/
Es standen mehrere Möglichkeiten im Raum. Sie haben offenbar eine der umstrittenen Varianten gewählt. Anstatt ins Hausnetz einzuspeisen und vorrangig alle eigenen Verbraucher zu bedienen, bevor Sie den Überschuss abgeben, überlassen Sie die gesamte Erzeugung dem Netzbetreiber. Dann hantiert der damit wie es ihm gerade passt. Lassen Sie sich von einem Fachmann beraten, und ihren Zählerschrank entsprechen umrüsten.
@ Björn Holthus
Da fehlen ein paar technische Informationen zu Ihrer Situation, um Ihnen antworten zu können:
– Wie ist Ihre Einspeisung aufgebaut? Als Überschusseinspeiser oder als Volleinspeiser?
– Welcher Akteur regelt Sie ab? Der Direktvermarkter (in seiner Rolle als Direktvermarkter, also aufgrund negativer Strompreise in der Direktvermarktung) oder der Redispatch 2.0 Dienstleister (was oft auch der Direktvermarkter ist, aber eben in einer anderen Rolle)? Oder sogar die Netzleitstelle Ihres Netzbetreibers?
– Welches Gerät wird bei Ihnen vom abregelnden Akteur angesprochen, um die Abregelung auszuführen? Ein EZA-Regler (der den Abregelungsbefehl daraufhin an die Wechselrichter weitergibt)? Oder die Wechselrichter?
– In welchen Schritten werden Sie abgeregelt? Direkt auf Null oder schrittweise auf 60%, 30% o.ä.?
– Werden Sie abgeregelt, obwohl Sie Ihrem Redispatch 2.0 Dienstleister für diese Zeiträume rechtzeitig im Voraus „Nichtbeanspruchbarkeiten“ (für einen Teil oder für Ihre gesamte PV-Leistung?) für die betreffenden Zeiträume gemeldet haben?
– Hatten Sie schon Kontakt mit dem abregelnden Akteur, um ihn zu bitten das unerwünschte Abregeln zu unterlassen? Was war das Ergebnis des Kontakts?
Mein Eindruck als naiver ehrenamtlicher Mieterstrom-Berater und Software-Ingenieur:
Das Problem entsteht durch die bestehende alte Hardware von Mess- und Steuerungstechnik für Anlagen zwischen 25 und 100 kw: Dort gibt es keine Messtechnik damit der Netzbetreiber die Ist-Einspeisung mitbekommt und nur die Möglichkeit die PV-Anlage AN/AUS zu schalten via Rundsteuerempfänger und Schütz.
Abgesehen von gesetzlichen Diskussionen sehe ich die Lösung nur im
„Einbau von intelligenten Messsystemen und technischen Einrichtungen die 1. die Ist-Einspeisung abrufen können und 2. die Einspeiseleistung stufenlos ferngesteuert regeln können“ wie im EEG §9 bereits vorgesehen.
Leider hinkt der Rollout der SmartMeter weit hinter den gesetzlichen Vorgaben hinterher – das rächt sich jetzt. Wir sehen das auch bei der Umsetzung der GGV nach EnWG§42b und dem virtuellen Summenzähler EnWG§20 für Mieterstrom. Die Netzbetreiber wehren sich noch vielfach.
Die Umsetzung des EnWG „§14a Netzorientierte Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen“ hat ähnliche Problem: Weder Messung noch Steuerung sind vorhanden.
Dabei wäre eine integrierte Lösung per Smart-Meter und Software elegant, ausbaufähig und sowohl für Überschuss wie Überlast geeignet:
* SmartMeter messen Erzeugung, Überschuss und Verbrauch alle 15min
* Die Daten können gemeinsam für Abrechnung (Mieterstrom, GGV, Einzelzähler, etc) als auch für Steuerung (Info über tatsächliche Erzeugung und Verberauch) verwendet werden
* Die Steuerung vom Netzbetreiber erfolgt an ein Energiemanagementsystem übergreifend für den Hausanschluss beim Verbraucher
* Der Netzbetreiber gibt dabei vor a) bei Überschuss die Nulleinspeisung b) bei Überlast die stufenlose Abreglung bis auf 4,2kW am Hausanschlus
* Das Energiemanagementsystem optimiert lokal nach Kriterien des Verbrauchers (nicht des Netzbetreibers) die Erzeugung, Wärmepumpe, Wallboxen und Batterie.
Damit spart man die anachronistischen Schütze an den einzelnen Verbrauchern und die unsinnige Abschaltung der PV-Anlage statt Nulleinspeisung und überlässt die Optimierung dem Verbraucher.
Meine Frage: Wer entwickelt solch ein Gesamtzielbild, treibt die Standardisierung und die gemeinsamen Entwicklung der Software von Netzbetreibern, Erzeungsanlagen, Energiemanagement-Systemen und regelbaren Verbrauchern (Wärmepumpen, etc)?
Links:
https://www.gesetze-im-internet.de/eeg_2014/__9.html § 9 Technische Vorgaben
https://www.gesetze-im-internet.de/enwg_2005/__42b.html GGV
https://www.gesetze-im-internet.de/enwg_2005/__20.html § 20 Absatz 1d Virtueller Summenzähler mit Smart Metern
https://www.energie-experten.org/erneuerbare-energien/photovoltaik/direktvermarktung/einspeisemanagement
Hans Urban schreibt am 09 Juli um 12.59 Uhr.
Danke für die Diskussion und die Kommentare.
Aber bitte nicht mit „einfach falsch“ urteilen, wenn selbst Experten, mit denen ich die Angelegenheit natürlich längst diskutiert habe, die Sache ganz ähnlich sehen. Ich will hier jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, denn sonst wirds etwas kompliziert. Nur kurz: Das Unternehmen müsste vorab ständig mit einem Formblatt seine nicht verfügbare Redispatch-Leistung melden. Viel Spaß kann man da nur sagen, denn die wollen ja eigentlich auch noch was arbeiten.
@ Hans Urban.
Das „Faule Ei“ von 2010 lässt mal wieder grüßen.
Der Ausgangspunkt all des Übels war 2010 mit der bekannten Ermächtigungsverordnung.
Für neu hinzugekommene Leser siehe hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ausgleichsmechanismusverordnung
Zitat:…Die Verordnung zum EEG-Ausgleichsmechanismus (Ausgleichsmechanismenverordnung – AusglMechV) ist eine zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2010) erlassene Rechtsverordnung. Sie ändert die Vermarktung des ab 1. Januar 2010 aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms. Dieser muss seit Inkrafttreten der Verordnung durch die bundesweiten Übertragungsnetzbetreiber verkauft werden, anstatt dass er wie zuvor von den Versorgungsunternehmen der Endverbraucher abgenommen wird. Zitat Ende.
Seit 2010 müssen die Erneuerbaren nicht mehr in den Bilanzkreisen der Versorger abgenommen werden, sondern werden separat, quasi als Überschuss, an der Börse verkauft. Seit dem sind sie sowohl monetär, als auch physisch zum Spielball der Netzbetreiber geworden, wie gerade hier wieder mal zutage tritt. Für die Reform wurden verschiedene Gründe genannt. Befürworter waren vor allem die liberalen Wirtschaftspolitiker der FDP sowie die großen Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit ihren Lobbyorganisationen wie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft Unter anderem schmackhaft gemacht wurde dieses Ausgliedern aus dem System mit dem Erhalten des „Grünen Status“ Spätestens nach zwei Jahren sollte ein „Neutrales“ Unternehmen gefunden werden, das den EEG Strom diskriminierungsfrei zu „Höchstpreisen“ verkaufen soll. So stand es im Referentenentwurf, den ich wortwörtlich so gelesen habe. Heute, 2024 ist es so , dass der Bock immer noch den Gärtner spielt, und die EE verkauft. Natürlich nicht diskriminierungsfrei, und leider auch noch zu Ramschpreisen.. Das heißt die Netzbetreiber können mit den Erneuerbaren monetär und physisch spielen..
Fazit: Wenn man die Hauptakteure, nämlich die EE selbst aus den Bilanzkreisen raus nimmt, kann das sowohl physisch, als auch monetär, nicht im Sinne der Energiewende funktionieren.